Liebe Alle
Mich beschäftigt die Frage der Vergebung.
In sämtlichen Religionen und auch in der spirituellen Welt ist dies ein zentrales Thema.
In der realität finde ich das oft nicht ganz einfach.
Wenn man sich die Erde so ansieht scheint Vergebung und Religion nicht so wirklich zusammenzugehören sonst gäbe es nicht so viele Glaubenskonflikte.
Und dann noch meine persönliche Geschichte. Wertfrei zu sein und zu vergeben aber gerade in Beziehungen ist das sehr schwer für mich.
Ich habe einen netten Mann kennengelernt alles scheint klar zu sein ich will Beziehung er sagt er auch. Je öfter wir uns sehen desto seltsamer wird sein Verhalten mir gegenüber. Wenn ich in drauf anspreche weicht er mir aus. Bis ich Schluß mache weil is weh tut.
Dann erklärt er mir daß er nie eine Beziehung wollte weder mit mir noch mit einer anderen Frau.
Es ist jetzt nur eine Kleinigkeit aber ich bin sauer und es fällt mir gerade schwer ihn zu vergeben weil ich mich betrogen fühl.
Ich weiß es wäre leichter ihm zu vergeben und einfach weiterzuziehen ohne ihn aber es ist echt nicht leicht.
Wie geht es Euch mit diesem Thema
Ein Mann hatte einen Apfelbaum im Garten, aber er wünschte sich einen Birnbaum. Er betete zu Gott, dass der Apfelbaum zum Birnbaum werden solle. Und er hoffte und wartete auf den nächsten Frühling, wenn der Baum wieder beginnt zu blühen. Und der Baum blühte, und der Mann wurde schon leicht ärgerlich, denn er sah, dass der Baum schon wieder anfing Apfelblüten zu produzieren. Aber er bezwang seinen Ärger und dachte, naja, Gott kann alles, er kann auch aus Apfelblüten Birnen wachsen lassen. Und die Zeit der Blüte ging zuende, und die Früchte fingen an zu wachsen. Und er wurde noch ärgerlicher, weil er schon sah, dass die Früchte doch eher wieder apfelförmig als birnenförmig waren. Aber er schluckte seinen Ärger herunter, und wartete auf Gottes Eingreifen. Und die Früchte reiften heran, und es waren ganz wunderbare Äpfel, aber es war keine einzige Birne daran. Und der Mann ärgerte sich sehr an dem Apfelbaum und an Gott und er hackte den Apfelbaum um. So, das hast du nun davon, dass du keine Birne getragen hast. Und er betete nicht mehr zu Gott und bestrafte ihn so dafür, dass er ihn so schwer enttäuscht hatte.
Wer war nun verantwortlich für all den Ärger, den der Mann hatte?
Es war natürlich nur der blöde Baum. Der war schuld. Und der blöde Gott, der wohl mal wieder nicht auf ihn hören wollte.
So entsteht jede Enttäuschung durch eine unrealistische Erwartung.
Er war zu beschränkt zu sehen, dass der Baum ein Apfelbaum war und auch bleiben würde.
Sein Gebet war vielleicht nicht stark genug, um Gott zum Eingreifen zu bewegen.
Gott hatte vielleicht einfach keine Lust, nur wegen ihm mal eben in die Natur einzugreifen.
Vielleicht wollte Gott ihm aber auch nur bewusst machen, dass er dumme Erwartungen gehegt hat.
Und jetzt kommt die Vergebung. "Ach, du blöder Apfelbaum, ich vergebe dir, dass du keine Birnen getragen hast. Ich vergebe dir, dass du mir so wehgetan hast und mich so schwer enttäuscht hast. Und Gott, ich vergebe auch dir, dass du mich nicht erhört hast und dass du mir so wehgetan hast und mich mehrfach schwer enttäuscht hast."
Und gehts dem Mann dann besser???
Vergeben ist so ein aufgeblasener Unsinn.
Man kann Einsicht erlangen in die eigenen falschen Erwartungen, und diese dann korrigieren.
Da hilft aber auch kein Ritual oder keine formelhaften großgönnerischen Sprüche "ich vergebe dir".
Da braucht es genaues Hinschauen.
Ich habe einen netten Mann kennengelernt alles scheint klar zu sein ich will Beziehung er sagt er auch. Je öfter wir uns sehen desto seltsamer wird sein Verhalten mir gegenüber. Wenn ich in drauf anspreche weicht er mir aus.
das erste was du aus der Geschichte lernen kannst, ist die idealisierte Erwartung aufgeben, dass der Mann den du da kennengelernt hast, genau das meint was er sagt.
das zweite ist, dass er vielleicht "unsichtbare" Hemmungen hat, die anfangs noch nicht dir gegenüber eingestanden werden konnten, und erst nach und nach deutlich werden. Du hast erwartet, dass wenn er doch ja sagt, dass dort keine unsichtbaren Hindernisse in ihm existieren. Vielleicht war der Mann sich aber über seine Motivationen nicht so bewusst, sonst hätte er ja vielleicht direkt gesagt, dass da noch etwas ist, was ihm schwerfällt. Oder er wollte dich nicht enttäuschen, merkte aber nach und nach, dass er wirklich nichts für dich empfand.
das dritte ist, dass er viellleicht auch Hemmungen hat über seine Hemmungen zu sprechen. Du hast hingegen erwartet, dass er darüber sprechen kann, wenn du ihn ansprichst. Dieser Mann konnte oder wollte das vielleicht nicht.
Und dann noch meine persönliche Geschichte. Wertfrei zu sein und zu vergeben aber gerade in Beziehungen ist das sehr schwer für mich.
vielleicht hat diese Begegnung mit diesem Mann ja dazu beigetragen, dass du gelernt hast, dass auch du unsichtbare Hindernisse mit dir herumträgst. Du erwartest von dir Wertfreiheit und Vergebungsbereitschaft und stellst fest, dass das nicht so einfach ist. Du könntest diesem Mann also dankbar sein, dass er dir in dieser Begegnung etwas über dich bewusst gemacht hat.
Bis ich Schluß mache weil is weh tut.
Da zeigt sich deine Erwartung an eine Partnerschaft, dass so eine Partnerschaft nicht wehtun darf. Du könntest diesen Glaubenssatz mal hinterfragen.
Außerdem die Verantwortungslosigkeit: Du erwartest etwas von dem Mann, das er so nicht tut, und dann gibst du ihm die Schuld, dass er dir wehgetan hat. Hä?
Dann erklärt er mir daß er nie eine Beziehung wollte weder mit mir noch mit einer anderen Frau.
auch daraus kannst du eine Menge lernen.
Es kann sein, dass es so ist wie er sagt. Aber du hast ja schon gelernt, dass das nicht immer der Fall ist. Aber nehmen wir mal an, es ist so, wie er sagt. Dann kann man daraus mitnehmen, dass dieser Mann sich zwar auf dich zubewegte, aber keine festen Partnerschaftsinteressen hatte. Dann könnte man schauen, an welchen Anzeichen man vielleicht schon vorher hätte erkennen können, dass er gar nicht bindungsfähig oder bindungswillig war.
Aber vielleicht hat er das ja auch nur so gesagt, um auch von seiner Seite aus Schluss zu machen. Immerhin hast du mit ihm Schluss gemacht. Das kann ihm ja auch wehgetan haben, und er reagiert auf die Verletzung, indem er dich versucht zu verletzen, und nun auf einmal einfach behauptet, dass du ja sowieso nie interessant für ihn gewesen seist. Oder er will dich damit gar nicht verletzen, sondern er sagt das, um sich selbst vor seinem eigenen Schmerz zu schützen und redet sich selber ein, naja ich wollte ja sowieso nix von ihr oder überhaupt einer Frau. So nach dem Motto "die Trauben sind eh viel zu sauer." Dann kannst du daraus lernen, das nächste Mal nachzufragen. Vielleicht ist er genauso sauer wie du, auf sich selbst oder auf dich oder auf euch beide oder auf seine Hemmungen.
Wie du siehst gibt es ganz viele Möglichkeiten, du hast aber in deiner eigenen Verletztheit nur eine einzige gesehen:
Es ist jetzt nur eine Kleinigkeit aber ich bin sauer und es fällt mir gerade schwer ihn zu vergeben weil ich mich betrogen fühl.
du fühlst dich betrogen. Er fühlt sich vielleicht auch betrogen. Vielleicht hattet ihr beide Erwartungen an euch und an den anderen, die überzogen waren. Auf jeden Fall aber hast du dich mit deinen eigenen Erwartungen betrogen.
So könnte man sehr viel (auch noch viel mehr, das waren nur ein paar kleine Anregungen) aus dieser Begebenheit lernen und dankbar sein für all die Erfahrungen.
Und wenn ich doch so reich beschenkt worden bin, wieso will ich dann noch vergeben? Ja, ich vergebe dir, dass du mich so überreichlich beschenkt hast?
Vergeben kann nur aufgrund eines Vorwurfs und eines wahrgenommenen Mangels entstehen.
Doch der Vorwurf ist dein Vorwurf, deine eigenen Erwartungen klatschen dir ins Gesicht und tun dir weh.
Doch jede Enttäuschung könnte dir bewusst machen, dass du etwas erwartet hast und du kannst dann deine Erwartung korrigieren. Du hast da offenbar etwas falsch eingeschätzt, und nun durch die Enttäuschung könntest du daraus etwas lernen und die Erwartung reduzieren oder korrigieren.
Jede Erwartung trägt ihre eigene Enttäuschung schon im Rucksack. Deshalb sollte man sehr gut überlegen, was man erwartet.
Und auch der wahrgenommene Mangel ist nur die Unfähigkeit, den reichen Schatz aus der Begegnung zu heben.
Der Mangel liegt also in dir selbst, und nur du kannst ihn beheben, und dann gibt es nix zu vergeben.