Der Fall Västerås
In der Folge einer
Psychotherapie zeigte eine Frau (Ende 20) in
Västerås (
Mittelschweden) ihren Vater an, er habe sie, als sie 9–16 Jahre alt war, mehr als 200 mal vergewaltigt und gefoltert. Obwohl es außer der Erinnerung der Frau keinerlei sonstige Beweise (Zeugenaussagen, technische Beweise, medizinische
Indizien) gab, wurde der Vater 2002 zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. 2003 wurde das Urteil in zweiter Instanz bestätigt. Hierbei bezeichnete das Gericht die Auffassung der Verteidigung, es handele sich bei den Anschuldigungen um in der Psychotherapie
implantierte falsche Erinnerungen, als eine „absurde Theorie“. Nach mehr als neun Jahren im Gefängnis wurde der Mann 2012 nach 2/3 der 14 Jahre auf Bewährung entlassen.
In der Zwischenzeit begab sich die Tochter erneut in Psychotherapie und zeigte in deren Folge im Jahr 2007 weitere Erinnerungen an schwere Verbrechen an. Sie sei auch Opfer eines großen
pädophilen Netzwerks gewesen. Zu den Tätern rechneten namentlich genannte Chefs in Polizei und Wirtschaft. Die nachfolgenden Ermittlungen ergaben keine Hinweise, dass die neuen Anschuldigungen wahr sein könnten. Da sie jedoch den alten Anschuldigungen gegen den Vater sehr ähnlich waren und auch in Folge einer Psychotherapie vorgebracht wurden, wurde der alte Fall von 2002 vor das Oberste Gericht von Schweden (
Högsta domstolen) gebracht. Dieses hob am 24. Mai 2013 die bisherigen Urteile auf und verwies den Fall zur Neuaufnahme an die zweite
Instanz zurück. Diese sprach den Vater am 25. April 2014 in allen Punkten frei. Damit war seine Gefängnishaft die längste, die ein fälschlich Verurteilter je in moderner Zeit in Schweden absitzen musste. Sein Anwalt reichte am 7. November 2014 eine Schadensersatzforderung von 19 Millionen
Schwedenkronen (ca. 2,06 Millionen Euro) ein,
[18][19] und am 29. Juni 2015 wurde dem Vater eine Entschädigung von 12,6 Millionen Schwedenkronen (1,4 Millionen Euro) zugesprochen, die höchste jemals in Schweden festgesetzte Entschädigungssumme für einen fälschlich Verurteilten