Militante Käsewerfer auf hartem Rechtskurs

Werbung:
Denn dort, im [Kanton Appenzell], hatten Frauen bis vor knapp zwanzig Jahren kein Wahlrecht. Verschiedene Volksabstimmungen [...] brachten über die Jahrzehnte das immer gleiche Ergebnis[...]: Frauen gehören an den Herd und nicht an die Urne. Selbst als die Schweiz im Februar 1971 [...] die grundsätzliche Beseitigung dieses Missstands beschloss, blieben die Appenzeller weitere 19 Jahre lang stur – bis sie Ende März 1990 vom Schweizer Bundesgericht dazu gezwungen wurden, den weiblichen Teil der Bevölkerung auch auf kantonaler Ebene wählen zu lassen[...].

Dieses Beispiel zeigt recht eindrucksvoll, dass plebiszitäre Elemente in demokratisch verfassten Staaten nichts per se Gutes sind [...]. Nun wollte es der Weltgeist so, dass der Kanton Appenzell Innerrhoden auch das deutlichste Ergebnis bei der jüngsten Abstimmung über das Minarettverbot hervorbrachte [...]: 71 Prozent der Teilnehmer votierten dort mit „Ja“. Es braucht nicht viel Wagemut, um zu behaupten, dass dieses Resultat wohl kaum deshalb zustande kam, weil die Appenzeller und Innerrhoder besonders erbost über die Frauenunterdrückung im Islam sind. Auch der islamische Hass auf Juden und Homosexuelle wird nicht den Ausschlag gegeben haben, denn in solchen konservativen, ländlichen Gebieten hat man es mit Minderheiten oft selbst nicht so, um es zurückhaltend zu formulieren.

Erheblich wahrscheinlicher ist es da schon, dass die Eingeborenen in den Dörfern oft weniger ein dezidiertes Problem mit dem Islam als politreligiöser Ideologie haben als vielmehr grundsätzliche Ressentiments gegen Fremde pflegen. [...]

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass offenbar eine eher städtische Bevölkerungsgruppe das berühmte Zünglein an der Waage gespielt hat[...]: Analysen zufolge haben viele linke, feministische Frauen ebenfalls mit „Ja“ gestimmt, weil sie [...] „ein Zeichen gegen eine Kultur setzen wollten, die sie als autoritär, machohaft und aggressiv empfinden“, und weil sie mit dem Islam vor allem Burka, Sharia, „Ehrenmorde“ und andere Formen der Unterdrückung von Frauen verbänden. Julia Onken, eine der bekanntesten Feministinnen der Schweiz, hatte in einer an 4.000 Frauen verschickten E-Mail sogar ausdrücklich dazu aufgerufen, die Initiative zu unterstützen, [...].

Das alles zeigt ein Dilemma, ja, ein Elend auf: Eine im besten Sinne des Wortes liberale, fortschrittliche Islamkritik fristet noch immer ein Schattendasein, und ihre Vertreterinnen und Vertreter sitzen zudem zwischen allen Stühlen. Denn von den Linken wird schlicht jeder Einwand gegen den Islam unter Rassismusverdacht gestellt und abgelehnt; die Rechten wiederum benutzen die Islamkritik als Ticket für ihre fremdenfeindliche Agenda. Wer auf eine klare Unterscheidung zwischen Kritik und Ressentiment besteht, wird von beiden Seiten dem jeweils anderen Lager zugerechnet. Etliche Kommentare und Reaktionen nach dem Schweizer Volksentscheid machen eine vernunftorientierte Positionierung nicht leichter: Während es aus der islamischen Welt widerwärtige Boykottaufrufe gegen die Schweiz hagelt, die von Linken wie Daniel Cohn-Bendit unterstützt werden, feiern andere das Abstimmungsergebnis, frei nach Leni Riefenstahl, als Triumph des Volkswillens.


http://www.lizaswelt.net/2009/12/das-dilemma-der-islamkritik.html
 
Zurück
Oben