Lilith

D

DUCKFACE

Guest
Hallo!

Im Folgenden präsentiere ich meine persönliche psychoanalytisch-tiefenpsychologische Interpretation der Lilith:

Die der sumerischen Religion entspringende Göttin Lilith vereint die positiven und negativen Aspekte des Mütterlichen, nämlich Fruchtbarkeit, Weisheit und Leben sowie Tod und Verderben, in sich.

Die Verführungskünste der Lilith sind aus meiner Sicht dem bezirzenden Lockruf der internalisierten Großen Mutter, welche über die Aktivierung emotionaler Bindungsmechanismen einen Fluch über das Kind gelegt hat, sodass es am autonomen Leben gehindert wird, gleichzusetzen. So ist die Große Mutter wie die Lilith Lebensspenderin und (psychischer) Tod zugleich.

Das im Übermaß Mütterlich-Nährende, die hyperthrope mütterliche Resonanz und Aufmerksamkeit können fatale Folgen für die Individuation eines Menschen mit sich bringen. Betroffene sind regressiv ans Vergangene, an die vom Unbewussten glorifizierte Kindheit, an die verinnerlichte Mutter-Imago fixiert. Sie können sich nicht lösen, um einem eigenständigen und selbstbestimmten Leben entgegenzustreben. Sie verharren auf einem infantilen Niveau, wobei sie die psychische Reifung und Entwicklung ausschlagen. Sie empfinden tiefen Schmerz, allumfassende Trauer, Depressivität und demotivierende Niedergeschlagenheit, sobald sie sich aus diesen Fixierungen befreien möchten. Die unerbittliche Abschiednahme bzw. die Auflösung der symbiotischen Gemeinschaft mit der Mutter und der Aufbruch der Identifikation mit dem omnipotenten Objekt können also mit melancholischen Zuständen höchster Intensität verbunden sein. Auch narzisstische Kränkungen resultieren, wenn der mütterliche Fokus - der Mittelpunkt allen Erlebens - verlassen werden muss. Gleichzeitig können Schuld- und Mitgefühle bezüglich der Mutter auftreten, da selbige im Zuge des Individuationsprozesses "allein zurückgelassen" wird. Die Abwehr all dieser negativen Emotionen blockiert die persönliche Selbstwerdung und -entfaltung.

In dem Gedicht "An den Mond" schreibt Goethe:

"Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst.
"

Was kann hier so dermaßen köstlich gewesen sein, dass die Erinnerung daran als emotionale Qual empfunden wird? Meines Erachtens kommt nur die tiefe symbiotische Beziehung mit der Mutter in Betracht, die Mutter, die Goethe später in der Natur wiedererkennt und idealisiert. Ihrem Hätschelhans, wie sie den kleinen Goethe nannte, hatte sie zu viel Liebe, Beachtung, Zuwendung, Verwöhnung geschenkt. Auch als Greis verliebte sich Goethe immer wieder in jugendliche Frauen, in welchen er wahrscheinlich die junge Mutter aus seiner Kindheit suchte.

Im Vergleich zur innigen Symbiose mit der Mutter mutet die Realität des Erwachsenen allzu oft kühl, lieblos, wenig attraktiv an. Der gefühlte und erlebte Widerspruch zwischen Realität und symbiotisch-narzisstischer Einheit, der bei der Konfrontation mit dem Realen offenbar wird, kann meiner Meinung nach depressive Symptome sowie Angstgefühle evozieren.

Viele Grüße

DUCKFACE
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Warum kommt hier für dich nur die Mutter in Betracht?
Das Gedächtnis bemüht sich, unangenehme Erinnerungen zu löschen, die angenehmen jedoch nicht. (Sehnsucht?)
Im Übrigen ist dies nur ein kleiner Auszug aus "An den Mond".

So wie auch dies:
Was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht...


In diesem Sinne
Possibilities
 
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Hallo Duckface,

in meinem Verständnis sind manche Worte anders besetzt, wie folgt:

Ich lasse Lilith ganz ausser vor, da ich sie für die Betrachtung nicht brauche.
Wenn Dir Lilith dazu aber wichtig ist, lass es mich wissen, da hätte ich auch eine Antwort, einen mentalen Ort, an dem ich mich aufhalte.
Ebenso lasse ich Goethe aussen vor, ich kann da nichts dazu sagen, weil ich mich mit seinem Privatleben nicht auskenne.

Das Mütterliche ist nur ein Aspekt der weiblichen Triangulation "Jungfrau - Mutter - Weise Alte". Ich bin mir nicht im Klaren, ob Du nur nachlässig mit den Worten umgehst oder ob in Deinem Gedankengebäude das alles, so wie Du es schreibst, ins Mütterliche gehört. Nicht jede Frau ist Mutter, somit ist das Mütterliche nur ein Aspekt des Weiblichen. Natürlich hat jeder der oben von mir genannten weiblichen Aspekte eine erlöste, eine stagnative und eine unerlöste Seite.

In einer Weise astrologisch betrachtet ist Venus die Verführung, nicht Krebs - was das Mütterliche wäre. Und Verführung ist eigentlich ein Spiel zwischen gleichwertigen Partnern, oder sollte es wenigstens sein.

Schwierig wird es für mich, wo Du einen Begriff, der für mich eindeutig die erlöste weibliche Seite zeigt, wie Aufmerksamkeit, in die unerlöste Sparte schiebst. Könnte das nicht eindeutiger formuliert werden?

Sehe ich es richtig, wenn es Dir in Deinem Text um die überfürsorgliche, die mit jeder Handlung eine unheilvolle Bindung schaffende und nie loslassende Mutter geht? Eine Mutter, die bewußt oder unbewußt ihre Kinder in eine Zwickmühle bringt, eine Doppelbindung herstellt, die heißt: nicht mit Dir und nicht ohne Dich. Einer Mutter, der, ich betrachte das gesammte Bild, der Vater an der Seite fehlt. Die Mutter ist - per Definiton - für das innere Nest zuständig und das Nest sollte, dürfte einladend, nährend und offen sein - ohne zu fest zu binden.

Ich sehe im Kindesalter eine sowohl biologische wie psychologische Symbiose zwischen Mutter und Kind. Wie lange das sinnvoll ist, ist nicht eindeutig zu klären, doch gibt es spätestens ab 3 Jahren, die Notwendigkeit für das Kind, eigene Bereiche und eigene Neigungen zu verfolgen, was meist mit dem zauberhaften Wort "Nein" zuerst erfolgt.

Im Fall der unerlösten Beteiligten (Mutter, Kind) kann all das, was Du als Krankheit beschreibst, die Folge sein. Kann, muß nicht.

Spannender finde ich die Frage: Warum kann das eine Kind sich von einer unheilvoll-symbiotischen Mutter lösen, während ein anderes sich in ihren Spinnfäden verheddert und depressiv oder aggressiv wird?

Wie lösen wir die unheilvollen (Doppel-)Bindungen und kommen zu einer psychologischen Freiheit, einer emotionalen Selbständigkeit und mentaler Klarheit - sprich einem guten, konstruktiven, eigenen Leben?

Und wo ist der, ebenso wie die Mutter, Leben spendende reale Vater, der Coach, der Grenzen setzt und eben für die Trennung zur richtigen Zeit verantwortlich wäre? Wir haben also auf der von Dir beschriebenen Seite eine ins Unheilvolle verkehrte Mutterbindung, die aber nur deswegen so übertrieben sein kann, weil der Vater fehlt, der Vater ebenso ins Unheilvolle verkehrt ist, weil eben nicht vorhanden. Dabei ist es erstmal egal, ob der Vater real im Äusseren existiert oder eine innere (psychologische) Figur der Frau und Mutter ist.

Ist es das was Dich bewegt zu wissen?
 
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