Im schmerz ertrinken

M

Mipa

Guest
Ich weiss, dass es dramatisch klingt, vielleicht auch kitschig, aber es beschreibt am besten das, was ich fühle.
Ich war schon immer so, aber eine zeitlang war es besser. Nun hat die neigung, den schmerz anderer so intensiv zu spüren, seit einiger zeit wieder sehr zugenommen.

Beispiele: In meiner unmittelbaren umgebung hat es eine gefährliche schnellstrasse, wo es immer wieder zu tragischen verkehrsunfällen kommt. In den letzten beiden jahren waren es oft mütter von kleinen kindern, die bei einem unfall auf der stelle starben. Gekannt hab ich keine persönlich.
Wir haben auch ein kieswerk ganz in der nähe, wo es zu einem tödlichen unfall kam.

Ich kann mit diesen ereignissen nicht mehr umgehen. Ich erfahre davon und dann beginnt es mich aufzuwühlen. Ein schmerz beginnt sich in mir auszudehnen, der mich ganz einnimmt. Es ist mir, als würden sich in meinem innern türen öffenen, die immer tiefer in mein inneres führen oder gar in eine andere ebene. Ich bin dann oft mit den gedanken intensiv bei den hinterbliebenen und es kommt mir vor, als ob ich selbst zu einer hinterbliebenen würde.
Auf diese weise verliere ich über mein eigenes leben nun immer wieder den überblick, vergesse termine, bin total abwesend, etc.

Ich habe erst versucht, gegen diese starken gefühle anzukämpfen, habe dann versucht sie anzunehmen und mich einfach überschwemmen zu lassen, aber nichts bringt mich von dem schmerz weg, bzw. lässt mich ihn distanzierter erleben.

Gibt es welche unter euch, denen es auch so geht - und wenn ja, wie geht ihr mit dem schmerz um?

Liebe grüsse
Mipa:)
 
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Ich kann mit diesen ereignissen nicht mehr umgehen.

Ich habe erst versucht, gegen diese starken gefühle anzukämpfen, habe dann versucht sie anzunehmen und mich einfach überschwemmen zu lassen, aber nichts bringt mich von dem schmerz weg, bzw. lässt mich ihn distanzierter erleben.

Gibt es welche unter euch, denen es auch so geht - und wenn ja, wie geht ihr mit dem schmerz um?

Liebe grüsse
Mipa:)

ich denke, dass ist eine Phase durch die jeder hindurch geht....ich hatte sie auch und sie waar wirklich sehr aufrüttelnd und schwer zu ertragen...

Diese Phasen gehören zur Bewusstseinsevolution, erst ist einem gar nicht bewusst, dass so viel Elend in der Welt existiert, dann sieht man es und ist weit weg und betrifft nur die anderen, dann kommt es immer näher, ich meine innerlich und jetzt bist du halt in dieser Phase, sie sät das Mitgefühl was ganz wichtig ist.......
sobald das Mitleid in Mitgefühl umgewandelt ist und nicht mehr Angst diese unangenehmen Gefühle auslöst, sondern das Wissen, dass man/frau nicht weiss wozu etwas dient, da ist......kommt der Frieden damit...
 
Mir ist (interessanterweise heute Nacht) der Gedanke gekommen, dass Du wahrscheinlich den nächsten Schritt tun musst, den Schritt von Mitleid zu Mitgefühl. :trost:

Du hilfst ja niemandem, wenn Du mitleidest, Du verstärkst damit nur das kollektive Leid. Das habe ich mal irgendwo gelesen und ich finde diesen Gedankengang sehr einleuchtend.

Du solltest vielleicht versuchen, von den belastenden Situationen innerlich einen Schritt zurückzutreten, sie sozusagen von außen betrachten, und dann dieser Situation Dein ganzes Mitgefühl zu geben, ohne dabei mitzuleiden. Ich weiß, dass der Anfang nicht einfach ist, aber es ist eine Übungssache, wie so vieles andere auch.

Alles Gute,
Uriella2 :umarmen:
 
liebe Mipa,
was du beschreibst, kenne ich auch, nur damit umzugehen.. hm…
es hat ziemlich lange gedauert, bis ich merkte, daß diese schmerzwellen manchmal tatsächlich von außen kommen, daß ich nur etwas auffange, was in der luft liegt, - ich lerne jetzt erst langsam, sie zu unterscheiden. keine ahnung, ob dies überhaupt nötig ist – am erleben selbst ändert sich ja dadurch nicht viel.
durch proben und irrtümer glaube ich einen weg aufgespürt zu haben, mich ganz vorsichtig aus solchen zuständen hinauszumanövrieren, kann aber noch nicht genau erklären, wie... ich würde es mit dem tauchen vergleichen – (bewusst) in die tiefe gehen und wieder hinaus, ja, so ungefähr.. so lässt sich zwar nicht die intensität, aber zumindest die dauer des unterwasseraufenthaltes einschränken. hauptsache, wenn der tiefpunkt erreicht ist, nicht allzulang dort verharren - bei mir ist es genau der punkt: dieser zustand neigt fliessend in eine art starre überzugehen. wenn du richtigen zeitpunkt erwischst, lässt er sich umschalten, so in etwa: genug; hier ist kein angenehmer ort zum planschen; jetzt reicht´s. es muss aber tatsächlich „genug“ sein (na ja, zumindest bei mir :D) – beginnt man mit dem zappeln viel zu früh, wird es zum schluß nur noch chaotischer.. besser kann ich es nicht erklären.

und dann dieser Situation Dein ganzes Mitgefühl zu geben, ohne dabei mitzuleiden.

das mit dem mitleid und dem mitgefühl scheint mir zwar manchmal auch einleuchtend, aber leider nur theoretisch. mich erinnert es eher an eine art hintertür: wenn jemand sich freut, freue ich mich mit, wenn jemand liebt, spüre ich die liebe, nur wenn er leidet, soll ich „mitgefühl“ haben... hm... aber was für ein gefühl? und vor allem „mit-“ was? hat es auch einen namen? ich habe schon so oft davon gelesen, und trotzdem kommt mir bei diesem wort nichts anderes als ein halbherziges mitleid in den sinn.:confused:

liebe Uriella, könntest du vielleicht an einem beispiel erklären, was das ist? wie fühlt sich dieses „mit-gefühl“ an?
 
Mir ist (interessanterweise heute Nacht) der Gedanke gekommen, dass Du wahrscheinlich den nächsten Schritt tun musst, den Schritt von Mitleid zu Mitgefühl[/B]. :trost:

Alles Gute,
Uriella2 :umarmen:


Liebe Uriella
Ich habe dieses überwältigende schmerzgefühl gar nie als mitleid oder mitgefühl angesehen, da ich ja in keiner beziehung zu den menschen stand und bis jetzt stehe, sondern habe es einfach als unerträglichen "seelen-schmerz" wahrgenommen.
Ich hatte einfach immer sofort die bilder des zurückbleibenden mannes/vaters vor mir oder die unfassbar traurigen gesichter der kinder. Wie sie mit der situation umgehen oder nicht....etc. Ja, man kann es wohl als mit-leiden bezeichnen. Natürlich möchte ich das nicht und es bringt niemandem etwas. Der einen familie, die ganz in nähe familie wohnt, schrieb ich damals eine karte und bot ihnen zurückhaltend meine hilfe an. Ich wollte mich keinesfalls aufdrängen. Mir war aber klar, dass sie darauf vermutlich nicht eingehen würden, da sie mich ja nicht kennen. Sie schrieben mir dann eine danksagung und danach konnte ich für mich abschliessen.
Den mann sehe ich hie und da mit den kindern und er scheint mir tapfer, aber doch irgendwie zerbrochen. Noch immer nimmt es mich sehr mit, das unfassbare anzunehmen.

Ich möchte "nur" mitfühlend sein und kompetent "daneben" stehen, schaffe aber diesen sprung bis jetzt nicht.
Wie funktioniert dieser schritt?:)
 
liebe Mipa,
was du beschreibst, kenne ich auch, nur damit umzugehen.. hm…
es hat ziemlich lange gedauert, bis ich merkte, daß diese schmerzwellen manchmal tatsächlich von außen kommen, daß ich nur etwas auffange, was in der luft liegt, - ich lerne jetzt erst langsam, sie zu unterscheiden. keine ahnung, ob dies überhaupt nötig ist – am erleben selbst ändert sich ja dadurch nicht viel.
durch proben und irrtümer glaube ich einen weg aufgespürt zu haben, mich ganz vorsichtig aus solchen zuständen hinauszumanövrieren, kann aber noch nicht genau erklären, wie... ich würde es mit dem tauchen vergleichen – (bewusst) in die tiefe gehen und wieder hinaus, ja, so ungefähr.. so lässt sich zwar nicht die intensität, aber zumindest die dauer des unterwasseraufenthaltes einschränken. hauptsache, wenn der tiefpunkt erreicht ist, nicht allzulang dort verharren - bei mir ist es genau der punkt: dieser zustand neigt fliessend in eine art starre überzugehen. wenn du richtigen zeitpunkt erwischst, lässt er sich umschalten, so in etwa: genug; hier ist kein angenehmer ort zum planschen; jetzt reicht´s. es muss aber tatsächlich „genug“ sein (na ja, zumindest bei mir :D) – beginnt man mit dem zappeln viel zu früh, wird es zum schluß nur noch chaotischer.. besser kann ich es nicht erklären.

Du hast das gut erklärt.:umarmen: Ich werde mal darüber nachdenken.

das mit dem mitleid und dem mitgefühl scheint mir zwar manchmal auch einleuchtend, aber leider nur theoretisch. mich erinnert es eher an eine art hintertür: wenn jemand sich freut, freue ich mich mit, wenn jemand liebt, spüre ich die liebe, nur wenn er leidet, soll ich „mitgefühl“ haben... hm... aber was für ein gefühl? und vor allem „mit-“ was? hat es auch einen namen? ich habe schon so oft davon gelesen, und trotzdem kommt mir bei diesem wort nichts anderes als ein halbherziges mitleid in den sinn.:confused:

Mit-leiden übersetze ich für mich mit einer austauschbarkeit der rollen, mit-fühlen als ein anteil nehmen, ohne involviert zu sein. Du hast recht, theoretisch klappt das, aber meine eigenen gefühle werfen mir immer alles über den haufen.

liebe Uriella, könntest du vielleicht an einem beispiel erklären, was das ist? wie fühlt sich dieses „mit-gefühl“ an?

Ja, über eine beschreibung würde ich mich auch sehr freuen. Ist es einfach ein sich-bewusstes-losstrampeln, um nicht zu sehr in den schmerz hinein zu gehen und dadurch handlungs-fähig zu bleiben?
Wie geht das?
 
Ich weiss, dass es dramatisch klingt, vielleicht auch kitschig, aber es beschreibt am besten das, was ich fühle.
Ich war schon immer so, aber eine zeitlang war es besser. Nun hat die neigung, den schmerz anderer so intensiv zu spüren, seit einiger zeit wieder sehr zugenommen.

Hallo Mipa

Als erstes ist mir aufgefallen das du dich nicht annimmst wie du bist! Ich stelle mir gerade vor wie du dich fühlst wenn du das so lebst. Ich bin so, aber es war schon mal besser! Du denkst also das was du fühlst und denkst ist schlecht kitschig, ja dramatisch gespielt. Wenn du deine Gefühle nicht annimmst und schaust was da hinter ist, wird das nichts. Vielleicht bist du einer der Mütter gewesen, die an dieser Strasse in der Vergangeheit starben. Wir haben doch ein Leben davor, oder sehe ich das falsch!

Vielleicht hast du da noch was sitzen. Denn wo eine Resonaz da ist auch was!

lg Pia
 
das mit dem mitleid und dem mitgefühl scheint mir zwar manchmal auch einleuchtend, aber leider nur theoretisch. mich erinnert es eher an eine art hintertür: wenn jemand sich freut, freue ich mich mit, wenn jemand liebt, spüre ich die liebe, nur wenn er leidet, soll ich „mitgefühl“ haben... hm... aber was für ein gefühl? und vor allem „mit-“ was? hat es auch einen namen? ich habe schon so oft davon gelesen, und trotzdem kommt mir bei diesem wort nichts anderes als ein halbherziges mitleid in den sinn.:confused:

liebe Uriella, könntest du vielleicht an einem beispiel erklären, was das ist? wie fühlt sich dieses „mit-gefühl“ an?

Du siehst das ganz richtig! Freude, Liebe - das sind positive Gefühle, von denen es niemals genug geben kann. Es ist gut, sich mitzufreuen, die Liebe zu spüren.

Aber Leiden - das ist ein negatives, trauriges Gefühl, von denen es ohnehin genügend gibt, ohne dass ich den Leidens-See durch mein Mit-Leiden vergrößere. Siehst Du den Unterschied?

Mitgefühl ist kein halbherziges Mitleid - Mitgefühl kann durchaus ein schönes und irgendwie auch beglückendes Gefühl sein. Es nützt niemandem etwas, wenn Du mit einem Leidenden mit-leidest, indem Du auch leidest. Damit kannst Du niemandem helfen.

Wenn Du mit einen Leidenden mitfühlst, dann kannst Du versuchen, ihn zu trösten. Wenn man leidet, braucht man niemanden, der mit einem leidet - man braucht jemanden, der einen tröstet, an den man sich anlehnen kann, der so stark ist, dass man in seinen Armen weinen kann.

Ich weiß momentan nicht, wie ich es besser erklären könnte, aber vielleicht kannst Du auch so verstehen, was ich meine?

Alles Liebe,
Uriella2
 
Ich möchte "nur" mitfühlend sein und kompetent "daneben" stehen, schaffe aber diesen sprung bis jetzt nicht.
Wie funktioniert dieser schritt?:)

"Nur" mitfühlend - das ist nicht der richtige Ausdruck. Mitfühlend sein, das ist kein "nur", Mitgefühl ist ein Ausdruck von innerer Stärke und ganz sicher nicht weniger wert, als wenn man sich in Situationen gefühlsmäßig zu sehr hineinziehen lässt. Verstehst Du, wie ich das meine? :kiss4:

Bei mir funktioniert es so, dass ich versuche, innerlich einen Schritt zurückzutreten und das Geschehen so irgendwie von außen zu betrachten.

Es ist ja so, dass alle Dinge, die geschehen, einen Sinn und einen Grund haben. Wenn jemandem Leid widerfährt, dann ist das nicht Dein Leid, es ist das Schicksal dieses anderen. Wenn Du jetzt fähig bist, Mitgefühl für diese Situation, für diesen Menschen zu empfinden, dann kannst Du versuchen, ihm Stab und Stütze zu sein (falls er das will). Vielleicht kommen dann irgendwelche Ideen, wie Du ein bisschen Freude in sein Leben (oder in diesem speziellen Fall in das der Kinder) bringen kannst - natürlich ohne aufdringlich zu sein.

Ich glaube, dass es Deine momentane Aufgabe ist, diesen Schritt weiter zu gehen - und ich bin ganz sicher, dass Du es hinkriegst! :umarmen::kiss4::umarmen:

Alles Liebe,
Uriella2
 
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liebe Uriela,

ja, es klingt sehr vernünftig und stimmig, und ich verstehe es auch, nur auf einer anderen ebene. ich habe eher versucht, dies aus einem zustand heraus zu betrachten, den Mipa in ihrem eingangspost beschrieben hat. diese andere, “mentale” schicht, die du ansprichst - ob es sich lohnt, ob es jemandem nützt oder nicht - hat ja von dort aus gesehen kaum gewicht.

natürlich kann man versuchen sich alles gute einzureden, was in diesem moment gar nicht stimmt: in diesem moment ist ja nur der schmerz; vielleicht hilft es der Mipa oder jemandem anderem auch, ich weiß es nicht… ich selbst könnte mich damit nicht überzeugen.

stell dir vor, es wäre nicht ein seelischer schmerz, sondern z.b. bauchweh, migräne, was auch immer.. durch dein wissen, daß er eigentlich keinem nützt, daß er ja genauso nur kollektives leid vergrößert, wird dieser schmerz auch nicht gelindert, oder?

Wenn man leidet, braucht man niemanden, der mit einem leidet - man braucht jemanden, der einen tröstet,

an diesem satz bin ich extrem lange hängen geblieben..
als erstes fiel mir der sprichwort ein: geteiltes leid ist halbes leid. geteiltes, nicht getröstetes. warum?

dann erinnerte ich mich an die geschichte, die Mipa hier erzählte, und versuchte, mich in diese verwaiste kinder hineinzuversetzen. da wurde mir klar: wäre ich selbst eins von dieser kinder, so würde ich den schmerz und verlust viel leichter ertragen, wenn jemand anderer mit mir zusammen leiden würde, z.b. andere geschwister oder vater, - jemand, der ebenfalls betroffen ist, und nicht wenn ich alleine einem „von der anderen seite“ erschienenem trostspender (der ja mit „meinen“ schmerz gar nichts zu tun hat) gegenüberstehe. spürst du den unterschied?

und dann noch ein gedanke, der jetzt noch weiter führt: wenn es möglich ist, das leid zu teilen, und Mipa auf irgendeine art einen teil dieses leides der verunglückten familie, der kinder mitbekommt, - auch ohne sie zu kennen – haben diese kinder vielleicht doch ein stück weniger zu tragen? könnte doch sein? davon glaube ich auch mal irgendwo gelesen zu haben..
 
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