Nicht(s) wissen
Woher weiß jemand, ob das was er weiß, oder vermutlich her zu wissen glaubt, auch stimmt?
Man lernt, indem man etwas (bei anderen) beobachtet, und zu imitieren, kopieren, nachahmen versucht. Oder indem man das Wissen eines anderen übernimmt, lernt.
Dabei gibt es anscheinend gewisse, leichter nachvollziehbare, ja auch objektivierbare Sachverhalte, die man zumindest, so sich jemand die Mühe macht, beweisen lassen, von etwas ableitbar sind, und daher zumindest in einem gewissen Kontext stimmen, wahr, richtig sind.
In einem anderen, aus einer anderen Perspektive betrachtet vielleicht aber dennoch nicht.
Anderes "Wissen" ist oder wäre nicht so einfach erklärbar, beweisbar, begründbar, oder wird von demjenigen, der es weitergibt, vielleicht selbst nicht so ganz durchschaut, womit derjenige selbst in eine Art Erklärungsnotstand geraten mag, also wird das Wissen nicht über eine Art Erklärung, Beweisführung sondern über Druck, Macht weitergegeben.
"Das ist eben so!" beispielsweise, wenn Kinder allzu neugierig nachfragen, was ganz genau wissen wollen und Eltern oder Erzieher irgendwann ihre Macht des Stärkeren auffahren. Und plötzlich wird Wissen zu einer Art Glaubenssache, nicht überprüfbar, nicht beweisbar, aber wenn du zu uns gehören willst, dann musst du das wissen respektive glauben, woran wir auch glauben.
Diese zunehmend unreflketierte Übernahme von fremdem Wissen, Fremdinformationen setzt sich in Schule und Ausbildung fort, wobei der Wissenstoff ebenfalls so umfangreich werden mag, dass eine eigene Überprüfung auf Richtigkeit hin gar nicht mehr möglich wäre, selbst wenn jemand das wollen würde. Und sollte jemand es auf die Universität schaffen, so lernt er sogar dort zunächst einmal, "richtig" zu denken, nämlich (natur-)wissenschaftlich. Der nächste "Glaube".
Parallel dazu überschwemmt uns die Mediengesellschaft mit jeder Menge Halbwissen, scheinbaren Tatsachen bis hin zu bewussten Illusionen, Inszenierungen, Fiktionen, Fakes, die alle zumindest echt, plausibel, real wirken mögen. Oder erst recht die wundersam verdrehte Welt der Esoterik. Nur, wie unterscheidet man Fiktion, Inszenierung von tatsächlichen Facts? Oder Wahrheiten von Scharlatanerie?
Ist alles Eins, ein Topf, Eintopf, egal?
Moderne Ratingagenturen, die es bis vor Kurzen noch gar nicht gab, bewerten ganze Staaten in den Ruin, so gesehen, ein paar Worte, ein paar Zahlen, ein paar Sterne, und reale, tatsächliche Wirklichkeiten für ein paar Millionen Menschen als auch für den ganzen Planeten verändern sich schlagartig.
Und doch bleibt das ebenso wie die Börsenspiele eine Art Glaubenssache. Die Tempel der globalisierten Welt sind Banken, Konzerne, Ratingagenturen? Und die Götter, die wir, natürlich streng mathematisch anbeten, heißen Dollar oder Euro?
Geld, selbst bereits eine Art Glauben, Glaubenssache. Ich tausche Papier oder Zahlen aus, in der Hoffnung, dass sein realer Wert auch stimmt. So lange es auch einigermaßen stimmt, funktioniert das auch, nur wenn nicht, bricht eine Menge zusammen. Auch dabei geht es um Glauben, Vertrauen. Irreale, fiktive, unsichtbare Werte, Eigenschaften.
Und wenn uns das alles zu viel wird, nicht mehr durchschaubar, wir an der Komplexität des Ganzen anstehen, suchen wir neue, einfachere Lösungen, Erklärungen, die uns suggerieren, dass es so eben doch (noch) gut und richtig wäre.
Alles ist Liebe, alles ist Licht oder wir werden wieder gläubig, entdecken unsere Herzqualitäten oder ähnliches.
Erhöht das dann unser Wissen über die tatsächlichen Zusammenhänge, führt uns das zu Lösungen, zu Auswegen aus dieser Art von vernetzten Labyrinthen?
Oder können wir uns dann auch heute noch ganz einfach auf ein sokratisches "scio nescio" zurückziehen und alles einfach laufen lassen, an uns vorbei? Tun oder lassen, zusehen, mitmachen, ignorieren?
Was wissen wir tatsächlich über uns, diese Welt, was nicht und wo liegen wir anscheinend falsch? Den Resultaten nach offensichtlich in Vielem. Jedes Wissen scheint zu Resultaten zu führen, fragt sich nur, zu welchen und ob diese auch so sind wie wir sie uns vorgestellt haben mögen...