Ich finde diese Frage äusserst intelligent und spannend. Um es ganz kurz zu machen: Es entspricht meiner Erfahrung, dass das Horoskop nie wirklich "transzendiert" wird. Dafür gibt es zwei ganz unterschiedliche Erklärungen und Begründungen.
Die erste Begründung lautet, dass das Horoskop gar nie transzendiert werden kann. Es handelt sich also um eine prinzipielle Unmöglichkeit. Man könnte das Horoskop so auffassen, dass das Selbst als unbewegter Mittelpunkt im Tierkreis agiert. Ausserhalb der Mitte, also am Horizont oder Firmament des Selbstes, erscheinen die unterschiedlichsten momentanen Muster, also die Konstellationen, in Form von Zeichen, Häusern, Planeten und Aspekten. Das Selbst kann den Mittelpunkt gar nie verlassen, da es sonst aus sich heraustreten müsste in einen Bereich, in dem es eben nicht selbst ist. Dies ist eine prinzipielle Unmöglichkeit. Ein Selbst, das nicht es selbst ist, kann nicht gedacht werden, wir haben für einen solchen Event gar keine Sprache.
Die zweite Begründung lautet, dass der Horoskopeigner in Wahrheit gar nie den Wunsch verspürt, das Horoskop zu transzendieren. (Was auch wiederum nicht ganz stimmt, aber das lassen wir erstmal beiseite.) Ein Beispiel. Ich (als das Selbst) beobachte meine Persönlichkeit und erkenne, dass ich kein richtiges Interesse habe, beispielsweise an Eishockey-Matches zu gehen. Das Interesse dafür ist in meiner Persönlichkeit offenbar einfach nicht angelegt. Natürlich kann ich mich mit Eishockey beschäftigen, könnte es sogar sehr weit in dieser Hinsicht bringen, aber ich verspüre einfach keinen Wunsch, das zu tun. Lieber beschäftige ich mich beispielsweise mit Meditation. Oder Astrologie. Oder mit anderen Dingen, für welche ich eine Leidenschaft aufbringe.
Das heisst, ich habe gar keine Motivation, mein Horoskop zu transzendieren. Viel eher habe ich den Wunsch, die darin angelegten Potentiale zur Blüte zu bringen. Es fühlt sich für mich einfach natürlich an, das zu tun, während die Beschäftigung mit Eishockey nur unter äusserem Druck stattfinden würde. [Die Tatsache, dass jemand beispielsweise krank werden kann, und sich dann notwendigerweise mit etwas auseinandersetzt, für welches er sonst keine Leidenschaft hat, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern bestätigt im Gegenteil mein Argument.]
Die "Transzendenz", wenn man das dann überhaupt noch so nennen kann, besteht also hauptsächlich darin, das eigene Horoskop zunehmend bewusster zu erleben, alle diversen Facetten für sich zu entdecken, und einen spielerischen Umgang damit zu erlernen.
Somit bedeutet Transzendenz nicht "Heraustreten", sondern eher "Entfaltung".
So weit, so gut. Nun gibt es aber erfahrungsgemäss einen Punkt in der Entwicklung des Menschen (welcher heute übrigens nur eine Minderheit der Mitmenschen zu erreichen scheint), wo die Person beginnt alles an sich infrage zu stellen. Nicht eine bestimmte Charaktereigenschaft, sondern prinzipiell die gesamte Persönlichkeit, gar das Ich als solches. Was passiert in diesem Moment, ist letztlich die Verschiebung der Identifikation vom Ich bzw. von der Persönlichkeit zum Selbst. Also von der Peripherie des Horoskops hin zur Mitte. Das ist eine gewaltige Veränderung im Leben eines Menschen, und die wenigen Glücklichen, welche in der Vergangenheit in der Lage waren, diese Veränderung durchzuführen, taten das meist erst in der zweiten Lebenshälfte.
Es geht hier also um eine weitere Art von Transzendenz, nämlich das Verschieben des Schwerpunktes der Identifikation von den astrologischen Konstellationen am Aussenrand (also Zeichen, Planeten, Häuser, Aspeket) hin in die Mitte des Horoskops. Die Person tritt dabei nicht aus sich selbst heraus, denn die Persönlichkeit bleibt bestehen. Aber der Schwerpunkt ändert sich. Faszinierenderweise ermöglicht ausgerechnet diese Bewegung hin zur Mitte es der Person, langfristig noch viel mehr als bisher alle ihre Facetten der Persönlichkeit zu entfalten, weil nämlich jetzt viel weniger innerer Widerstand da ist, gegen gewisse (besonders schwierige) astrologische Gegebenheiten.