Die perfekte Opferrolle...

Salaya Ayjanda Rii

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....ja, die habe ich sehr lange perfekt gespielt. Ich muss sagen, es war super, wenn jemand anderer an meinen "Umständen" schuld war...perfekt sogar, ich konnte doch gewissermaßen die Verantwortung für mich an jemanden anderen abgeben. Was hat es mir damals gebracht?:zauberer1

Na ja....da waren die lieben "Freundinnnen", die sogenannten Dorftratsch-Frauen, die über andere mindestens genauso Bescheid wussten, wie über meine Westentasche, die sich den Mund zerrissen haben und die mich natürlich, ob meiner Lebensumstände, immer anstandslos bemitleidet haben.
Hach....wie hat mir das gefallen, hach....das war sooooooooooooooooo schön. Und auch das "Bemitleidetwerden", herrlich.

Zudem wurde ich auf ein unsichtbares "Stockerl" gestellt: Diese Frau, bewunderswert, einen herrschsüchtigen, cholerischen Mann, zwei entzückende Kinder, die sie gaaaaaaaaaaaaanz alleine aufzieht, weil ja der Mann seinen Weg geht, seine Karriere macht....... Tja, das war auch ganz nett, ich hätte mich ja um das "Stockerl" gebracht, wenn ich etwas geändert hätte..:weihna1

Und dann das Wichtigste: Hey...wenn ich eine Pause brauchte, von der Opferrolle, na dann wurde ich krank, auf Kommando. Eine arme, kranke Frau darf sich ausrasten, da wird sogar ein herrschsüchtiger Mann butterweich und kann sich sogar selbst einmal ein Essen kochen und die Kinder bei der Mutter unterbringen. Aber nur bei Krankheit, bei Gesundheit: Na wirklich net!!!

Manchmal war ich mit den Lebensumständen nicht so glücklich, irgendwo, unter der dicken Schicht, mit der ich meine Seele zugeschüttet hatte, kam ein dünnes, leises Stimmchen, das mir zuhauchte: Ingrid, bitte ändere etwas, bitte, du bist frei, du bist frei, du bist frei!
Ich gab lieber noch eine Schicht "Ich kann ja doch nichts ändern! Ich bin abhängig, finanziell! Du schaffst das nicht, Ingrid!" drüber und gut war`s für mich.

Ich danke Gott für die Fügung im Jahr 2002, für die zahlreichen Unfälle und Krankheiten im Jahr davor, die mich wachgerüttelt haben und für die Menschen, die in diesem Jahr in mein Leben getreten sind. Stück für Stück habe ich diese "Betonmauer" entfernt und mein Seelchen freigelegt.

Heute bin genau nur ich für meine Lebensumstände zuständig, wenn`s mit dem Partner Problemchen gibt, dann frage ich mich "Warum" und sage nicht: Er ist schuld, dass es mir dreckig geht. Es war schon ein ungewöhnlicher Schritt in meine Freiheit, ich wusste ja nicht, was mich erwartet. Hätte ich erahnen können, wie schön Freiheit ist, hätte ich diesen ersten Schritt schon vor 20 Jahren gemacht. Aber: Es hätten mir dann zwei wichtige Menschen in meinem Leben gefehlt: Mein Sohn und meine Tochter. Von daher trauere ich meinen 20 Jahren nicht nach, sondern bin glücklich, dass ich jene vergangenen Erfahrungen machen durfte, weil ich jetzt genau weiß, was ich nicht mehr möchte.

Falls ihr eine Opferrolle gelebt habt, wie habt ihr da rausgefunden? Vielleicht gibt es Gemeinsamkeiten, die anderen weiterhelfen können???:liebe1:

Viele liebe Grüße
Salaya Ayjanda Rii
Ingrid
 
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Guten Morgen Salaya :),

wann spielt man eine Opferrolle und wann ist man wirklich ein Opfer irgendwelcher Umstände....?
Man kann sich den Umständen beugen oder eben Selbst-verantwortlich handeln und damit frei sein.

Das Thema beschäftigt mich schon länger....
Sah ich mich doch als Opfer meiner Erziehung....das anerzogene Konstrukt welches verhinderte ich selbst zu sein....
Mit Konstrukt meine ich vor allem gesellschaftliche "Normen" denen man gefälligst zu entsprechen hat....Manches bringt ein Gemeinschaftssystem eben mit sich dessen man sich beugen muss weil man ja auch partizipiert z.b. KFZ-Steuern bezahlen die wiederum genutzt werden um Strassen zu bauen die ich dann ebenso nutzen kann.
Wie frei kann man sein eingebunden in einem System? Wie weit lasse ich mich integrieren in einem System?
Einem Opfer widerfährt "ungerechtes" deswegen ist es erst überhaupt eines...

Doch bitte wer stellt denn fest wann etwas gerecht und wann nicht ist?
Moralisch z.b. was für den einen moralisch verwerflich ist, findet der andere wieder für sich okay...

Nehmen wir mal als Beispiel das Thema Beziehung... Die liebende Hausfrau und Mutter der liebende sorgende Vater....Friede Freude Eierkuchen ...Famileintraum ...wird einem doch als Kind schon suggeriert oder? Und die krasse Warheit ist ganz anders . Jeder ist ein Individualist und bekommt das als Kind schon aberzogen ...gestutzt werden den Küken doch die Flügel damit sie niemals wirklich hoch fliegen....woher kommen denn die vielen ünglücklichen "Opfer"?

Hast du nicht auch Widerstand erlebt als Du versucht hast Du selbst zu sein?
Wer ist übriggeblieben in Deinem Leben als du entschieden hast Dich Selbst zu leben?

Liebe Grüße Ullili
 
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für mich ist Opferrolle und Opfer irgendwelcher Umstände ein und dasselbe. Es war mir ja damals gar nicht bewusst, dass ich in einer Opferrolle steckte, ich hätte es seelisch wahrscheinlich gar nicht ausgehalten.
Deshalb habe ich die Schuld für meine Umstände auf andere verteilt: Mein Mann nimmt mir die Luft zum Leben, meine Kinder sind süß, aber anstrengend, ich kann nicht arbeiten gehen, weil sich mein Mann von mir bedienen lassen will und sich nicht um die Kindern kümmert, .....

Und dies alles habe ich auf meine Umwelt "ausgestrahlt" und immer wieder Erfahrungen gemacht, die ich natürlich schon erwartet hatte.
Als Jugendliche habe ich mir vorgenommen: Wenn ich einmal heiraten sollte, dann dauert diese Ehe bis an mein Lebensende.
Alle weiblichen Wesen in meiner Familie hatten eine Scheidung, aus Trotz dachte ich mir dies und nahm mir das auch vor.:confused:

Ich habe eine Menge verloren auf einem Weg zu mir selbst, aber unendlich viel dazubekommen.
Verloren gegangen sind meine "Dorfklatsch-Freundinnen", mein Ehemann, dessen Familie, mein "Sudern" über die Ungerechtigkeiten, die mir widerfahren sind, ......:escape:

Dazugewonnen habe ich: Einen neuen Partner, dessen zwei Mädels, eine komplett neue Lebenseinstellung und die Wertschätzung meines Lebens und das der anderen.:liebe1:

Ich weiß heute, dass mein Umfeld als Kind, Jugendliche, Erwachsene meine Rahmenbedingungen waren, innerhalb dessen ich agierte. Ich hätte jederzeit die freie Entscheidungsmöglichkeit gehabt, mein Leben zu ändern.
Durch die Prägung meiner Herkunftsfamilie, durch die Schule, durch die Arbeit, ...hat es etwas gedauert. Unter "frei" sein verstehe ich, meiner Seele Ausdruck zu verleihen.:banane:

Viele liebe Grüße
Salaya Ayjanda Rii
Ingrid
 
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