Liebe Mandy, mit Verlaub, das kann dir die Meditation leider nicht geben. Meditation kann dir nicht sagen, wer du bist, was du tun sollst. Am allerwenigsten kann Meditation dir helfen, dich selbst wertzuschätzen.Original geschrieben von Mandy
Aber ich will es schaffen, ich will nun endlich zu mir finden - und nicht immer so trallala und hoppsassa tun, als wär eh alles in Ordnung und als wär ich eh der glücklichste Mensch auf Gottes Erden. Ich möchte mich selbst schätzen lernen und nicht die Meinung z.B. meiner Familie weiterleben, dass ich unnötig und eigentlich ein Volltrottel bin. Ich möchte lernen, mich anzuerkennen und wertvoll zu finden, auch wenn es mir niemand beigebracht hat.
ABER: Meditation kann dir allerdings dennoch eine grosse Stütze auf dem Weg sein. Denn...
Erstens ist es einfach so, dass wenn ich regelmässig meditiere, ich mich körperlich besser fühle und schlafe. Wenn ich überdies noch ein bis zweimal die Woche Sport treibe, dann ist meine körperliche Basis schon mal ganz i.O., also quasi das Fundament, auf dem meine Psyche, mein Geist, meine Gefühle ruhen. Das ist schonmal wichtig.
Zweitens glaube ich - habe aber dafür keine Beweise - dass Meditation eine Art ganz sanften Zwang auf den Menschen ausübt. Dadurch, dass wir uns hinsetzen/-legen und mal ganz ruhig zu werden versuchen, lernen wir allmählich erst mal wahrzunehmen, wenn in uns drin irgendwas los ist, sei das nun positiv oder negativ. So einfach das klingt ist es trotzdem so, dass anscheinend die allermeisten Menschen im Leben herumlaufen ohne auch nur bewusst wahrzunehmen, wenn sie wütend/nervös/ängstlich/fröhlich/lustig/... sind. Da kann ich aus eigener Erfahrung reden.
Und das ist ein wichtiger Schritt. Indem wir lernen, uns bewusster wahrzunehmen - und "leider" gehören dazu eben auch eine ganz schön grosse Menge an negativen Seiten, die wir nicht so sehr an uns mögen - bauen wir innerlich sozusagen erstmal eine "Datenbank" an Empfindungen auf, was uns hilft, Ordnung in unser Innenleben zu bringen. Du wirst sehen: Je länger du meditierst, desto öfter passiert es dir, dass wenn du dich ärgerst, dass du plötzlich mittendrin merkst: "Hey, ich bin ja jetzt total verärgert!" oder "Hey, jetzt habe ich ja tatsächlich eine Heidenangst vor dem Zahnarzt!"
Aber nicht falsch verstehen, wenn du diese Gefühle derart mal wahrnimmst, dann ist das noch lange nicht so, dass du damit gleich auch von ihnen "geheilt" wärst. Nönö, so einfach ist das leider nicht. Ich habe nach 3 Jahren Meditation immer noch Herzflattern, wenn ich mit einer sympathischen Dame ausgehe oder Angst, wenn ich zum Zahnarzt bohren gehen muss. Und ich glaube, das wird wohl auch noch so sein, wenn ich 80 Jahre alt bin.
(Wenn du noch länger meditierst, wirst du mit der Zeit realisieren, dass obwohl du diese Gefühle hast und sie immer wieder kommen, und du dagegen nichts unernehmen kannst, ob sie kommen, dass du dich mit der Zeit nicht mehr so stark von ihnen beirren lässt. "Dann hab ich halt Angst." "Dann hab ich halt Herzflattern." "Dann bin ich halt wütend, sei's drum." Du hast zwar die Gefühle noch, aber du nimmst sie nicht mehr so wichtig wie früher - sowohl die "positiven" als auch die "negativen". V.a. lernst du, sie nicht mehr zu bekämpfen. Wozu soll ich gegen etwas kämpfen, was in mir drin ist, was ein Teil von MIR ist? Egal wie viel ich auch siege über mich, bei jedem dieser Siege verliert auch ein Teil von mir, denn ich bekämpfe ja MICH SELBST! Also: Wozu diese unnötige, kräfteraubende, verzehrende Anstrengung? Aber wie gesagt, das ist ein Lernprozess der sehr viel Zeit braucht. Glücklicherweise haben wir ja eine ganze Unmenge davon! Ein ganzes Leben voll Zeit, wenn das nicht ausreicht, um ein paar kleine Dinge zu lernen...)
Darum auch meine Frage vom letzten Mal, ich kenne eigentlich keine "echten" und "unechten" Gefühle, sondern einfach nur Gefühle.
Weisst du, wenn dir jemand sagt: "Eigentlich bist du ein Versager. Was hast du in deinem Leben bisher geleistet?", dann darfst du nicht einfach erwarten, dass du sowas mir nichts dir nichts wegstecken kannst. Ich könnte es auf jedenfall wahrscheinlich nicht, v.a. wenn die Person mir persönlich nahesteht.
Schauen wir uns grade diesen Fall mal genauer an - machen wir eine kurze Meditation. Was passiert, nachdem die Person uns das gesagt hat?
Als erstes erscheint wahrscheinlich in uns irgendein eher "negatives" Gefühl - ich schreibe negativ in Anführungszeichen, weil es i.G.g. keine positiven und negativen Gefühle gibt, sondern bloss Gefühle, das ist aber vorerst mal Wurscht, weil wir das Gefühl ja als negativ EMPFINDEN, und das ist ganz real! Ein derartiges Gefühl könnte z.B. Frustration sein oder Wut auf die andere Person.
Was ist also exakt passiert? Eine andere Person hat eine Aussage gemacht, und diese Aussage hat irgendwie bewirkt, dass wir uns danach schlechter fühlen. Es ist sehr wichtig, dass wir den Zusammenhang hier verstehen, er ist wirklich sehr einfach. Person X sagt was Negatives zu mir, in mir kommt als folge davon irgendein negatives Gefühl hoch.
Anscheinend hat Person X Macht über meine Gefühle, denn sie kann mit ihrer Aussage bewirken, dass in mir drin ein negatives Gefühl ausgelöst wird!
(Wenn das so ist, dann könnte es wahrscheinlich auch umgekehrt funktionieren: Ich kann mit meiner Aussage bei Person X ein negatives Gefühl auslösen. Es sollte sich aber jeder selbst überlegen, ob das in jedem Falle angemessen ist oder nicht).
Aber das ist noch nicht alles. In mir ist also jetzt so ein negatives Gefühl drin. Was ist die typische Folgereaktion? Ich wünsche mir sehnlichst, das Gefühl möge verschwinden! Ich mag dieses negative Gefühl nicht und als Folge dessen erscheint in mir drin der Wunsch, das Gefühl möge weggehen (auch wenn der Wunsch meist ziemlich tief in einem verborgen ist, ist er dennoch eigentlich ganz einfach wahrzunhemen, wenn mal ein solches Gefühl aufgetauch ist).
Die Person hat also nicht bloss in mir ein Gefühl ausgelöst, sondern das Gefühl tritt gleichzeitig auch mit der Empfindung auf, das Gefühl sei negativ und darum möge es doch weggehen.
Das ist doch eigentlich ganz erstaunlich, wenn man das mal so richtig systematisch betrachtet!
Und nun? Leider glauben viele Menschen, an dieser Stelle das Gefühl bekämpfen zu müssen. Sie denken "Das ist jetzt ein negatives Gefühl, das will ich nicht haben" und dann versuchen sie es zu unterdrücken, wegzuschieben, zu ertränken. Hier beginnt aber die eigentliche Tragödie. Während die vorhergehenden Punkte durchaus eine natürliche Reaktion im Menschen darstellen, ist der jetzt beginnende Unterdrückungsversuch eigentlich höchst überflüssig (und er gelingt sowieso in den seltensten Fällen).
So lange wurde uns eingeredet, ja haben wir uns selbst eingeredet!, dass wir nicht frustriert oder wütend sein dürfen, dass wenn wirs trotzdem sind (und das wird bis ans Lebensende immer wieder passieren), wir nichts anderes wissen als statt dazu zu stehen, dass wir nun frustriert oder wütend sind, dass wir versuche, das Gefühl auszulöschen. Warum sollen wir nicht frustriert sein, wenn wir uns doch so fühlen? Warum sollen wir nicht wütend sein, wenn wir uns doch so fühlen? Warum sollen wir ein negatives Gefühl haben und uns obendrein noch dafür vor uns selbst schämen, dass wir dieses negative Gefühl haben? Das wären dann ja bereits 2 negative Gefühle! Konsequenterweise müsste ich mich dann auch für das Schamgefühl schämen, und das wären dann wiederum 3 negative Gefühle usw. bis ins Unendliche! So kann das irgendwie nicht gehen.
Also: Das negative Gefühl ist ein Teil von uns selbst! Wie könnten wir jemals einen Teil unserer selbst auslöschen, ohne uns selbst zu schaden? Selbst wenn wir das negative Gefühl auslöschen könnten, dann würden wir einen Teil von uns selbst amputieren! Wer seine Gefühle auf diese Weise unterdrückt, macht sich selbst zum Krüppel!
Das Einsehen, wie der Mechanismus funktioniert (Aussage von X, negatives Gefühl in uns selbst, selbstzerstörerischer Verdrängungsversuch) ist mal ein erster Schritt zu einem tieferen Verständnis über unser wahres Selbst.