...ich habe im Traum nicht dran gedacht, mal alt zu werden.
Ich hatte die ewige Jugend gepachtet.
Bis ich 30 wurde, da beschlich mich so eine gewisse Ahnung.
Meinen 40sten verbrachte ich schon mit leichter Panik im Nacken.
Doch an meinem 50sten hatte ich das Gefühl, dass ich mich endlich von diesem Umgotteswillennichtälterwerden befreien kann.
Ich habe mich auf meine Zeit gefreut, wo ich nicht mehr im Zwang des Geld-verdienens eingeengt werde.
Ich hatte vor, endlich zu studieren, nur für mich, um meinen Horizont zu erweitern. Ich wollte endlich reisen. Die Orte kennenlernen, die mich faszinieren. Ich wollte die Bücher lesen, die mich jetzt noch überfordern.
Kurz: ich wollte endlich anfangen zu leben.
Aber, so wie es jetzt aussieht, werde ich froh sein müssen, wenn ich überhaupt noch einigermaßen überleben darf.
Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, meine Kinder allein aufgezogen, kümmere mich jetzt noch um deren Kinder, arbeite im Schichtdienst, habe seit 10 Jahren keinen Urlaub mehr machen können, zahle meine Steuern Klasse I, meine Sozialabgaben, rauche, tanke, was alles dem Staat zugute kommt.
Und dann höre ich mir diese Diskussion an, in der mir Grünschnäbel mit dem Finger drohen :werd bloß nicht alt und falle der Gemeinschaft zur Last.
Im ersten Moment überkommt mich dann der heilige Zorn.
Im zweiten Moment dann das hämische Grinsen, die werden auch schneller alt, als ihnen lieb ist
Tatsache ist, Menschen, die nicht mehr gebraucht werden, altern schneller.
Früher haben die Alten die Kinder gehütet, das Essen gekocht, die Hühner gefüttert, kleine Reparaturen erledigt usw. Sie waren integriert, hatten ihren Aufgabenbereich, wurden gebraucht. Ihr Sterben war das Ende eines arbeitsreichen, aber erfüllten Lebens. Sie hinterließen leere Plätze, wurden vermisst.
Heute wird Mutter ins Heim gesteckt, weil in der 3-Zi.Wohnung kein Platz für sie ist. Sie regelmäßig nach Hause holen, sie besuchen, ihre Hilfe annehmen, wer hat dazu schon Zeit und die Geduld?
Unsere Gesellschaft ist krank, hat Krebs. Die Metastasen haben sich schon verstreut, da hilft keine Medizin mehr. Jeder, der diese Diskussion führt, wird vom Krebs aufgefressen.
Dabei wird vergessen, Alter ist keine Krankheit, sondern ein Privileg.
Die Alten haben uns soviel zu sagen, zu lehren. Aber wer nicht zuhören will, muss eben fühlen.
Gruß Dawn