Die Exegese der Seele

oder: Der Schlüssel Gott zu erreichen

6. Schrift aus Codex II des koptischen Handschriftenfundes (NAG HAMMADI SCHRIFTEN)

Vorwort

Gott kann nicht anders als hinzusehen, wenn jemand sich nach Ihm sehnt. Es liegt in Seiner Natur, dort mit größter Aufmerksamkeit zu weilen, wo ein Herz nach Ihm verlangt und sich nach Heimkehr und Liebe sehnt. Hast du dieses Gefühl einmal verspürt, so kannst du dir dessen gewiss sein, dass Er sich tausendmal mehr nach der Vereinigung mit dir sehnt und dein Sehnen ein Resultat seiner Liebe für dich ist. So schrieb auch Johannes vom Kreuz: „Vor allem muss man wissen: Wenn der Mensch Gott sucht – viel mehr noch sucht Gott den Menschen.“ (Lebendige Flamme der Liebe 3,28).

Die Exegese der Seele ist der tiefe Ausdruck dieser Gottsuche und liefert wichtige Hinweise, Gott tatsächlich erreichen zu können. Der Mensch hat sich in den Illusionen weltlicher Freuden verloren und sein wahres, göttliches Zuhause vergessen. Unter dem Druck schmerzvoller physischer Erfahrungen, und im offensichtlichen Ansteigen seelischen Bewusstseins erfährt der Mensch zunehmend die Problematik seiner materiellen Abhängigkeiten (Begierden und Wünsche). Aus eigener Kraft ist der Mensch jedoch nicht in der Lage, sich aus dem Sumpf der Illusionen zu befreien.

Gott ist sich des „Falls der Seelen“ und der Schwierigkeiten des Lebens, die wir alle durchschreiten, völlig bewusst. Er kennt die „Schwächen des Fleisches“ und weiß wie sehr wir von den Verlockungen der 5 Sinne, insbesondere dem Sehsinn, vereinnahmt werden. Aber sobald der Mensch sich dem Göttlichen zuwendet und ein Verlangen nach Seiner wahren Liebe und nach Heimkehr entwickelt, kommt Gott der Seele tausende Schritte entgegen, damit die Seele zu Ihm zurückkehren kann.

Hinweis: Die nachfolgenden Überschriften wurden willkürlich eingefügt und sollen zu einem besseren Überblick und Verständnis des Textes beitragen. Meine Übersetzung neigt außerdem dazu, eine sinnstiftendere Übersetzung einer genauen, wortwörtlichen vorzuziehen.

Und P.S.: Das Wissen der Urchristen ist in hohem Maße beeindruckend :-) Der richtige Lehrer wird einem aber wieder einen Zugang zu diesem Wissen verschaffen ... insbesondere in der praktischen Umsetzung ... also das worauf es wirklich ankommt. Viele Institutionen sind heute zu reinen Stätten der Wissens-Reproduktion verkommen, aber der wahre Wissenschafter untersucht die Theorie immer selbst am eigenen Körper und mit der eigenen Seele.

Kommentare

Aber um auf das Gebet zurück zu kommen. Es bedarf einer Art des Sehnens nach Gott ... einem Verlangen nach seiner Liebe ... nach Heimkehr. Dieses Verlangen muss aus dem freien Willen des Menschen kommen und über einen bloßen Gedanken hinaus gehen. Es bedarf wahrscheinlich einer gewissen Tiefe. Wenn ich etwas mit dem Kopf denke, aber nichts dergleichen fühle, dann ist es nur eine Halbwahrheit und hat wenig Kraft. Ich brauche dazu die Kraft des Herzens, um das Verlangen aufzuladen.

Schritt1: Du solltest dich zuerst fragen, ob du das wirklich willst ... heimkehren? Schließlich gibt es in der Welt viele andere Möglichkeiten, die du ausprobieren kannst =) Sobald du nämlich das Verlangen absendest, dann wird das Reaktion zeigen und dein Leben verändern.

Schritt2: Wenn es für dich ganz klar ist, diese Bitte/das Verlangen nach Gott abzusenden, dann geh in die Tiefe deines Herzens und fülle es mit einer liebevollen Sehnsucht nach Ihm. So weit hat sich deine Seele von ihrem göttlichen Zuhause entfernt und Dein Vater ist von unermesslicher Sehnsucht erfüllt, dich wieder in seine Arme schließen zu können. Fühle seine Sehnsucht und spür in die Mitte deines Herzens, wie es sich regt und erhebt, dem Ruf des Göttlichen zu folgen und unmittelbar heim zu kehren. Halte dieses Gefühl und spüre die Liebe und Trauer ... und versetze dich in die unermessliche Freude, wenn deine Seele den wahren Eltern entgegentritt und Sie über alle Maßen hinaus bei deiner Ankunft in Glückseligkeit versunken sind.
 
Zitate, die das Bekenntnis Gottes zur Errettung des Menschen ausdrücken

Wiederum sprach der Erlöser (Mt 5,4; Lk 6,12): „Gesegnet sind die Trauernden, denn sie werden Erbarmen finden. Gesegnet sind die Hungernden, denn sie werden satt werden.“
Trauer und Hunger ... können von einem sehr tiefen Verlangen begleitet werden. Gott kann nicht anders als uns in diesem Falle Seine besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Im Zen Buddhismus kennt man die Weisheit, dass ein Becher zuerst leer sein muss, bevor man etwas hineingießen kann. Genauso müssen wir gewissermaßen leer gegenüber den dominierenden weltlichen Wünschen werden und uns nach Gott sehnen, damit er sich in uns hineingießen kann.
 
Wiederum sagte er (Lk, 14,26): „Wenn jemand zu mir kommt und sein Leben nicht als gering erachtet, der kann nicht mein Jünger sein.“
Anmerkung: Ein sehr anspruchsvolles Zitat. Was bedeutet „sein Leben als gering erachten“? Dies ist eine besondere Qualität, die die Heiligen ‚Demut’ nennen. Wir meinen ständig, dass WIR die Handelnden sind und damit UNS die gesamte Anerkennung und Ehre gebührt. Aber je weiter wir in die Wahrheit vordringen, desto stärker müssen wir unseren Irrtum erkennen. Wir werden beschämt sein über unsere einstigen Überzeugungen. Wir erkennen, dass es noch etwas anderes geben muss, weit über das Materiell-Weltliche hinaus. Später wird uns bewusst, wie sehr wir doch auf die Hilfe des Einen angewiesen sind und beständig durch Seine Gnade geführt werden. Würden wir das im Jetzt erkennen, empfänden wir eine viel größere Notwendigkeit zu Demut und Dankbarkeit. Sie sind notwendige "Errungenschaften" auf dem Weg der Erkenntnis und Schülerschaft
 
Denn am Beginn der Errettung steht das Erkennen und Bedauern. Deswegen lautet es in Ag (13,24): „Vor dem Erscheinen Christus kam Johannes, der die Taufe der Umkehr verkündigte.“ Diese vollzieht sich in Trauer und Reue des Herzens. Aber der Vater ist gut und liebt die Menschheit. Er hört die Seele die ihn anruft und sendet ihr das rettende Licht. Deswegen sprach er im Geiste zum Propheten (Cl 8,3): Sag den Kindern meines Volkes: „Wenn eure Sünden sich auch von der Erde bis zum Himmel erstrecken, wenn sie auch rot wie Scharlach werden und schwärzer als Sackleinen und ihr euch zu mir wendet, aus ganzer Seele und zu mir sagt „Mein Vater!“, so werde ich euch als heiliges Volk erachten.“

Und an anderer Stelle heißt es (Is 30,15), „So spricht der Herr, der Heilige Israels: „Wenn du umkehrst und seufzt, wirst du gerettet werden und erkennen, wo du dich befandst, als du dem vertraut hast, was nichtig und nutzlos ist.“

Wiederum sprach er an anderer Stelle (Is 30,19-20): „Jerusalem hat bitterlich geweint: „Hab Erbarmen mit mir.“ Und als er dich weinen sah, erhörte er dich. Und der Herr wird dir Brot in Bedrängnis und Wasser in Not geben. Von nun an werden sich die Betrüger dir nicht mehr nähern. Deine Augen werden jene erkennen, die dich in die Irre führen.“
Das göttliche, innere Licht spielt eine ganz entscheidende Rolle auf dem Weg zurück zu Gott. Man möchte meinen es stünde symbolisch für etwas, aber die Mystiker wissen es besser.

Der orange Teil spricht wohl für sich, oder? :-) Der schlimmste Sünder kann sich Gott zuwenden! Wer auch immer dieses Verlangen nach Gott absendet, der hat die volle Unterstützung des Göttlichen.
 
Wo unser Herz liegt, dort liegt auch unsere Zukunft

Deswegen ist es nur angemessen, Tag und Nacht zu Gott zu beten und ihm unsere Hände entgegenzustrecken, wie das die Leute tun, die die Mitte der Meere besegeln: Sie beten aus ganzem Herzen zu Gott, ganz ohne Scheinheiligkeit. Denn jene die nur scheinheilig beten, betrügen sich selbst. So prüft Gott uns auf Herz und Nieren im Innersten, um zu erkennen, wer der Befreiung würdig ist. Denn niemand ist der Befreiung würdig, dessen Herz noch immer an der Welt der Illusionen hängt.
Es ist so, wie es in der Überschrift steht: Wo unser Herz liegt, dort liegt unsere Zukunft. Es ist natürlich alles sehr schwierig ... wir müssen das Niedere zugunsten des Höheren aufgeben ... alles braucht aber auch seine Zeit. Alles andere wäre ebenso scheinheilig. Es ist auch GANZ wichtig, in der eigenen Wahrhaftigkeit zu bleiben und nichts zu tun, wozu man nicht bereit ist. Andererseits, mag es gut sein ein wenig über den eigenen Schatten zu springen :) Die Seele weiß es eigentlich selber am besten, was gut für sie ist ... es hilft uns weiter, wenn wir wieder mehr auf das Herz (= die Seele) zu hören beginnen ... nicht nur auf den Verstand. Kal ist ein Wunderknabe der Täuschung, aber der Kraft des Herzens hat er nichts entgegenzusetzen. Und wenn in der Seele ein echtes Verlangen nach Gott aufkommt, dann kann er nicht anders als zuzusehen, wie der Gottmensch die Stricke der Welt durchschneidet und die Seele wohlbehütet aus seinem (Kals) Reich geleitet, aufdass sie für immer in die göttliche Wohnstatt heimkehre (was wir uns in unserer Begrenztheit gar nicht vorstellen können, wie das wäre ... vielleicht mag der oder die Eine aber das Gefühl der Liebe erahnen, welches uns dort umfängt).
 
Ein starkes Verlangen ist die größte Antriebskraft

Deswegen steht beim Dichter geschrieben (Homer, Odyssee 1, 48–59), „Odysseus saß weinend und bekümmert auf der Insel. Er wandte sein Angesicht von den Worten und Versuchungen Calypsos ab, denn er sehnte sich danach sein Heimatdorf wiederzusehen oder [zumindest] Rauch davon aufsteigen zu sehen. Und hätte er nicht die Hilfe des Himmels erhalten, wäre er nicht in der Lage gewesen in sein Dorf zurückzukehren.“
.....
 
Reue und Umkehr als Wendepunkt zur Erlösung

Wiederum sagte Helena […] (Odyssee 4, 260-261), „Mein Herz hat sich von mir selbst abgewandt. In mein Zuhause möchte ich zurückkehren.“ Denn sie seufzte und sagte (Odyssee 4, 261-264), „Aphrodite hat mich betrogen, und mich aus meiner Heimstadt herausgelockt. Meine einzige Tochter habe ich zurückgelassen, und meinen guten, weisen, schönen Ehemann.“ Denn wenn die Seele ihren perfekten Ehemann durch die Hinterlist Aphrodites verlässt, die im weltlichen Erschaffen liegt, dann wird die Seele Leid erfahren. Wenn sie aber schluchzt und bereut, wird sie in ihr Heim zurückgeführt werden.

Bestimmt hätte auch Israel nicht die Aufmerksamkeit Gottes auf sich gelenkt, und wäre nicht aus Ägypten geführt worden, aus dem Land der Knechtschaft, hätte es nicht zu Gott geschluchzt und der Ausnutzung als Arbeitssklaven wegen geweint.
Wiederum steht in den Psalmen geschrieben (Ps 6,6-9), „Ich bin sehr müde geworden durch meinen Kummer. Jede Nacht benetzen Ströme von Tränen mein Bett, ich übersähe mein Lager mit Tränen. Ich bin gealtert unter all meinen Gegnern. Weicht zurück von mir, alle die ihr Unrecht tut, denn siehe, der Herr hat mein lautes Weinen gehört und der Herr hat mein Gebet erhört.“

Wenn wir wahrhaftig bereuen wird Gott uns erhören, Er der langmütig und voller Barmherzigkeit ist; Er dem aller Ruhm für immer und ewig gebührt. Amen!
Das war also das anspruchsvolle Kapitel: Exegese der Seele, aus den Nag Hammadi Schriften.
 

Blogeintragsinformationen

Autor
TopperHarley
Lesezeit
2 Min. Lesezeit
Aufrufe
823
Kommentare
28
Letztes Update

Weitere Einträge in Esoterik-Blogs

Weitere Einträge von TopperHarley

  • Platon: Timaios & Atlantis
    Da haben wir die Gleichberechtigung 400 v. Chr. ... das ist schon gewaltig, selbst heute ist es...
  • Die Demiurg im Christentum
    Es ist schon erstaunlich, im Christentum steckt die ganze Wahrheit ... wenn man denn jemanden...
  • Chattr chakkr vartee
    Original-Text (Gurmukhi): "Chattra Chakkra Vartee, Chattra Chakkra Bhugatay, Suyambhav Subhang...
  • Blog
    Pauhe ... das Blog ist sooooooo gut. Wer hat es geschrieben? Kann mich nicht mehr erinnern! So...
  • Ostern und Christentum
    Während Weihnachten, das Fest der Liebe, von Vollkommenheit und Klarheit durchdrungen ist, so...
Zurück
Oben