Du meinst also, dass sich alle Amelien auflösen ließen, wenn man nur genau schaut?
Ich meine, dass ein Mensch die Bibel in dem Maße erkennt und versteht, wie er sich selbst erkennt und versteht.
Wo er erlebt, dass er mehr ist als physische Erscheinung, dass er eine "Innenseite"hat, kann er auch das Innere der Bibel erleben. Und so, wie es immer schwieriger wird, etwas in Worte zu fassen, etwas über den reinen Intellekt zu erfassen, was im tiefsten Innern geschieht, so ist es auch mit der Bibel. Es sind andere Ebenen, die da verstehen und erleben.
Diese anderen Ebenen sind die Innenseite der Innenseite der Innenseite usw.
Die Sprache der Bibel enthält alle Seiten. Bleibt man beim Wörtlichen, so ist auch das wahr, aber ohne die Innenseite dessen fehlt etwas, da ist ein Fehler. Deshalb verstehen wir es dann oft nicht.
Um diese innere Seite zu erfassen, kann man das Wort sich öffnen lassen. Das kann man auf die eine Weise intuitiv tun (man weiß z.B., Ägypten ist in der Bibel das Land, in dem die Israeliten gefangen sind, wo sie als Sklaven leben und unglücklich sind). Es stellt sich ein Verstehen ein, dass damit etwas gemeint ist, was den Menschen leiden lässt.
Sieht man sich das Wort im Hebräischen mal an, "Mizrajim" so findet man den Wortstamm "Zar" - Form oder "Zur" - Felsen. Die Endung ajim bedeutet eine Doppeltheit (wie es z.B. bei Augen ist). Dieses Wort bedeutet das Leiden in der Form, in der dualen Welt. Der Auszug aus Ägypten ist dann die Befreiung aus der Gefangenschaft der Dualität von Leben und Tod. Das Öffnen der Erfahrung, dass es keinen Tod gibt, sondern Leben ewig ist. Diese Erfahrung ist das gelobte Land.
Nun ist auch das noch recht intellektuell. So kann man nun weitergehen und sich selbst fragen, wie das eigene Ägypten aussieht. Ist man gefangen, weil man nur diese Welt kennt, gefesselt an die Form, die mit dem Tod verschwindet? Bin ich schon losgezogen und wandere durch die Wüste im Gespräch mit Gott? Usw. Da wird es dann lebendig, dort ist dann Beziehung da, hat es mit mir selbst zu tun. Dort wird die Bibel plötzlich zu etwas, was in mir selbst ist. Alles in der Bibel ist in mir selbst. Und wenn man das mal begriffen hat, wird es erst wirklich und wirklich ergreifend, berührend, bewegend. Denn dann bewegt sich etwas in mir, berührt mich etwas, kommt eine Botschaft bei mir selbst an. Es geschieht etwas, setzt sich in Gang. Es ist keine intellektuelle Spielerei oder Rechterei. Da spricht es zu mir direkt in meinem Herzen. Und wo es im Herzen ist, ist es auch im Leben.