liebe cuckma!
deine freundin hat gebetet, und trotzdem ist ein tier verstorben...
hatte deine freundin wirklich angenommen, ein gebet wäre ein kuhhandel, mit dem sie wen auch immer umstimmen könnte, dass das tier am leben bleibt? wie schön, wenn wir schuldige finden können... "er" hat nicht geholfen, also geht sie auf distanz zur religion. das wird "ihn" aber wirklich betroffen machen!!!
deine freundin ist sehr intensiv in das thema krankheit und tod involviert und leidet selbst an narkolepsie... ich übersetz mal: narkoleptiker sind menschen, die mehr oder weniger intensiv immer wieder den drang erleben, schlafen zu müssen. für mich eine sehr nahe parallele zum thema tod, aber auch so etwas wie "immer wieder die augen vor dem leben verschließen". um es klar zu machen: ich erlaube mir nicht den übergriff, deine freundin zu interpretieren, sondern ich mache mir nur gedanken über die symptome, die du beschreibst.
wenn ein mensch angenommen hat, dass er kein anderes leben als seines führen und keinen anderen tod als seinen sterben kann und dass sein leben und sein tod wie tag und nacht zueinander gehören, wird er aufhören, fremdes leid für sich zu benutzen. oft geht es über familiengenerationen, wie eine schlechte gewohnheit, dass die identität im leiden gesucht wird und die zugehörigkeit in der identifikation mit dem leiden des systems. und das christentum ist über jahrtausende als eine religion des leidens und der "überirdischen" erlösung profiliert (und in meiner sicht einseitig verzerrt) worden. so können wallfahrtsorte leicht zu orten werden, an denen sich eine gewaltige energie des leidens konzentriert, von der sich engagiert leidende angezogen und in der sie sich zu hause fühlen.
wenn dort wunder geschehen - und ich glaube gern, dass sie immer wieder geschehen, und nicht nur dort -, dann vielleicht gerade deswegen, weil menschen jenseits der worte und gehirnwindungen erfahren, dass das leiden so allgemein ist, dass es aus dem muster persönlicher verstrickungen im eigenen system herausfallen und zum eigenen leiden werden darf. und wenn es das darf und nur das sein darf, dann mag es auf einmal leicht werden und ein wunder geschieht. wenn wir uns ganz annehmen und nicht nur das wahre, gute und schöne an und in uns, dann sind wir frei.
der glauben an christus besagt, ER habe das leiden der welt auf sich genommen. nachfolge christi hieße dann nicht, mit ihm in wettstreit zu treten und ebenfalls möglichst viel leid auf sich zu nehmen, sondern es abzugeben.
bloß, wenn ein leben lang die identifikation immer im übernehmen fremden leides lag, was bleibt dann nach dem loslassen, der (er-)lösung vom leiden? ein kleines ich, das nur sein eigenes leiden und seine eigene seligkeit hat und erst wachsen muss. ein risiko. da ist halt oft und oft die verlockung, in der scheinsicherheit des "wunschlosen unglücks" zu verweilen, stärker... und das ist die kehrseite der wallfahrtsorte: die solidarität all der unglücklichen in ihrem leiden. und die kleingläubigen unter ihnen werden ohne wunder heimkehren.
ob wir unseren eigenen tod annehmen, ist eh nicht die frage. ob wir ihn in unser leben hereinnehmen als etwas, dem wir entgegenleben, statt uns in der illusion zu wiegen, nur DIESES leben hier wäre alles und allein lebenswert, das entscheidet auch darüber, wie wir mit tod und krankheit lieber menschen und tiere umgehen können.
abschied nehmen... eine schwere disziplin in einer zivilisation, die alles für machbar und den tod für eine niederlage hält. trauern... trauern heißt das eigene leben nehmen, ganz und gar, inklusive der erinnerung des verlustes. und wie schön, wenn die tiefe der erfahrung an einem wallfahrtsort dabei hilft. wie schön, wenn gebete uns verbinden mit dem, was unsere kleinen begrenztheiten übersteigt.
cuckma... die sorgen deiner freundin sind aber nicht deine. wenn du dich über sie stellst, um ihr einen rat zu geben, hilfst du ihr nicht. wenn du mitleidest, hilfst du ihr nicht, sondern verstärkst nur ihre schuldgefühle. vielleicht kannst du ihr die erfahrung vermitteln, dass es auch jenseits der möglichkeit, leid mitzutragen, eine verbundenheit in liebe geben kann. sei du selbst.
alles liebe, jake