Shamani
Mitglied
Guten Morgen, Christoph...
Das ist eine ganz neue Sichtweise, eine Idee, die ich erst mal sacken lassen muß. Ich empfinde es nicht so, und das ist ohnehin etwas, was mich sehr verwundert. Abtreibung war (und ist) für mich immer das Mittel der letzten Instanz, und als ich mich damals (das war mit 24) für oder gegen dieses Kind entscheiden mußte, hatte ich nur drei Tage Zeit, ich habe die Schwangerschaft sehr spät entdeckt. Die Umstände* dieser Zeit, die mich letztendlich die Entscheidung gegen das Kind treffen ließen, führe ich immer als Erklärung an (irgendeine muß es ja geben
), und aus heutiger Sicht und mit heutigem Wissen hätte ich anders entschieden.
Als ich auf dem Weg zum Eingriff war, kämpfte es tief in mir und ich versuchte den Blick von diesem Kampf zu wenden.
Der letzte Gedanke bevor die Betäubung einsetzte, war "Nein!!", und das erste was ich nach dem Aufwachen schrie war: "Nein!!!" Im Aufwachraum krümmte ich mich vor Schmerzen und weinte. Doch nicht lange, dann machte sich eine tiefe Ruhe in mir breit, mein Verstand dachte, ich müsse noch viel viel mehr weinen, doch tief in mir wurde es ganz warm und ruhig.
Als ich die Praxis eine Stunde später verließ, verließ ich sie leicht gekrümmt, unter Schmerzen, meinen Unterleib haltend - aber mit einem inneren Lächeln.
Ich habe keine Erklärung dafür, außer dass die Natur es so eingerichtet hat, dass ein Muttertier, das sein Junges auf die eine oder andere Arte verliert, es quasi schnell vergißt, damit es selber weiter (über-)leben kann.
Aber ich habe dieses Kind nie vergessen, die Umstände und die Zeit seiner Entsteheung waren so abstrus, das Gefühl nach dem Eingriff so klar und ruhig.
Fakt ist tatsächlich, dass dieses Kind mir mein Leben geschenkt hat, denn von da an begann ich langsam aber zielstrebig, meine Lebensweise zu verändern.
Ob diese Geschichte tatsächlich etwas mit meiner einseitigen Erblindung zu tun hatte, weiß ich nicht. Ich habe sie noch nie miteinander in Zusammenhang gebracht, ich werde darüber nachdenken.
*(kurz vor dem Wohnungsrausschmiß wegen Mietrückständen, ohne echten Kontakt zur Familie/Mutter, mehr nachts als tags gelebt, mehr Drogen als Nahrung zu mir genommen, und der vermeintliche Vater führte ein noch verrückteres, zielloseres, chaotischeres Leben. Ich habe ihm erst nach dem Eingriff davon erzählt, und es interessierte ihn nicht wirklich, das war für ihn nicht das erste Mal, danach starteten wir noch einen halbherzigen Versuch miteinander, der in Prügeleien und einer zertrümmerten Wohnungseinrichtung endete, trotzdem haben er und das Kind einen unumstößlichen Platz in meinem Herzen...)
"Verabschieden"? Ist das nicht verniedlichend? Vielleicht ist Blindheit das kleinere Übel als kleine Sühne. Sühne ist aber immer der Versuch, sich nicht ganz zu stellen. Es sich schwer machen als der leichtere Weg sozusagen (ohne über dich urteilen zu wollen, bitte). Versuch, einen Ausgleich für etwas Unausgleichbares zu schaffen, es ungeschehen zu machen.
Aber das geht nicht. Immerhin hast du alles, was du jetzt hast auf Kosten des Größten, was dir dein erstes Kind geschenkt hat (verkehrte Welt, gell? Das Kind, das das Leben der Mutter schenkt...aus Liebe): es hat dir sein Leben geschenkt. Das ist nie auszugleichen. Und man kann angesichts dessen nur im Angesicht dieses Geschenks besonders glücklich leben - dem Kind zur ehre und zum Angedenken - und etwas Gutes draus machen. Ich sage dir: ich weiß, wovon ich rede. Ich bin nicht besser.
Vielleicht ist die Blindheit also der Preis. Blindheit kann aber auch damit zu tun haben, das etwas nicht gesehen werden darf. Dieses Kind?
Das ist eine ganz neue Sichtweise, eine Idee, die ich erst mal sacken lassen muß. Ich empfinde es nicht so, und das ist ohnehin etwas, was mich sehr verwundert. Abtreibung war (und ist) für mich immer das Mittel der letzten Instanz, und als ich mich damals (das war mit 24) für oder gegen dieses Kind entscheiden mußte, hatte ich nur drei Tage Zeit, ich habe die Schwangerschaft sehr spät entdeckt. Die Umstände* dieser Zeit, die mich letztendlich die Entscheidung gegen das Kind treffen ließen, führe ich immer als Erklärung an (irgendeine muß es ja geben
Als ich auf dem Weg zum Eingriff war, kämpfte es tief in mir und ich versuchte den Blick von diesem Kampf zu wenden.
Der letzte Gedanke bevor die Betäubung einsetzte, war "Nein!!", und das erste was ich nach dem Aufwachen schrie war: "Nein!!!" Im Aufwachraum krümmte ich mich vor Schmerzen und weinte. Doch nicht lange, dann machte sich eine tiefe Ruhe in mir breit, mein Verstand dachte, ich müsse noch viel viel mehr weinen, doch tief in mir wurde es ganz warm und ruhig.
Als ich die Praxis eine Stunde später verließ, verließ ich sie leicht gekrümmt, unter Schmerzen, meinen Unterleib haltend - aber mit einem inneren Lächeln.
Ich habe keine Erklärung dafür, außer dass die Natur es so eingerichtet hat, dass ein Muttertier, das sein Junges auf die eine oder andere Arte verliert, es quasi schnell vergißt, damit es selber weiter (über-)leben kann.
Aber ich habe dieses Kind nie vergessen, die Umstände und die Zeit seiner Entsteheung waren so abstrus, das Gefühl nach dem Eingriff so klar und ruhig.
Fakt ist tatsächlich, dass dieses Kind mir mein Leben geschenkt hat, denn von da an begann ich langsam aber zielstrebig, meine Lebensweise zu verändern.
Ob diese Geschichte tatsächlich etwas mit meiner einseitigen Erblindung zu tun hatte, weiß ich nicht. Ich habe sie noch nie miteinander in Zusammenhang gebracht, ich werde darüber nachdenken.
*(kurz vor dem Wohnungsrausschmiß wegen Mietrückständen, ohne echten Kontakt zur Familie/Mutter, mehr nachts als tags gelebt, mehr Drogen als Nahrung zu mir genommen, und der vermeintliche Vater führte ein noch verrückteres, zielloseres, chaotischeres Leben. Ich habe ihm erst nach dem Eingriff davon erzählt, und es interessierte ihn nicht wirklich, das war für ihn nicht das erste Mal, danach starteten wir noch einen halbherzigen Versuch miteinander, der in Prügeleien und einer zertrümmerten Wohnungseinrichtung endete, trotzdem haben er und das Kind einen unumstößlichen Platz in meinem Herzen...)