Jesus, der Meister.
(Warum ein Meister ? Weil es alle so sagen.)
Zunächst war er mir nur die Verkörperung eines Ideals.
Reine Projektion und Gedankenausgestaltung auf Grund der Überlieferung.
Dann geriet er mir total in Vergessenheit.
Eine Phantasie nur, menschlicher Reinheit, Güte und Nächstenliebe, weil ich wußte um eine gierige Bestie in mir, die stets aus mir herausbrechen wollte.
Ein Mördertier, blutrünstig, gierig, giftschleimtropfend, dem aber ein ein Auge geliehen war, sich manchmal selbst zu betrachten und so kam es, das es angesichts seiner Abscheulichkeit hin und wieder vor sich selber floh, immer tiefer in den Abgrund hinab
Das Monster hatte Angst vor sich selber, gebar aus der Angst den Hass und fraß alles auf, was sich bewegte.
Und wie es da am Grunde meines verfinsterten ICHs herumkroch, Beute schlagend,verirrte Seelen fressend ....
blickte es eines schönen Tages mit einem mal auf, zu diesem herrlichen, gütigen Zweibeiner, einem Menschen, der da unerschrocken hinab gestiegen war, dem Tier einen Weg zu zeigen, aus seinem Dilemma, hinaus aus der Finsternis hinauf ans Licht - sofern es wollte, dieses Seelen fressende Gruselmonster - denn der freie Wille war ihm bereits gegeben worden. Was ihm noch fehlte, war eine andere Option zur Finsternis.
Will sagen, in einem gewissen Stadium der Gefangenschaft in einem verdunkelten ICH bedarf es einer Hand, der man vertrauen kann und die einem den Weg weist und ich hatte immer Schwierigkeiten, lebendigen Menschenhänden zu vertrauen. Zu zwiespältig ist mir die Natur eines Menschen, zu hochmütig und hungrig, gewalttätig, gierig und bestrebt, es immer besser zu wissen ... ich selbst bin mittlerweile menschlicher geworden und doch noch mir selbst der Nächste, und da sehe ich gut, was in einem Menschen sein kann ... das Böse, die reine Verschlagenheit und ich blicke mich um und sehe, dass es auch in anderen Mensch ist, nicht nur in mir. Wem also soll ich blind vertrauen, wenn ich aus der Finsternis kriechen will? Mir selbst und nur mir allein? Sonst keinem? Dann dürfte ich niemals unter Menschen gehen.
Will ich etwas über Menschen wissen - kann ich nur von mir auf meinen Nächsten schließen. Es wäre idiotisch, von meinem Nachbarn auf Tür Nr. 21 auf meinen Nachbarn von Tür Nr. 34 zu schließen. Wenn es darum geht, jemandem zu vertrauen, dann muss ich von mir auf einen andern schließen - und da wußte ich, einem Menschen kann ich nicht vertrauen.
Nein, da muss es etwas geben, eine Alternative zu mir, wie ich mich kennen gelernt habe. Einen besseren Menschen. Und den gibt es bereits, den muss ich nicht erst erfinden. Den gibt es, seit es das Dasein gibt. Den gab es schon, bevor der erste Mensch auf der Erde gegangen ist. Den muss ich nicht erst erfinden, aber finden muss ich ihn.
Ja, ich hab ihn gefunden und zwar in Form einer transformierenden, Schlechtes in Gutes verwandelnden Kraft und nicht verpackt, in einem Klumpen Fleisch sondern als freie Energie und ich vertraue mir selber nur in der Wahl meines Meisters. Das schon. Und am liebsten ist mir einer, über den es nur mehr Gerüchte gibt, weil er vor 2000 Jahren hingerichtet wurde. Einer, über den man im Grunde nicht viel Schlechtes sagen kann, weil Schlechtes habe ich genug in mir.
Und wenn Er ein guter Meister ist, zeichnet er sich für mich dadurch aus, dass er nach einer Weile auf dem Weg seinen "Jünger" in die Freiheit entlässt, wenn er ihr blindes Auge sehend gemacht hat.
Darum: Jesus, meine liebste Legende, meine schönste Sage - mein Meister vom Licht. Und noch ist der Tag nicht da, wo ich in die Freiheit fliegen kann und ein Stück Weg haben wir noch gemeinsam vor uns, der Menschensohn und ich, weil viel habe ich noch zu lernen ... aber nach einer langen Gefangenschaft in einem finsteren Kerker habe ich keine Eile mehr.
Und er ist gütig, mein Meister. Er zwingt mich nicht, dass Tier zu unterdrücken. Er läßt mich nicht höher steigen, als ich fähig bin zu fliegen, aber er unterdrückt mich nicht. Und das genügt mir, ihm zu vertrauen. Er selbst legt keinen großen Wert darauf, dass ich ihn Meister nenne. Das ist mein freier Wille, es so zu sehen und nicht anders.
Was Kirchenfürsten aus meinem Märchenmeister gemacht haben, das muss mir Wurscht sein, ebenso was Menschen über ihn reden, da habe ich keinen Einfluss drauf. Das berührt mich so wenig wie ihn selbst. Mich interessieren die Gerüchte nicht, ja, nicht einmal die überlieferten Predigten, einzig das Wirken der reinigenden Kraft interessiert mich. Und wenn eine Legende dazu in der Lage ist, diese reinigende Kraft zu entfalten, dann soll mir das Recht sein.
So ist das mit dem Mythos, der Sage. Für mich zumindest
Jesus, der Weg, steinig und hell.