Manchmal, wenn ich nachts im Dunkeln durch den Park gehe, kann ich Ihn hören. Sehen tu ich ihn fast nie. Immer nur hören. Auch kommt es vor, aber nur im Dunkeln, nachts, Einsam gehend, spüre ich ihn. Ein kalter Hauch der mir den Rücken runtergleitet. Ein Schauer das mir entgleitet wie Seele den Körper eines sterbenden Menschen. Ein letzter Hauch. Noch einmal ausatmend.
Ich weiß nicht wer er ist oder woher er kommt. Ich weiß nur er da ist. Immer. Niemals läßt er mich alleine. Niemals verläßt er mich. Seine Präsenz erfüllt meinen Alltag. Vorübergehend, in Schaufenstern, lacht er mir grimmig zu. Sein Gesicht verhüllt in schützender Unkenntnis.
Damals, als kleines Kind, in der Obhut einer umnachteten Mutter, fand ich noch Schutz in dem Glauben, ich dachte ich bilde mir nur alles ein. Gestärkt durch die Krankheit meiner Mutter. Gefestigt durch das Erleben ihres Wahnsinns. Doch dann, eines Tages, im Internat, zum eignen Schutze untergebracht, empfand ich zum ersten Mal das wahre Grauen. Das Gekeuche einer gequälten Seele aus den Tiefen eines viel zu kleinen Schrankes. Gefangen zwischen den wenigen Habseligkeiten die mir erlaubt waren, hatte er ein ärmliches Zuhause gefunden.
Des Nachts spürte ich seine Anwesenheit unter meinem Bett. Seine kalten Hände, hervorwandernd aus der Dunkelheit, wie sie langsam unter meiner Bettdecke lugten. Um sich wie Klammern aus brennendem Eis um meinen Hals legten, um jeden noch so kleinen Hilfeschrei im Keime zu ersticken.
Ritalin sollte meinen, durch schlaflose Nächte erzeugte, durch ewiger Angst erfüllten, kleinen Körper und unruhsamen Geist erlahmen. Durch die vielen, endlosen anderen, mit unmerkbaren Namen bezeichneten Medikamenten, fand ich dann endlich den Zugang zu einem traumlosen Schlaf.
Komatöse durchleidete ich seitdem jede Nacht, aber Angstfrei. Doch tagsüber, mit den ersten Sonnenstrahlen, tauchte er wieder auf. Unmöglich zu bannen, unmöglich zu fangen, unmöglich zu fangen. Immer wieder quälte er mich mit seinem Erscheinen.
Ich habe Angst. Besser gesagt die Angst hat mich. Wenig ist noch von mir vorhanden. Der kleinen Kinder-Seele. Sei nicht zu laut, denke ich mir. Falle nicht auf. Mache nichts, was ihn verärgert. Sei willig. Und manchmal, früher weniger als heute. Heute viel zu oft als es sollte, freue ich mich, wenn er mich besucht. Nachts im Dunkeln, in Park. Ich bin nicht mehr alleine.