Heute

Einfach Mensch

Sehr aktives Mitglied
Registriert
4. September 2007
Beiträge
8.635
Ort
Oberschwaben, genau über dem Mittelpunkt der Erde

Heute sitze ich schon ganz entspannt bei meinem Feierabendbier und erwarte die Liebste zum Wochenende, als es an der Tür klopft.
Und dann steht er auch schon vor, ein dünner blasser Freitagnachmittag.
Sein Blick fällt auf meinen Schreibtisch, wo die Korrekturabzüge des nächsten Buches, von mit absichtlich unbeachtet, liegen. »Hast du nichts zu tun?«, frägt mich der Freitagnachmittag. So hält er es immer an Freitagnachmittagen. Denn, er fühlt sich vernachläßigt, die Menschen umgehen ihn, flüchten vom späten Freitagvormittag direkt in den Samstag, oder vielleicht auch in den Freitagabend, jedenfalls weg von einem Freitagnachmittag. Und wenn man ihn so sieht, dünn, blass und noch mit den Resten des Frühstücks in der Kantine der Wochentage auf seinem Hemd, kann man verstehen, warum ihn keiner will.
Also hat er sich mit mir angefreundet, einseitig und ohne wirkliche Begeisterung meinerseits. Aber als spiritueller Autor hat man seine Verpflichtungen, so was wie bedingungslose Liebe zu allem und Jedem, und dann kommt so was dabei raus. Langsam wird der Freitagnachmittag zu einer störenden Anhaftung, seine Energie fühlt sich fremd an. Und dann schaltet er auch immer den Fernseher ein, und das ohne den angebrachten Gebrauch der Fernbedienung, nur durch einen Wunsch beim Universum, und er wählt dann immer einen dieser Astrosender, in der Hoffnung, ich würde ihn auch noch telefonieren lassen und er würde endlich erfahren, ob der Sonntagmorgen mit tauschen würde.
Was der Sonntagmorgen natürlich nie tun wird. Schließlich ist er ein angesehener, gern genommener Wochentag: ausgedehntes Frühstück im Familienkreis, körpernahes Kuscheln unter Partnern, alles garniert durch erbauliche Reden in Glockennähe. Warum sollte ein Wochentag so was aufgeben?
Der Freitagnachmittag fixiert mein Telefon. Aber mein Blick sagt ihm, dass meine bedingungslose Liebe dort nicht hinreicht. Und so sitzt er mit einem sauertöpfischen Gesicht rum. Bis ich ihm ein Bier anbiete.
Und dann trinken wir uns gemeinsam in den Freitagabend.

Schönes Wochenende

crossfire


 
Werbung:
Heute stehe ich am Fenster im zehnten Stock eines Hochhauses und genieße den weiten Blick über das Tal. Ein kräftiger Wind legt gerade das Blau des Himmels hinter den wenigen Wolken frei. Der Hügel auf der anderen Talseite liegt im spätwinterlichen, frühfrühlingshaften, klaren Sonnenlicht. Und die Natur scheint auf dem Sprung.
Und dann ist er da, der dürre, blasse Freitagnachmittag, sitzt mit verschränkten Armen und Beinen auf der Couch. »Schau dir das an.«, fordere ich ihn auf.
»Das will ich gar nicht sehen. Da sehnen sich die Leute nur noch mehr nach dem Wochenende. Und keiner, wirklich keiner will bei mir, dem Freitagnachmittag, bleiben.«
»Ganz so schlimm ist es nicht.«, relativiere ich. »Manche mögen weder Sonne noch Wochenenden.«
Der Freitagnachmittag verschränkt sich noch mehr, wickelt sich abwehrend in seine Extremitäten. »Das ist es ja gerade. Genau diese Leute sind immer unzufrieden. Und die Einzigen, die mir bleiben. Wie soll ich da zufrieden sein?«
»Moment! Was hat die Sauertöpfigkeit der Leute mit deinem Leid zu tun?«
»Naja, sie strahlen es auf mich aus. Und das auch noch alle, die da sind.«
»Alle?«, frage ich mit herausforderndem Unterton. »Wirklich alle.«
»Du nicht. Aber du zählst nicht. Du bist irgendwie anders.«
»Was daran liegt, dass ich mich verstehe. Und deshalb weiß, wie ich ticke. Und da gehört dazu, dass ich bestimme wie es mir geht. Ob ich leiden will. Oder eben nicht. Hab ich dir aber schon oft erklärt.«
Der Freitagnachmittag fängt an zu schluchzen. Ich reiche ihm eine Küchenrolle. Tätige Nächstenliebe auf praktische Art halt. »Du weißt, dass du nicht leiden musst.«, stoße ich nach. »Das ist ein Glaubenssatz, den du einfach und mit einer Willenentscheidung ablegen kannst.«
Der Freitagnachmittag ist bereits beim vierten Blatt des weichen, saugfähigen Papiers angelangt. »Und das soll so einfach sein?«
»Es ist so einfach. Die Glaubenssätze sind dein. Und du kannst damit machen, was du willst. Zumindest seit Juni 2006. Als auf der spirituellen Ebene ein paar wesentliche Änderungen vorgenommen wurden.«
»Das erzählst du mir auch immer wieder.«
»Und du hörst auch immer wieder weg. Und leidest halt weiter. Unnötigerweise, wenn ich das bemerken darf. Und bemerken darf ich das.« Ich gehe zum Kühlschrank und hole zwei grüne Flaschen mit nordisch herben Pils heraus. Drücke eine davon dem Freitagnachmittag in die Hand. »Für heute habe ich Feierabend.«
Der Freitagnachmittag schluchzt bei diesen Worten auf: »Auch du willst nicht bei mir bleiben. Und haust ins Wochenende ab.«
»Wenn es dich tröstet. Dieses Wochenende wird gearbeitet. Also ist es gar kein richtiges Wochenende.«
»Was du auch immer arbeiten nennst. Vermutlich macht dir das eh nur Spaß.«
»Genau, du Sauertopf. Es macht mir Spaß. Und ich bin glücklich dabei.« Ich nehme einen langen Zug aus der Flasche, spüre der wohltuenden Bitternis des Hopfens nach. »Denn, ich bin glücklich, weil ich das so will.«​

Schönes, glückliches Wochenende

crossfire
 
Heute denke ich darüber nach, wie sich der freie Wille gerade in der fallenden Dax-Kurve gezeigt hat. Viele Menschen agieren, mit den unterschiedlichsten Intensionen, und ihr vereintes Handeln manifestiert sich in einer Kurve. Okay, heute geht sie eben vorwiegend abwärts.
Was mich dann dazu bringt über die nächste Manifestation des freien Willens nachzudenken. Meinen kleinen Test, den ich am Montag ins Forum gestellt habe. Und der bisher ohne Antwort geblieben ist. Nun braucht man zu diesem Test zwei Menschen. Sind die Foris also überwiegend alleine? Und können gar nicht? Oder fanden sie den Test schlichtweg langweilig? Oder haben ihn nicht verstanden? Oder störten sich daran, dass man geistige Phänomene physisch ausdrücken kann? Egal wie, die ausgebliebene Beteiligung ist der Ausdruck des freien Willens. Und ich habe sie zu akzeptieren. Tut ja auch nicht weh. Aber das mit dem Alleinsein geht mir einfach nicht aus dem Kopf.
Und ich gebe damit dem Freitagnachmittag das Stichwort, er ist plötzlich da. Und bringt zum Alleinsein seine Einsamkeit mit, trägt sie deutlich vor sich her und weist mich nachdrücklich daraufhin. Er leidet. Und das unterscheidet eben das Alleinsein und die Einsamkeit.
Ich höre mir seine Klagen an. Dass mit Einführung der 35-Stunden-Woche alles angefangen habe. Und dann kam die Gleitzeit. Und immer mehr Menschen traten direkt vom Freitagmorgen in das Wochenende. Und missachteten ihn, den Freitagnachmittag, schmählich. Und selbst das Wiedererstarken des Kapitalismus habe daran nichts geändert. Die Leute müssten jetzt zwar wieder am Freitagnachmittag arbeiten. Aber, sie wollten dort nicht sein, sondern seien in Gedanken schon weg. Und er, der Freitagnachmittag mit seiner Hellfühligkeit, spüre ganz deutlich, wie eigentlich Keiner mehr da sei. Man wolle ihn nicht. Man verachte ihn. Und das schmerzt ihn.
Was soll ich dem Armen jetzt denn sagen? Dass er da seine Erwartungen, seine Ängste spürt. Dass er diese Einsamkeit selbst herstellt. Und sein Leid gleich mit dazu. Ich habe ihm das schon oft gesagt. Habe ihm meine eigenen Erfahrungen geschildert, aus der schwarzen Periode meines Lebens.
Aber er verweist auf seine Erfahrungen, die ihn immer wieder bestätigen. Darauf, dass ihn alle schlecht behandeln. Selbst die Börsianer lassen ihre Kurven in den Keller gehen. Weil sie eigentlich nicht mehr bei der Sache sind. Sondern schon im Wochenende. Und das nur, um ihm, dem Freitagnachmittag, auszuweichen.
Also hole ich die Armagnacflasche vom Regal, gieße ihm ein Wasserglas ein und gebe ihm den guten Rat: Man kann Sorgen nicht im Alkohol ertränken. Aber man kann sie schwimmen lassen.
Der Freitagnachmittag blickt mich lange an. Dann bugsiert er den Armagnac zurück in die Flasche. Wieder blickt er mich an. »Du kannst einem auch jedes Leid verderben.«​

Macht euch ein gutes Wochenende

crossfire


 

Heute bin ich gerade dabei, eine Versuchsbeschreibung ins Englische zu übersetzen und dabei zu spüren, dass ich doch ganz schön aus der Übung bin, als der Freitagnachmittag, mürrisch und blass wie immer unbemerkt bei mir eintritt.
»Ach du schon wieder.«, begrüße ich ihn dann doch. »Kann dich eigentlich noch nicht gebrauchen, muss das erst noch fertig machen.«
»Jetzt fängst du auch schon so an. Und willst mich nicht haben.«
»Das hat eigentlich nichts mit dir zu tun. Sondern mit mir. Ich bin einfach nur spät dran. Was ja auch nicht weiter schlimm wäre. Wenn du es nicht dazu machen würdest. Und wenn du mich jetzt noch 10 Minuten in Ruhe arbeiten lässt, dann bin ich fertig. Und kann mich ganz dir widmen.«
»Das glaube ich dir nicht.«, motzt der Freitagnachmittag mich an. »Das sagst du nur, um mich ruhig zu stellen. Weil du mit mir nichts zu tun haben willst.«
Ich schaue ihn groß an: »Und wie kommst du darauf?«.
»Keiner will was mit mir zu tun haben. Alle verschwinden schnellstmöglich.«
»Klar, und deswegen sitze ich hier rum, habe meine Arbeit unterbrochen und höre deinem Gejammer zu. Aus dir, mein Lieber, spricht gerade mal wieder ein Glaubenssatz.«
»Das ist kein Glaubenssatz.«, widerspricht der Freitagnachmittag. »Das ist eine Feststellung. Alle wollen nichts mit mir zu tun haben. Das ist die Realität.«
»Erstens stimmt deine Realität nicht. Denn, nicht alle wollen mit dir nichts zu tun haben. Schließlich bin ich ja noch da. Und gebe mich mit dir ab. Und zweitens ist es deshalb ein Glaubenssatz. Weil, ich bin bei dir und beschäftige mich mit dir. Obwohl ich, laut deines Glaubensatzes gar nicht sein dürfte. Weil ja alle nichts mit dir zu tun haben wollen. Was ich auch verstehen kann. Bei deiner Weltsicht.«
»Du hast selbst gesagt, dass du mich nicht brauchen kannst. Also willst du auch weg. Und dann stimmt meine Vorstellung. Alle wollen nichts mit mir zu tun haben.«
»Das ist jetzt ein schönes Beispiel für eine Erwartung, die auf einen Glaubenssatz basiert. Und ich werde jetzt einfach deine Erwartung enttäuschen.« Ich stehe auf und hole aus dem Kühlschrank zwei Feierabendpils. Öffne sie und drücke eines dem Freitagnachmittag in die Hand. »Prost!«
»Aber, das ist doch das, was du immer um die Zeit machst.«, blickt der Freitagnachmittag erstaunt auf die Flasche in seiner Hand.
»Genau, mein Lieber.«, proste ich ihm zu. »Jeden Freitagnachmittag sitze ich mit dir zusammen und wir trinken ein Feierabendbier. Und wo bleibt jetzt deine Erwartung?«
»Naja.«, druckst der Freitagnachmittag rum. »Ist wohl nicht eingetroffen.«
»Genau. Wie auch dein blöder Glaubenssatz nicht stimmt. Wegen dem du dich mit mir streiten wolltest. Und dich schon mal wieder beschissen gefühlt hast. Brauchst du den Glaubenssatz eigentlich noch? Wenn nicht, dann wirf ihn weg. Hinter dir steht ein Papierkorb. Da passt er gut rein.«
»Ich glaube, das sollte ich wirklich tun.«
»Nicht glauben, wissen!«

Macht euch ein gutes Wochenende

crossfire

PS: Mein Papierkorb hat noch jede Menge Platz für Glaubenssätze. Einfach einwerfen.
 
Werbung:
Zurück
Oben