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Plötzlich führt der schmale Weg stark bergab. Das Rauschen des Wassers jedoch nimmt ab, bis es ganz still ist. Totenstill. Ein schmaler Lichtschein schwebt über der Schlucht, in der sich Gitta nun befindet. Der Boden besteht aus Wasser, aber das Mädchen geht nicht unter. Gitta geht übers Wasser einst Joshua.




So steht es zumindest geschrieben. Ich hingegen meine, er ging weit über der Welt und hatte mit ihr nichts mehr zu tun, denn sein Reich war niemals von dieser Welt. Sein Reich war mitten in der Quelle. Schon damals. Und niemand hat es je erfahren, weil alles falsch geschrieben wurde. Weil man das nicht schreiben kann! Weil es jenseits aller Beschreibungen liegt. Joshua ging (metaphorisch!) also nicht nur übers Wasser, sondern auch über der Erde und über dem Feuer und über der Luft. Die Elemente hatten für ihn keine Bedeutung. Materie hatte für ihn keine Bedeutung, weil er nur die Quelle erkannte.


Buddha erkannte dies auch und man stellte irgendwann fest, dass die Buddhawelt geschmacklos ist. Aber nur, weil da nichts wahrgenommen werden kann und Menschen sich darunter nichts vorstellen können, da ihre Welt nur aus Vorstellungskraft besteht. Wahrnehmung ist Schwindel. Wahrnehmung ist nichts anderes als eine Vorspiegelung von Bewusstsein, das in Wirklichkeit reiner Geist ist. Bewusstsein ist Hirnsache. Wie schon mehrmals gesagt, geschrieben und doch hat es keine Bedeutung, weil Schreiben keine Wirkung hat. Schreiben findet in einer Scheinwelt statt und führt noch weiter in den Schein, statt in das Sein. Aber was soll man sonst tun? Löcher in die Luft starren? Für immer schweigen? Mündlich wie auch schriftlich. Ja, besser wäre es.




Gitta geht nicht übers Wasser. Noch ist das Wasser sehr seicht. Und ihr Schuhwerk war ohnehin schon nass, da es laufend geregnet hat. Kalt ist ihr auch nicht mehr, obwohl die Wanderkleidung (Hosen mit Taschen an den Seiten, T-Shirt und leichten Anorak) ebenso durchnässt ist, wie die festen Wanderschuhe. Alles Schein, statt Sein. Aber Gitta nähert sich mehr dem Sein.


Der Himmel lichtet sich. Er färbt sich blau. Er nimmt den Pinsel in seine Hand und malt sich blau an, weil die Farbe bereits mehr grau, statt blau geworden. Und faltig. Ja, die Rede ist vom Blauen, der sich weiter vorne im seichten Wasser blau anmalt und es dem Himmel gleichtut. Wo ist Mirjam? Sie hat ihren Sohn, der ihr geblieben ist, los geschickt, um Gevatter Tod zu suchen, weil sie es satt hat, auf dieser Welt zu sein. Mirjam will weg. In eine andere Welt. In einer, wo es nicht so viele dumme Menschenwesen gibt.




Was denen (den Menschen!) alles einfällt! Man darf gar nicht darüber nachdenken. Die Schildbürger sind ja noch Intelligenzbolzen dagegen. Jetzt pflanzen sie in einem Fußballstadion aus Kunstzwecken (!) Bäume. Aus Kunstzwecken! Und wenn der Kunstzweck vorbei ist, werden die Bäume umgesiedelt. Sie tun mit den Lebewesen, was sie wollen und erkennen gar nicht, dass sie es mit Lebewesen zu tun haben. Co2-Steuer wollen sie einführen! Kann man dadurch die Umwelt retten? Klar, mit Geld ist ja alles möglich. Meine Güte! Man fährt und fliegt munter weiter, weil mit dem Steuergeld neues Grün gepflanzt wird, das durch das weiterfahren und weiterfliegen auch wieder zerstört wird. Da sträubt sich aber das Hirn in alle möglichen Richtungen, nur nicht in die richtige. In so einer Welt muss man ja verrückt werden, wenn man es noch nicht ist. Kommt sicher noch. Anders lässt es sich hier eh nicht mehr leben.




Hoppla, da bin ich wieder abgeschweift in das alte Universum, obwohl es hier um das neue geht, obwohl das auch nicht viel besser ist, wie man an Mirjam erkennen kann. Sie hatte es nie leicht im Leben. Musste ihre zwei Bengel alleine durch bringen und hat es schließlich auch geschafft. Wie, das lassen wir lieber im Dunkeln. Man munkelt, sie sei nicht immer mit den Gesetzen konform gegangen. Muss man ja auch nicht. Man darf sich nur nicht erwischen lassen. „Down with law“ und „fuck the system“ waren lange Zeit Mirjams Parolen. Jetzt ist sie müde. Sehr müde.




„Was machst du denn da?“ ruft Gitta dem Blauen entgegen. „Bist du nicht der Bruder von Andre? Wenn, dann bist du mein Onkel!“


„Ich mach mich wieder blau, aber die Farbe deckt nicht. Und ja, ich bin der Bruder von Andre und dein Onkel.“


„Ich sehe, dass du dich anmalst. Ich meine generell, was du hier machst. Ich meine, warum bist du hier an diesem seltsamen Ort?“


„Meine Mutter hat mich los geschickt, um Tod zu suchen und ihn zu ihr zu bringen“, gibt der Blaue kleinlaut von sich, als Gitta neben ihm steht und ihn, trotz seiner Nacktheit, ungeniert von oben bis unten ansieht, obwohl es kein netter Anblick ist, denn immerhin ist er so alt wie ihr Vater und das ist sehr alt, wenn man von jungen Mädchen so um die 15 ausgeht.



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