Die Landschaft verändert sich zusehends. Aus den sanften Hügeln werden Berge und aus den Bergen schroffe, steil nach oben ragende Felsen. Sie sind nur mehr zu viert. Und schließlich, als der unheimliche Hohlweg beginnt, drehen auch die letzten beiden Schüler um und lassen Gitta und ihre Mutter alleine weiter gehen. Die Schlucht wird tiefer und tiefer. Von oben dringt kaum mehr Licht durch, da die Felsen fast zusammen stoßen.
Via Mala, könnte man denken, - schlechter Weg und übrigens auch ein lesenswertes Buch (Film ist auch okay, obwohl Bücher immer besser sind). Ich würde diesen Weg gerne gehen und dabei wohl das Gefühl haben, dass mir der Herr Lauretz mit einer Flasche Schnaps brüllend entgegen kommt.
Plötzlich ist der Weg zu Ende. Die Felsen stoßen zusammen und bilden nur mehr einen ganz schmalen Durchlass, den Gitta vielleicht noch schaffen würde, wenn sie sich ganz dünn macht. Für ihre Mutter, die nach den vielen Kindern schön rund wurde, ist Endstation.
„Dreh um, Mutter und setze sich zu Hause unter den Boddhibaum“, sagt Gitta sanft und umarmt ihre Mutter.
„Woher willst du wissen, dass dies der richtige Weg ist?“ fragt Buddhi besorgt.
„Ich weiß es einfach. Sei unbesorgt. Und wenn ich nicht wieder komme, sei ebenso unbesorgt und denk dir, dass ich es so haben wollte“, antwortet Gitta, umarmt ihre Mutter und zwängt sich schnell durch die Felsen, um einem tränenreichen Abschied zu entgehen.
Drüben ist es noch dunkler, aber der Weg ist wieder ein wenig breiter geworden. Auf der rechten Seite werden die Felsen niedriger, bis es, nach ein bis zwei Kilometer in Dunkelheit, rechts einige hundert Meter bergab geht. Gitta kann es nicht sehen, aber seltsamerweise kann sie es spüren. Also hält sie sich ganz links und tastet sich an der Felswand entlang. Unten kann sie das Wasser rauschen hören. Für einen Bach oder Fluss ist es zu laut. Es dürfte Meeresrauschen sein. Aber hier, mitten im Gebirge?
Buddhi hat Tränen in den Augen. Sie beherrscht sich, um nicht den ganzen, langen Weg nach Hause zu weinen. Irgendwie hat sie das Gefühl, ihre Tochter Gitta nie wieder zu sehen. Es ist ein beängstigendes und erdrückendes Gefühl. Aber Gitta wollte es doch so. Und wenn sie Erfolg hat, wenn sie den Tod wieder zurück holen kann, erlöst sie damit Millionen von Menschen von ihren Leiden und Schmerzen. Dann ist Gitta eine Heldin, die gefeiert werden wird. Dann wird Gitta Denkmal errichtet. Dann wird Gitta mindestens ein Tag im Jahr gewidmet. Buddhis Antlitz wird fröhlicher, bis sie wieder das ihr ganz eigene Lächeln im Gesicht hat, wofür sie unter dem Buddhibaum berühmt geworden ist.
