Wäre die Welt ohne Tod wirklich besser? Dann wäre es auch eine Welt ohne Geburt. Aber vielleicht spornt uns der Tod zu allen möglichen Taten an. Vielleicht spornt er uns zum Leben an, treibt uns in dieser Arena, genannt Leben, voran, um niemals stehen zu bleiben. Wer stehen bleibt, verliert. Wer stehen bleibt, den kriegt der Tod. Keine Bewegung mehr. Keine Arena mehr. Keine Zeit. Kein Raum.
Ein Leben ohne Veränderung. Für manche ein Segen. Vor allem dann, wenn sie gerade in guten Zeiten leben. Für andere der Horror. Vor allem dann, wenn sie gerade in schlechten Zeiten leben. Aber ich denke, der Mensch, wie er nun mal ist, braucht Veränderung. Das liegt nun mal in seinem Bewusstsein. Und ob er es braucht oder nicht, steht ohnehin nicht zur Debatte, denn es ist wie es ist.
Und jene Kräfte, über die Arima vorhin zu Luzy sprach? Gehen sie von der Quelle aus? Was sind sie? Woher kommen sie? Gibt es sie überhaupt? „Sie wissen es besser als wir, sprach Arima. Was wissen sie besser? Was, Arima?
„Du solltest demütiger sein, Luzy“, spricht Arima weiter zu Luzy, „Ich glaubte damals im alten Universum, als ich auf der Erde geboren wurde, nicht an Gott. Fragte mich, wo er denn sein sollte. Es gab für mich nur eine Welt. Jene, in der ich lebte. Eine Welt des puren Zufalls, weil sich eben alles so entwickelt hat, wie es nun mal ist. Dennoch spürte ich stets eine gewisse, unerklärliche Kraft. So etwas wie das Schicksal. Aber irgendwie gerechter. Ich hätte diese Kraft nicht beschreiben können und kann es heute auch nicht. Auch wenn vieles dagegen spricht, glaube ich, dass sie von der Quelle der Kraft ausgeht. Sie lässt uns frei träumen, aber sie gibt auch Acht auf uns. Sie ist unpersönlich – keine Frage, aber sie hat auch persönliche Aspekte, nämlich uns. Dabei dürfen wir die anderen Lebensformen nicht vergessen, denn die humanoide Linie ist nicht die einzige und auch nicht die höchste. All das ist die Quelle der Kraft. Es gibt nichts außer der Quelle, außer dieser Kraft, die weit über dem Bewusstsein steht.“
Anbeten hilft nichts. Kirchen und Dome zu bauen hilft nichts. Askese zu üben hilft nichts. Was immer wir tun, wird getan. Ob wir es gerne tun, liegt an uns. Ob wir uns selbst und anderen für irgendeinen unnötigen Schwachsinn verzeihen, liegt an uns. Dennoch habe ich Achtung vor jedem Glauben, jeder Religion, wie auch jeder Sekte, solange sie keinen Zwang ausübt. Ich achte alles, solange es keinen Zwang ausübt. In allem steckt stets ein Funken Wahrheit, aber die Wirklichkeit kann kein einzelner erfassen. Denke ich mal.
Ernst blickt sich um. Er wirkt ein wenig traurig, seit er in der kleine, feinen Stadt im Ernstviertel mit seiner Familie lebt. Ihm fehlt etwas. Eigentlich jemand. Arima hat er schon getroffen. In seiner schönen Form, die Ernst komplett übersieht, denn für Ernst war Arima immer wunderschön, auch in seiner fetten, kleinen Gestalt. Ernst sehnt sich nach diesem Tier, das einem Känguru oder teilweise auch einem Quokka (ein
Beuteltier, das auch in Australien lebt) gleicht. Er hat es damals lieb gewonnen, ohne dass es ihm bewusst war. Ernst hat Sila auch schon getroffen. Irgendwann, als er mit seiner Familie im Park war. Er mochte das zarte Hippiemädchen sofort und dachte im selben Moment, als er es sah, an Lisa. Er sah diese großen, braunen Augen, die runde Schnauze und spürte an den Händen das weiche, braune Fell. Ernst schüttelte sich und spürte die Sehnsucht. Er konnte es kaum glauben, aber ihm fehlte das pelzige Tier, das er gerne als Haustier behalten hätte.
Und wieder einmal laufen der alte Mann, der kleine Michel und Gevatter Tod (ja, der ist auch noch an Bord!) in den Hafen ein.
