Mirjam hat ein Haus. Es war der Blaue, der ihr und ihm und seinem Zwillingsbruder eines beschaffen hat. Mirjam hätte Männer haben können, die für sie gesorgt hätten. Mirjam mag keine Männer. Mirjam mag ohnehin keine Menschen. Für eine Gottesmutter ganz schön schräg. Aber Gott hat keine Menschen erschaffen. Sie haben sich selbst erschaffen. Ganz schön blöd.
Mirjam hat zwei tolle Jungs. Besonders der Blaue, der immer für sie sorgt. Er arbeitet auch, während der Andere sich ständig unter Menschen drängt und versucht, ihnen ein Leben aufzudrängen, das ganz und gar nicht menschengerecht ist. „Sich nicht wichtig nehmen.“ „Tun, was man will, als gäbe es kein Morgen.“ Geht gar nicht. Aber sie hören ihm zu, während der Blaue Kühe hütet. Das Geld, das er dafür bekommt, genügte für ein kleines, feines Haus, in dem alle drei Platz haben – sogar jeder ein Zimmerchen für sich hat. (Damals war wohnen noch leistbar.)
Im letzten Universum konnte man die beiden nicht unterscheiden. Im neuen Universum ist es leicht, denn der Blaue ist den Menschenwesen nicht ganz geheuer. Aber die Kühe lieben ihn. Seit er sie hütet, sie abends liebevoll in die Ställe führt und sie am Morgen selbst melkt, haben sie doppelt so viel Milch wie früher. Die Bauern, für die der Blaue arbeitet, sind glücklich, auch wenn sie ihn nicht lange ansehen können. Wie kann man nur blaue Haut haben? Ist es eine Krankheit?
Ist es nicht, denn der Blaue ist ein Avatar Gottes. Er ist Gott selbst, weiß es aber nicht. Er ist mehr Gott, als der Andere, dessen Mutter auch eine Andere ist. Nur – sie weiß es nicht und wusste es damals auch nicht.
Stimmt, Maria war vollkommen unschuldig, obwohl Kim irgendetwas ahnte, was er in den Gesprächen durchleuchten ließ. „Sie ist eine Hexe, ein Wesen der Anderen Seite“, verriet er mir einmal und ich schrieb sein Leben neu. Nein, nein, noch nicht das für die Veröffentlichungen! Es war ein Leben ohne Maria. Sie hat ihn verlassen und ist nie wieder zu ihm zurück gekehrt. Aber Manola kam. Die leibliche Tochter. Schon damals träumte sie von einer Vereinigung mit ihrem unwiderstehlichem Vater und durfte dieses Erlebnis, die „unio mystica“ erst als Sila (die Ganzheit ihres Selbst) erleben. Ich nannte diese Gespräche „Die Wahrheit“ oder „Die Bücher der Wahrheit“, was sie ja nicht waren, weil ich wieder umschwenkte, denn Kim und Maria trennten sie nie.
Und nun? Was ist Arima? Ein Wesen Dieser Seite (Kim) oder ein Wesen der Anderen Seite (Maria). Er hat beides in sich. Er IST beides. Es muss so sein. Nur so entstehen Doppelwesen, die eine Fahrkarte nach Hause bekommen.
Manola war noch menschlich und hatte kaum etwas an Kraft von ihren Eltern mit bekommen. Es gab sie auch in anderen Erddimensionen, was ihr die so genannte Schärfe nahm (man kann es auch Sehschärfe, oder Hellsehschärfe oder wie auch immer nennen).
Bei Thygyrill war es anders. Erstens wurde er als Leuchtendes Wesen geboren und zweitens wurde er als Wesen der Anderen Seite geboren, weil Maria damals sehr viel Kraft in ihren Sohn steckte, bevor sie für immer mit Kim verschmolz und so das Doppelwesen Arima entstand. Natürlich war der Name „Arima“ schon lange bekannt. Kims Vater wollte ihn so nennen, da es so in der Prophezeiung der Leuchtenden Wesen geschrieben stand. In etwa so: „Und Arima wird kommen und euch vom falschen König Ake befreien und schließlich König des Universums sein.“ Übrigens ist die Leuchtende Welt nie vor Wesen der Anderen Seite gefeit gewesen. Ake war nämlich eines – nämlich ein ganz gemeiner Dämon, der Kim das Leben zur Hölle machte. Aber das weiß man ja längst. Ist ein alter Hut aus dem alten Universum.
Und nun? Nun, wo sich Arima endlich sicher ist, beide Kräfte zu sein? Verändert sich endlich seine Ansicht über jene Wesen, bei denen er keinen Unterschied zwischen Götter und Dämonen sehen wollte? Ja, klar gibt es einen Unterschied, wenn man so will. Götter sind gut, weil sie uns Gutes tun wollen und Dämonen sind böse, weil sie uns Böses tun wollen. Quatsch, alles Quatsch! Ab einer gewissen Ebene besteht nicht einmal ein Unterschied zwischen Wesen Dieser und Wesen der Anderen Seite, weil alle Doppelwesen aus beiden Energien bestehen. Paolo und Selma? Da war es der Junge. Wer weiß schon als menschliches Wesen oder anderes Wesen, welche Ganzheit ihn/es träumt? Und wie gesagt, ab einer gewissen Ebene gibt es keine Unterschiede mehr – im alten, wie im neuen Universum.
Mag sein, dass Wesen der Anderen Seite in ihren Träumen ein wenig aufdringlicher sind. Zumindest einige, wie etwa der Andere, der schon wieder mitten in einer kleinen Menschenmenge seine Weisheiten wie Perlen vor die Säue wirft. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Mirjam meidet Menschenmengen. Sie meidet Menschen generell, wenn es möglich ist. Und der Blaue? Er sieht erst einmal zu und streichelt seine Lieblingskuh.
