Die Atmung hat eine äußerst wichtige biologische Funktion. Die Lungen reinigen das Blut, das seine Reise durch die Arterien hellrot und reich beladen mit lebensspendendem Sauerstoff beginnt. Das Blut kehrt über die Venen zurück, arm, bläulich und beladen mit den Abfallstoffen des Körpers, die dann als Kohlendioxyd wieder ausgeatmet werden.
Dadurch wird das Zwerchfell und die Atemhilfsmuskeln gestärkt und die Lungen gereinigt, Herz, Leber und Magen werden massiert, Stoffwechsel- und Entschlackungsvorgänge, Kreislauf und Herztätigkeit werden verbessert, Bronchien, Alveolen, Luftröhre und Nasendurchgänge werden gereinigt, der Sauerstoffgehalt im Blut wird erhöht. Herzkrankheiten und alle Krankheiten, die aus mangelhafter Einatmung von Sauerstoff entstehen, werden geheilt. Das Gewebe und die Zellen absorbieren eine große Menge von Sauerstoff.
Atemübungen sind eine gute Vorbeugung gegen Heuschnupfen, Asthma und Erkältungskrankheiten. Asthma und Schwindsucht (Tuberkulose) können durch Atemübungen im Laufe der Zeit geheilt werden. Die Lungenspitzen werden gründlich mit Sauerstoff versorgt, die Verkrampfungen der Bronchien beseitigt und die Unreinheiten des Blutes ausgesondert. Außerdem wird das Sonnengeflecht aktiviert, geistige und emotionelle Spannungen beseitigt, Müdigkeit und Depressionen abgebaut und die innere Kraft und Freude gestärkt. Immer wenn Du Dich unbehaglich, deprimiert oder entmutigt fühlst, übe Pranayama.
Bevor wir zu den Atemübungen kommen, etwas zur Frage, ob es gefährlich ist Atemübungen ohne die Hilfe eines Gurus zu praktizieren. Hierauf antwortete
Swami Sivananda: Zögere nicht. Warte nicht darauf, einen Guru zu finden, der an Deiner Seite sitzt und nach Dir schaut. Wenn Du ernsthaft, regelmäßig und systematisch bist und den Regeln und Anweisungen dieses Buches sehr sorgfältig folgst, wird es keinerlei Schwierigkeiten geben. Du wirst unzweifelhaft Erfolg erzielen. Leichte Fehler werden am Anfang auftauchen. Viele Leute sind unnötig besorgt. Du kannst einfache Atemübungen ohne die Hilfe eines Gurus ausführen. Im Laufe der Zeit wirst du das richtige Gefühl für die Atemübungen entwickeln.
Typische Fehler bei Atemübungen sind: der Schüler sitzt nicht gerade, der Rücken ist gebogen, der Kopf ist nicht gerade, der Körper zur Seite gebeugt. Falsche Atmung: Der Bauch geht beim Ausatmen hinaus anstatt hinein. Der Schüler hebt die Schultern, atmet forciert ein, spannt das Gesicht und die Schultern während des Schnell-Atmens an. Der Schüler atmet durch den Mund anstatt durch die Nase oder hält die Luft zu lange an. Korrekturen und Hilfestellungen findet ihr auf der Fehlerseite (
Schnellatmung).
An dieser Stelle sollen zwei Atemübungen vorgestellt werden, die ich sehr gut kenne und regelmäßig praktiziere. Dies ist einmal die Schnellatmung, auch Kapalabhati genannt und der Blasebalg, auch Bhastrika genannt. Fangen wir mit der Schnellatmung an. Anschließend kommt der Blasebalg.
Die Schnellatmung (Kapalabhati)
Die Schnellatmung unterteilt sich in vier Abschnitte:
1. Ausgangslage: Setze Dich gerade hin, entweder im Schneidersitz, im Lotussitz oder einer verwandten Sitzhaltung, halte die Hände auf den Knien und die Augen geschlossen.
2. Atme zu Beginn 3 bis 4 Sekunden lang durch die Nase ein, dabei geht der Bauch hinaus. Dann atme 3 bis 4 Sekunden lang durch die Nase aus, dabei geht der Bauch hinein. Atme so etwa 3 bis 8 Atemzüge lang ein und aus.
3. Dann beginne mit dem eigentlichen Kapalabhati: Atme sehr schnell aus und 2 Mal so langsam entspannt ein. (meist reicht es aus, den Atem von selbst einströmen zu lassen - also forciertes Ausatmen und langsames Einatmen) Wiederhole es etwa 20.
4. Danach atme 1 bis 2 Mal normal ein und aus. Anschließend atme bequem ein, und fülle die Lungen zu 3/4 und halte die Luft an. Konzentriere dich auf das Dritte Auge, den Punkt zwischen den Augenbrauchen, und/oder dein Mantra. Halte die Luft so lange an, wie es Dir angenehm ist (20 bis 120 Sekunden). Dann atme 2 bis 4 Mal normal ein und aus und fahre dann fort mit der nächsten Runde. Übe 1 bis 5 Runden, klassisch sind 3 Runden.
Blasebalg (Bhastrika)
In Sanskrit bedeutet Bhastrika Blasebalg. Das charakteristische Merkmal von Bhastrika ist die rasche Folge von forcierten Ein- und Ausatmungen. So wie ein Schmied seinen Blasebalg rasch auf und ab bewegt, so solltest du deinen Atem rasch bewegen.
Sitze im Lotussitz (Anfänger im Schneidersitz), halte Rumpf, Nacken und Kopf aufrecht. Schließe den Mund. Atme als nächstes zehnmal rasch ein und aus wie der Blasebalg des Schmieds. Bauch und Brust dabei gleichmäßig ausdehnen und zusammenziehen. Der Übende sollte mit einer raschen Folge von Ein- und Ausatmungen beginnen. Wenn die für eine Runde erforderliche Anzahl von Wiederholungen, sagen wir zehn, beendet ist, folgt auf das letzte Ausstoßen die tiefstmögliche Einatmung.
Der Atem wird dann angehalten, solange es möglich ist. Dann wird sehr langsam und tiefstmöglich ausgeatmet. Das Ende dieser tiefen Ausatmung schließt eine Runde Bhastrika ab. Mache nach einer Runde eine kurze Pause von einigen normalen Atemzügen. Dies wird dir Erleichterung verschaffen und dich für die zweite Runde vorbereiten.
Du kannst täglich 3 Runden am Morgen ausführen. Wenn du willst, kannst du auch drei weitere Runden am Abend praktizieren. Beschäftigte Menschen, die keine Zeit haben, drei Runden Bhastrika zu machen, sollten wenigstens eine Runde machen. Auch dies wird gesund halten. Bhastrika ist eine mächtige Übung. Nachdem du die Schnellatmung (Kapalabhati) geübt hast, kannst du mit Bhastrika beginnen, es wird dir dann leicht fallen.
Wenn dich Schwindelgefühle überfallen, breche die Übung ab und atme einige Atemzüge normal weiter. Setze die Übung fort, wenn das Schwindelgefühl vorbei ist. Im Winter kann Bhastrika sowohl am Morgen als auch am Abend ausgeführt werden. Wenn es im Sommer sehr heiß ist, solltest du Bhastrika nur morgens machen.
Bhastrika lindert Halsentzündungen, steigert die Verdauung, beseitigt ein Übermaß an Schleim, heilt Krankheiten der Nase und des Brustkorbs, heilt Asthma, Schwindsucht (Tuberkulose) etc. Es regt den Appetit an und erweckt die Kundalini.
Man sagt, die Kundalini sei eine göttliche Energie (sexuelle Energie), die im Wurzelchakra ruht und durch Atemübungen über die Wirbelsäule bis zum Scheitelchakra hinaufgeleitet werden kann. Der Blasebalg weckt die Kundalini und hilft die Knoten im Wurzelchakra, Herzchakra und Stirnchakra zu lösen.
Die Zahl der Ausatmungen und der Runden sollten durch die Stärke und Fähigkeiten des Übenden bestimmt werden. Man sollte nicht ins Extreme gehen. Einige Schüler können sechs Runden machen, andere auch zwölf Runden.
Wenn du möchtest, wiederhole während der Atemübung geistig ein Mantra. Ich setze bei den Atemübungen gerne einen Kopfhörer auf, höre Musik, oft sogar sehr schnelle und laute Musik, und wiederhole während des Atemanhaltens im Rhythmus der Musik mein Mantra.
Wechselatmung (Anuloma Viloma)
Eine sehr bekannte Atemübung ist auch die Wechselatmung, auch Anuloma Viloma genannt. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht näher darauf eingehen. Ihr könnt die Einzelheiten der Wechselatmung bei
yogavidya.de nachlesen.
Und für alle, die sehr beschäftigt sind: Pranayama beim Gehen
Gehe mit aufgerichtetem Kopf, die Schultern zurück, den Brustkorb ausgedehnt. Atme langsam durch beide Nasenlöcher ein und zähle geistig 3 x OM, ein OM bei jedem Schritt. Halte dann den Atem an, bis Du 12 x OM gezählt hast. Atme dann langsam durch beide Nasenlöcher aus, bis Du 6 x OM gezählt hast. Wenn Du es schwierig findest, mit jedem Schritt ein OM zu zählen, zähle die OMs ohne Beziehung zu den Schritten ab.
Beim Gehen kann auch Kapalabhati (Schnellatmung) ausgeführt werden. Menschen, die sehr beschäftigt sind, können die oben beschriebene Übung morgens und abends beim Gehen praktizieren. Dabei werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es ist sehr angenehm, Pranayama beim Gehen im Freien zu üben, wenn eine sanfte und angenehme Brise weht. Du wirst rasch in einem beträchtlichen Maß gestärkt und belebt sein. Übe, spüre und erkenne den wohltuenden Einfluss dieser Art von Pranayama. Solche, die flink gehen und dabei geistig oder verbal OM wiederholen, üben natürliches Pranayama ohne Anstrengung.
Willst du das Thema Pranayama vertiefen, dann empfehle ich dir folgende Literatur:
Die Wissenschaft des Pranayama (Kostenloses Onlinebuch)
Pranayama, die Yogaatmung
Pranayama - Göttliche Erkenntnis
Die Wechselatmung - Anuloma Viloma
Die Schnellatmung - Kapalabhati