Spaziergang in der Mystik

Paolo

Mitglied
Registriert
10. März 2004
Beiträge
894
Ort
Stuttgart
Spaziergang in der Mystik

Dem Menschen ist es möglich, etwas zu wissen. Wissen allein geht jedoch bloß unter die Nä-gel, dagegen geht Erfahrenes unter die Haut. Erfahrungen können beim Lösen von Problemen erlangt werden. Die Struktur von Problemen besteht grundsätzlich aus entgegengesetzten, annähernd gleichwertigen Zielvorstellungen. Wird ein Ziel wertvoller, bzw. ein Ziel wertloser, beginnt die Waage sich zu bewegen und das Problem sich aufzulösen. Damit das Wissen unter die Haut dringen kann, wird Dauerhaftigkeit in eine Problemlösung gebracht. Die Dauer von Problemlösungen entsteht durch unentdeckte Unwahrheiten. Je mehr Unwahrheiten in dem Problem enthalten sind, umso spannender wird die Problemlösung und umso größere oder viel-fältigere Erfahrungen können gesammelt werden.

Ideologien sind vielschichtige Geflechte aus Wahrheiten und Lügen. Wenn man sich durch das erste Geflecht hindurchgearbeitet hat, kommt das nächste Gespinst mit weniger dicken Lügen. Um im Bild zu bleiben, kann man sagen, die letzten Lügen sind so dünn und heimtückisch wie Stolperdrähte, man übersieht sie und fällt völlig unerwartet auf die Nase. Es ist nicht nur so:

Der Weise sagt: „So ist es“.
Der Tor sagt. „Nein“.

Es kann auch der 60. Vers des 2. Gesangs des Erhabenen (Bhagavadgita) gelten:

... öfters ... geschieht es
dass auch der Geist des Weisen irrt.

Um die Kategorien von den dicken zu den dünnen Lügen zu benennen, kann man sagen, die dickste Lüge ist der Glaube, dass alles was ist, nichts anders als Materie sei. Etwas weniger dick ist das Geflecht der Religionen, dünner ist der Spiritismus, feiner die Mystik.

Ich folge in meinem Leben beständig der christlichen Weisheit, die da heißt:

Suchet, so werdet ihr finden,
klopfet an so wird euch aufgetan,
Mt. 7,7; Lk. 11,9; Thomas-Evangelium, Logion 92

Auf dieser Suche durch das Lügenlabyrinth bewahrheitete sich der 52. Vers des 2. Gesangs des Erhabenen (Bhagavadgita) der da singt:

Hat sich dein Denken einmal erst
vom Wirrsal allen Wahns entfernt,
erfast ein wahrer Ekel dich
vor allem, was du einst gelernt.

Ich trennte die Spreu vom Korn des Gemischs aus Wahrheiten und Lügen beim Materialismus, den Religionen und dem Spiritismus. Da erfüllte sich die Voraussage des 2. Logion des Tho-mas-Evangeliums:

Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen,
bis er findet.
Und wenn er gefunden hat,
wird er verwirrt sein,
und verwirrt,
wird er sich im Staunen verlieren.

Von diesen Wirren und dem Staunen will ich nun erzählen.

Wie den herbstlichen Morgennebel am Mittag die Sonne schließlich durchdringt, so löst sich die schillerndste Lüge der Religionen auf, in der mystischen Vereinigung.

In den Religionen, den Gespinsten von Lügen und Wahrheiten, sind wertvolle Trüffel zu finden, aber die Priester sind keine Trüffelschweine, welche nur die Eicheln, aber die wahren Schätze nicht finden. Sie sind wie die Pharisäer von den Jesus in Logion 102 des Thomas-Evangelium sagt:

Jesus sprach:
Wehe den Pharisäern!
Sie gleichen einem Hund, der im Futtertrog der Ochsen liegt:
Weder frisst er selbst,
noch lässt er die Ochsen fressen.

Wie beispielhaft in Logion 66 des Thomas-Evangeliums steht:

Jesus sprach:
Zeigt mir den Stein,
den die Bauleute abgelehnt haben:
er ist es: der Eckstein.

genauso hatte der Völkerapostel Paulus die Hauptsache von Jesu Lehre nicht verstanden.

Zunächst will ich, wie das Trüffelschwein, in die richtige Richtung ziehen. Dazu hilft mir Logion 13 des Thomas-Evangeliums:

Jesus sagte zu seinen Jüngern:
Vergleicht mich
und sagt mir, wem ich gleiche.
Simon Petrus sagte zu ihm:
Du gleichst einem gerechten Engel.
Matthäus sagte zu ihm:
Du gleichst einem weisen Philosophen.
Thomas sagte zu ihm:
Meister, mein Mund wird sich bestimmt weigern,
zu sagen, wem Du gleichst.
Jesus sagte:
Ich bin nicht mehr dein Meister,
denn du hast getrunken von der sprudelnden Quelle,
die ich hervorströmen ließ,
und dich daran berauscht.
Und er nahm ihn beiseite
Und sagte ihm drei Worte.
Als Thomas zu seinen Gefährten zurückkehrte,
fragten diese ihn:
Was hat Jesus zu dir gesagt?
Thomas antwortete ihnen:
Wenn ich euch nur eines dieser Worte sagen würde,
die er mir gesagt hat,
würdet ihr mit Steinen nach mir werfen,
und aus den Steinen würde Feuer sprühen
und euch verbrennen.

Diese drei Worte sind die Bombe, welche die Wahrheit explodieren lassen würde. Aber die Priester haben Angst, dass sie sich dabei die Finger verbrennen könnten. Tatsächlich würden sie damit den Ast absägen auf dem sie sicher sitzen und ihre Pfründe ziehen. Denn Logion 77 des Thomas-Evangeliums zeigt die Überflüssigkeit der Priester, wenn es sagt:

Spaltet das Holz – und ich bin da.
Hebt den Stein hoch:
Dort werdet ihr mich finden.

Nun ist glücklicher Weise Thomas nicht der einzige Mystiker der Bibel, bzw. des Neuen Testa-ments, da gibt es auch noch den Evangelisten Johannes. Er verhält sich nicht wie die Pharisä-er und Schriftgelehrten, von denen in Logion 39 des Thomas-Evangeliums steht:

Jesus sprach:
Die Pharisäer und Schriftgelehrten
haben die Schlüssel der Erkenntnis erhalten
Und haben sie versteckt.
Sie sind nicht eingetreten,
und die, die eintreten wollten,
haben sie nicht hineingelassen.

Er folgte der Idee des 33. Logion des Thomas-Evangeliums:

Jesus sprach:
Was ihr mit dem einen Ohr hören werdet,
das schreit in das andere Ohr,
verkündet es von den Dächern.
Denn niemand zündet eine Lampe an
und stellt sie unter den Scheffel (Leuchter)
oder an einen verborgenen Ort;
sondern man stellt sie auf den Leuchter,
damit alle, die kommen und gehen,
ihr Licht sehen.

Durch den Evangelisten Johannes sind die drei explosiven Worte im 34. Vers des 10. Kapitels seines Evangeliums überliefert:

Jesus antwortete ihnen:
Steht nicht geschrieben
in eurem Gesetz (gemeint ist Ps. 82,6)
Ich habe gesagt: ,Ihr seid Götter’?

Wenn man 43. Vers des 4. Kapitels des Lukas-Evangeliums vertraut, war Jesu Mission, wie Jesus von sich selbst sagt,: „Dazu bin ich gekommen, um den Menschen vom Reich Gottes zu künden“. In den verschiedenen Übersetzungen heißt es einmal Himmelreich ein andermal Got-tes- oder auch Königreich.
Im 21. Vers des 17. Kapitel des Lukas-Evangelium heißt es vom Reich Gottes:

Das Reich Gottes kommt nicht so,
dass man es mit den Augen sehen kann,
man wird auch nicht sagen:
Siehe, hier! oder: da!
Denn siehe, das Reich Gottes ist in mitten unter euch.

Eine bessere Übersetzung ist: Das Reich Gottes ist inwendig in euch.

Aber am deutlichsten sagt es wiedereinmal das Thomas-Evangelium mit seinem 3. Logion:

Jesus sprach:
Wenn die, die euch führen, euch sagen:
Seht das Königreich ist im Himmel,
so werden euch die Vögel des Himmels zuvorkommen;
wenn sie euch sagen: Seht, es ist im Meer,
so werden euch die Fische zuvorkommen.
Aber das Königreich ist in euch,
und es ist außerhalb von euch.

Betrachten wir nun einmal Logion 11 des Thomas-Evangeliums:

Als ihr eins wart ,
seid ihr zwei geworden
jetzt aber seid ihr zwei,
was werdet ihr tun?

Schauen wir in Logion 61 des Thomas-Evangeliums was Salome tat:
Jesus sprach:
Zwei ruhen auf einem Bett,
der eine wird sterben, der andere wird leben.
Salome sagte:
Wer bist du, Mann?
Hast du, der aus dem Einen hervorgegangen bist,
nicht mein Bett benutzt
und von meinem Tisch gegessen?
Jesus sagte zu ihr:
Ich bin der, der hervorgegangen ist
aus dem, der gleich ist.
Mir wurde gegeben, was von meinem Vater kommt.
Salome sprach: ich bin deine Jüngerin.
Jesus: Deshalb sage ich dir:
Wenn der Jünger leer ist,
wird er voll Licht sein,
aber wenn er geteilt ist,
wird er voller Finsternis sein.

Was in Login 50 des Thomas-Evangeliums so geht:

Jesus sprach:
Wenn die Menschen euch fragen:
Woher kommt ihr?
So antwortet:
Wir sind aus dem Licht gekommen,
von dort, wo das Licht aus sich selbst geboren ist.
Wenn sie fragen:
Wer seid ihr?
So antwortet:
Wir sind die Söhne
und die Auserkorenen des lebendigen Vaters.
Wenn sie euch fragen.
Welches ist das Zeichen eures Vaters, der in euch ist?
So antwortet:
Es ist Bewegung und Ruhe.

Von dem sagt Platon, dass er der „unbewegte Beweger“ sei.

Johann Wolfgang von Goethe der das Thomas-Evangelium noch nicht kennen konnte, weil es zu seiner Lebenszeit noch im Erdreich von Nag Hammadi schlummerte, sagte in Wilhelm Meis-ters Wanderjahre:

Die wahre Religion besteht in der Erfurcht vor sich selbst.
Das ist die höchste Stufe, zu der ein Mensch geführt werden kann.

Und in Logion 15 des Thomas-Evangeliums heißt es:

Jesus sprach:
Wenn ihr den seht,
der nicht von einer Frau geboren wurde,
so werft euch auf euer Antlitz und betet ihn an.
Er ist es euer Vater.

L. G.
Paolo
 
Werbung:
Zurück
Oben