Monolog der Zeugin:

C

chaya_wien

Guest
Wie schön wäre es die Augen schließen zu können. Ich möchte seinem Gesicht entkommen. Es teilt sich in tausend widersprüchliche Hälften, die ich zu einem Ganzen zusammen setzen und küssen soll, aber meine sind die Hände vorsichtig und schlaff, fern jeder Urgewalt. Warum ist es Liebe geworden, einen Abend lang, ich suchte doch die Ernüchterung und war mir sicher, dies würde mir wie immer anstandslos gelingen.
Aber kaum zu Hause angelangt habe ich schon nach dem Zweiten gerufen und seine Jugend und äußerliche Pracht, erschien mir verheißungsvoller als jede innere Regung. Ich wollte mich noch weitere hunderte Male an ihn lehnen, ungeachtet der Klüfte, des aufgeworfenen Erdreichs zwischen unseren unfähigen Mitten, den Zentren der Versäumnisse. Immer haben wir einander guten Willen in seinen bösesten Ausführungen bewiesen, aber ich wollte nicht weg und zu einem Menschen finden, der lediglich älter ist, ansonsten dieselben Spuren von Unzufriedenheit und Zorn trägt.
Davon unbeschädigt mein Traum in den prächtigsten Farben und der unbedingte Glaube, dass ich gut sein könnte, irgendwann einmal, beim richtigen Gegenüber, von dieser Gewissheit bin ich abhängig, wie sonst gelange ich zur Zuversicht, dass ich endlich den Allerbesten für mich gefunden habe?
Ich habe die Wahl getroffen und trage seitdem ein verkehrtes Weinen in meinem Hals, es lässt sich nicht herunter schlucken, oder wegschlagen. Ich starre den Zweiten an, möchte ihn dort spüren wo der Ältere fest und tief verankert sitzt, ich denke an das Gesagte, wie schön, wie entsetzlich, ich kann mich nicht entscheiden, was es nun tatsächlich für mich war, ich sehe sein weiches Lächeln und mein Bauch antwortet, ich wusste manchmal gar nicht mehr, dass ich so etwas habe, schmal und einzogen; ich schlug die Hände vor mein Gesicht und versuchte alles mit einem Schwall an Worten wegzuschwemmen, fort von mir, aber statt dessen sickerte die Liebe tief in mich ein, ich musste weg, so schnell wie möglich, weg von jenem Ort, es konnte nur der falsche sein und daheim wollte ich den anderen wieder sehen, mich vergewissern, das Richtige getan zu haben und er kam sofort. Es war Mitternacht und ich in höchster Not, aber es half nichts, ich lag da, eine erstarrte, schöne Mimin, aufgebahrt in weicher Schlaflosigkeit, die Stunden vergingen und ich sprach nichts mehr, wund geschlagen von meiner Entscheidung für die Jugend.
Wie konnte mir das passieren, mich in einen verlieben, der schmal und sanft ist, wo ich das Tier begehre, den wüsten Eroberer, der unverzagt meine Grenzen herausfordert, in Frage stellt und schließlich lachend überschreitet?
Ich versuche mich zu retten und sage mir, dass es der Frühling ist, schon heiß und trocken wie ein Sommer, er ist mir in den Kopf gestiegen und hat mich in eine fiebrige Phantasie gestürzt, die sich dummerweise wahr und tief anfühlt. Ein fataler Fall von Irreführung und ich habe gestern den Verstand verloren, den ich nun mühsam wieder finden muss. Bald ist mein Kummer vorbei, natürlich, ich kann die Tage abzählen, es ist kein Verbrechen so zu handeln. Ich bin demjenigen versprochen der seine Hände dorthin legt, wo ich aus Stahl und Eisen bin, reißt und beißt, bis ich schreie, ich kann nicht plötzlich von zarten Küssen in einem Sturm erobert werden, der vorher weder prognostiziert noch geahnt wurde.
Aber all das geschieht und fordert Opfer. Ich blute aus beiden Ohren, sie tragen inwendig eingeschrieben die feinen Stimmungen, die aufeinmal da waren und mich wissen ließen, wie sich die Luft anfühlen kann, so wunderbar leicht und süß, nun ist da ein kühler Zug und mein Taumeln, damit ich nirgends anstreife, ich weiche in hohen Bögen aus und sehe den Zweiten an, der ja der Erste ist, eigentlich, gäbe es da nicht die Jahre, die Narben, die tausend Flüche, in die ich gestürzt wurde, die hundert Lügen, die ich ausstieß, um wieder zu mir zu kommen und mich dabei immer mehr verlor. Gestern sagte ich beinahe alles, vielleicht zu viel, aber es ist jetzt schon wieder gleichgültig, weil ich heute davonlief und mich meiner Liebe entledigte, sie mir aus den Augen kratzte, die so jämmerlich versagt haben, es einige Male mit Verzerrungen und tiefen Schatten versuchten, aber da war es schon zu spät, viel zu spät , darum bemühte ich die Vernunft, die mich nicht enttäuschte und gründlich vernichtete.
Nichts ist übrig, das Band zerrissen, die Liebe ein bescheuerter Überrest, der mich zum Stolpern bringt, eine Achterbahnfahrt, die mir entgleitet und ich habe längst aufgehört zu kreischen, starre stumm und verberge nichts, es wird ohnehin nie eine lästige Frage gestellt, oder genauer hingesehen.
Die Komplimente des Zweiten streifen meinen Schädel, ich ducke mich. Ein Einschussloch. Ich hätte darauf achten sollen, dieses leise Erkennen, auch das hielt ich für einen Irrtum, dabei war es eine letzte Warnung für mich.
Nun. Zu spät. Ich werde mich winden und die Tränen aus dem Nasenloch ziehen, damit sie endlich in der Abendsonne glänzen und mich erinnern.
Wie war noch einmal sein Name?
 
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vielleicht so -
als ich dich in mir sprach, sagtest du außen ein Wort, nur damit ich weiß, dass du weißt, dass das Meer meine Gedankenwellen bis an deinen Strand fortsetzt, und wir an anderen Orten längst auch miteinander lachen

lieben Gruß Atreya :umarmen:
 
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