Donnerstag, 26. Juli 2012
Kampf gegen Korruption
Die unbestechlichen Ärzte
Von Ina Brzoska
Das deutsche Gesundheitssystem begünstigt den Klüngel zwischen Medizinern und Pharmaherstellern. 330 Ärzte verzichten auf große und kleinste Geschenke der Industrie und zahlen für ihre Fortbildungen von Kollegen werden sie oft dafür angefeindet. Jetzt drängen sie auf eine Veränderung der Hochschulausbildung.
Ein Mousepad, auf dem der Name des Pharmaherstellers prangt. Kugelschreiber, Kalender, dann die vielen Hochglanz-Broschüren in fröhlichen Farben, von denen Kinder mit rosigen Wangen lächeln. Wenn Dialysearzt Thomas Lindner, 63, gefragt wird, ob das einen gewissen Einfluss auf die Verschreibungspraxis des niedergelassenen Mediziners hat, platzt die Antwort aus ihm geradezu heraus. "Natürlich hat es das, aber die meisten Ärzte wollen das nicht wahrhaben", sagt er. Er nennt das Beispiel mit dem Mousepad: Täglich guckt der Mediziner darauf, etwa wenn er Medikamente am Computer auswählt. "Das hat durchaus einen Effekt", sagt er.
Lindner ist Dialysearzt, seit 1998 führt er eine Praxis an einer Oberhavel-Klinik. Seine Praxis ist eine Durchlaufstation im positiven Sinne. Jeder seiner 50 nierenkranken Dauerpatienten kommt alle drei Tage vorbei, legt sich für mindestens vier Stunden auf die Liege neben dem Dialysegerät und lässt sich das Blut reinigen. Drei Ärzte, zehn Schwestern und zwei Sprechstundenhilfen arbeiten in Lindners Praxis.
"Man bot sogar Computer an"
Mindestens ein Pharmavertreter pro Tag meldete sich früher an der Rezeption an, um neue Produkte feilzubieten, Geschenke und Proben waren stets im Gepäck. "Als ich hier anfing, mich einzurichten, bot man mir sogar Computer an", sagt Lindner. Ihm wurde immer unbehaglicher, schließlich verbot er den "wirklich sehr netten und sympathischen Verkäufern" den Zutritt zu seiner Praxis, räumte die Reklame aus dem Wartezimmer und trat der unabhängigen Ärztevereinigung Mezis bei.
Mezis ist eine Abkürzung. Sie steht für "Mein Essen zahle ich selbst". Es ist eine Vereinigung von Ärztinnen und Ärzten, die sich frei machen wollen von jedwedem Einfluss der Pharmabranche. 2007 wurde Mezis gegründet, unter anderem von Transparency International und der Buko Pharmakampagne. Inzwischen zählen die Mezis 330 Mitglieder. Angesichts der 280.000 niedergelassenen Ärzte und ihren Kollegen, die an Kliniken arbeiten, ist das ein verschwindend geringer Anteil.