Märchen

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Namo

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"Es war einmal ein Mädchen, das war unmenschlich schön, und das gehörte sich auch, war sie doch die einzige Tochter eines unmenschlich reichen Kaufmannes. Eine wahre Prinzessin war sie, wie man zu sagen pflegt, keine wirkliche, aber durch Schönheit und Reichtum über jede wirkliche Prinzessin erhoben. Sie hatte zahllose Freier und wies sie alle ab, denn entweder waren sie nicht vornehm genug oder nicht reich genug, oder nicht klug genug, oder nicht schön genug. Es war klar, daß für sie nur das aller, allerbeste in Frage kam.
Ihrem Vater machte das Sorge. Obwohl er sich natürlich über ihre Zukunft keine Gedanken zu machen brauchte, hätte er sie doch gern untergebracht, zumal sie mit ihrem Liebreiz und Eigenwillen sein ganzes Haus auf den Kopf stellte. Er war ein kluger und gutherziger Mann, beides mit Maßen, er war halt Kaufmann und kein Märchenprinz; aber daß er mit seinem Handel ungeheuer verdiente, erhob ihn über manchen Prinzen und Grafen.
Als das Mädchen so in den Zwanzigern war, bekam sie endlich doch Lust zum Heiraten, aber kaum getraute sich noch ein Freier hervor. Nicht daß sie Freier, die irgendeine Aufgabe nicht lösen konnten, hätte köpfen lassen, das war verboten, und es kommt nur in solchen Märchen vor, wo es nicht verboten ist. Aber die Freier waren doch weniger geworden, denn es hatte sich herumgesprochen, wie wählerisch sie war, und mancher schreckte ohnehin davor zurück, eine so prinzessinnenhafte Frau zu bekommen.
Nun wohnten ein paar Tagereisen entfernt in einem anderen Königreich drei Brüder, die hörten von der schönen Kaufmannstochter und beschlossen, sich um sie zu bewerben. Der Älteste war außerordentlich lebenstüchtig und reich und hatte es schon zu einem so riesenhaften Vermögen gebracht, daß es sich mit dem des Vaters unserer Kaufmannstochter wohl messen konnte. Der Zweitälteste hatte nicht entfernt so viel, war aber überaus klug und gelehrt, und oft kamen Professoren aus fernen Ländern, um sich seinen Rat zu holen. Der Jüngste endlich war gar nichts und hatte gar nichts, nur seinen Frohsinn, seinen Wagemut und seinen Lockenkopf hatte er, das alles konnte keiner ihm nehmen. Die beiden Älteren rieten ihm ab, überhaupt mitzukommen, da er ja doch keine Aussichten habe, aber er lachte nur und sagte: Kommt Zeit, kommt Rat!
Außerdem war er ein Sonntagskind, und das waren die beiden anderen nicht. Was das Aussehen der drei betrifft, so ist nicht viel darüber zu sagen; sie waren grade keine Götter, aber auch wieder keine Untiere; der jüngste aber war bei weitem der hübscheste.
Als sie nun eintrafen, wurden sie von dem Kaufmann eingeladen und der Tochter vorgestellt, die schöner denn je aussah, so sehr, daß es einem förmlich den Atem verschlug, und sie unterhielt sich mit jedem einzelnen recht ausführlich und freundlich. Bei den beiden Älteren war die Sache ganz klar; aber der Jüngste wußte auf die Frage, was er ihr denn zu bieten habe, keine rechte Antwort, sondern zog sich mit Charme und einem reizenden Scherz aus der Schlinge.
Da sagte die Tochter, sie wolle sich ihre Entscheidung reiflich überlegen, und zog sich drei Tage lang in die Einsamkeit zu
rück. Als sie wieder hervorkam, war sie vom vielen Nachdenken ganz blaß geworden, aber da sah sie womöglich noch schöner aus als zuvor. Dann verkündete sie ihren Spruch und sagte, sie wolle dem Ältesten das Jawort geben, denn der hätte so viel Geld, daß er als einziger in ihre Verhältnisse hineinpaßte, und zusammengelegt hätten sie so viel Geld wie alle beide zusammen. Und außerdem hätte sie es satt, sich immer so zu verhalten, wie es in einem Märchen von ihr erwartet würde.
Da hatten aber die beiden anderen Glück gehabt und zogen befriedigt von dannen."
(MBS)











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