Es ist angerichtet...

K

Karuna

Guest
Das Haus von Hannelore und Nasser Sahlih al- Homoud lag in der besten Wohngegend von Dubai. In einem prächtigen Garten, mit schmiedeeisernem Tor und Wächtern, welches Mohamed gerade mit dem Auto passierte. Hannelore wartete bereits an der Tür.
„Da seid Ihr ja. Ich bin gespannt auf deine Freundin, Mahoud.“
Sie umarmte Stella herzlich. Auch Laila und Nasser al-Homoud wechselten mit ihr ein paar Worte.
Die übrigen Gäste standen in lockeren Gruppen herum und unterhielten sich. Wie Stella erleichtert bemerkte, waren auch viele Ausländer darunter.
Ein Kellner bot auf einem Tablett Gläser mit Orangensaft oder Champagner an. Stella nahm ein Glas Champagner und trank es aus. Laila behandelte viele der Gäste wie alte Bekannte und wie Stella beobachtete, verrieten Lailas Blicke und Gesten, dass diese Gäste schwerreich waren.
„Schau mal rechts!“ Laila berührte unauffällig Stellas Arm, „das ist einer der Al-Sauds, ein Prinz aus dem Königshaus in Saudi Arabien.“
Sie sah sie bedeutungsvoll an und flüsterte: „Prinz Ali Al- Saud ist durch und durch kultiviert und unglaublich reich. Seine einzigen Interessen sind Geld und Frauen.“
Stella musste lachen und fand die Party immer amüsanter, und als wieder ein Kellner mit Getränken kam, nahm sie ein weiteres Glas.
„Da ist also die deutsche Freundin von Mahoud!“
Hannelore stand vor ihr. Eine blonde Schönheit mit blauen Augen, die sie mit unverhohlener Neugier freundlich lächelnd betrachtete.
Hannelore muss weit über vierzig sein, überlegte Stella. Sie lächelte zurück und musste zugeben, dass sie mit allem, was heutzutage kosmetisch machbar war, bedeutend jünger aussah.
„Wie gefällt es Ihnen bei uns in den Emiraten?“, fragte Hannelore.
Stella schien die Prüfung bestanden zu haben. Hannelore zeigte bei ihrer Frage wirkliche Anteilnahme, das merkte Stella, die sich gut in Menschen einfühlen konnte.
„Danke, es gefällt mir so gut, dass mir oft die Worte fehlen.“
„Ich habe es noch miterlebt, als der moderne Teil von Dubai aufgebaut wurde. Seit dreißig Jahren bin ich nun mit Nasser verheiratet. Ich habe es noch keine Stunde bereut.
Sie warf Stella einen bedeutsamen Blick zu. „Ich bin zum mohammedanischem Glauben übergetreten und fühle mich in meiner Freiheit keineswegs eingeschränkt. Nasser ist ein moderner Mensch, er besuchte zusammen mit Mohamed und Mahoud in London die Schule. Ich kenne Mahoud nun auch schon länger als zwanzig Jahre, mein Gott, wie die Zeit vergeht.“
Sie nahm ein Glas Champagner. „Jetzt stoßen wir erst einmal an. Auf gute Freundschaft, Cheers. Und auf die arabischen Männer.“
Sie beugte sich hinüber zu Stella und sagte leise: „Sie sind leidenschaftliche Liebhaber.“

Das Buffet wurde eröffnet. Die beiden Frauen schlenderten langsam zum Speisesaal. Hannelore nahm Stellas Hand und sagte, sie möchte sie nach dem Dinner gerne unter vier Augen sprechen. Dann entschwand er in der Menge.
Der Speisesaal war ein ganz in Karminrot und Gold gestalteter Raum. In der Mitte hatte man Buffets der Superlative aufgebaut, über und über mit den ausgefallensten Gerichten beladen. Da gab es einen gewaltigen Puter, er sprang geradezu ins Auge. Mehrere Hummer und Langusten, Platten mit Meeresfrüchten in außergewöhnlicher Dekoration. Geräucherten Lachs, Kaviar, rohen marinierten Lachs und verschiedene Sushi Platten, Austern auf Eis und eine Vielzahl von Terrinen, Pasteten, Galantinen, Roastbeef und kalten, aufgeschnittene Braten. In der Mitte der endlosen Tafel ergoss sich ein See aus dunkelgrüner Gelatine. Winzige Kräutersträußchen und Schnittlauch dienten als Uferpflanzen. Auf dem See schwammen Schwäne und vermittelten - wie konnte es auch anders sein - den Traum vom Schwanensee.
Während die Gäste über das Buffet herfielen, stand Stella einfach nur da und bewunderte diese Pracht.
„Die Schwäne sind aus Butter geschnitzt“, hörte sie neben sich eine Männerstimme in Englisch sagen, mit dem typischen Akzent, wie ihn Deutsche haben. „Die Platte ist gekühlt, damit die Schwäne nicht schmelzen.“
Stella sah in das Gesicht eines Mannes mittleren Alters, bekleidet mit einer Kochjacke. Auf dem Kopf trug er die Mütze eines Küchenchefs.
„Wir sind eigentlich Kollegen.“ Sie lächelte ihn an, schaute dann auf den aufgestickten Namen seiner blütenweißen Jacke.
„Herr Mittermayer. Sie sind sicherlich Deutscher oder Österreicher“, sagte sie in Deutsch. „Ich heiße Stella Andreatti.“
„Sehr erfreut. Nennen Sie mich einfach Freddy, ich bin aus Vorarlberg.“
„Wer hat dieses Kunstwerk geschaffen, Freddy?“
„Habe es zusammen mit meiner Küchenbrigade gemacht. Die vom Jumeirah Beach Hotel“, erläuterte er. „Ich arbeite dort bereits das dritte Jahr, vorher war ich im Mandarin in Hong – kong.“
„Dann kennen Sie vielleicht einen Freund von mir? Günther Merkel. Der war auch im Mandarin.“
„Ah, der Günther? Ja freilich kenn ich den Günther“, meinte er und schaute sie neugierig an. „Sie sind auch vom Fach?“
„Ich war es“, Stella zuckte mit den Schultern. „Ich besitze ein Gourmet Restaurant an der Algarve mit hochkreativer Küche.“
„Aber sagen Sie Freddy, das geschnitzte Obst und Gemüse sieht nach Thai Küche aus.“
„Wir haben zwei Thai Köche aus dem Oriental in Bangkok in unserer Brigade.“
„Die können fantastisch kochen! Ich habe das Buffet dort auf der Terrasse genossen, aber Ihres ist noch besser.“
„Alles eine Frage des Geldes.“ Er grinste. „Die Araber schwimmen in Öl und Geld. Sie können sich fast alles leisten. So macht das Kochen Spaß. Ich brachte damals einige Kollegen aus Österreich mit. Ist schon ein super Arbeiten.“
„Um noch einmal auf mein Restaurant zurück zu kommen: ich meinte eine leichte Küche mit mediterranem Einfluss, keine schweren Saucen der klassischen Küche. Eines Escoffier etwa.“
„Ah, Sie meinen ‘Monsieur noch ein Deka Butter mehr, bitte‘?“, er lachte herzlich und schwärmte: „Für mich gibt es nur einen. Das ist Allain Ducasse. Er ist zur Zeit der Beste und einfach Spitze.“
„Allain Ducasse, genau, der ist es. Ich denke, wir haben den gleichen Geschmack.
Jemand aus Freddys Küchenbrigade kam und stellte Fragen bezüglich des Buffets. Freddy entschuldigte sich bei Stella und gab seinem Kollegen kurz Anweisungen über den Nachschub der Platten. Dann wendete er sich ihr wieder ihr zu.
„Ja, der Allain Ducasse“, sagte Freddy ganz andächtig. „Sein Loup de Mer mit Kapern! Ist in meinen Augen eines der besten Fischgerichte, die ich kenne.“
„Sie meinen den Loup mit zwei Saucen? Hm... eigentlich so betörend einfach.“
„Für die Kapernsauce nimmt er stark reduzierten dunklen Glace de Viande.“
„Aber der Fischfond für die helle Fischsauce muss astrein sein“, erwiderte sie lebhaft.
„Bei mir kommen nur Gräten vom Steinbutt oder Seezunge hinein und ein trockener Chablis.“
Es war, als könne nichts diesen Augenblick verderben und ihre Stimmung dämpfen, eine Stimmung, entstanden zwischen zwei Fremden, die sich durch ihren Beruf und ihren gleichgesinnten Geschmack nah waren.
„Warum haben Sie aufgehört zu kochen, Stella?“
„Ich bin ein wenig müde und habe private Veränderungen.“
„Verstehe. Bei unserem Job bleibt das Privatleben halt oft auf der Strecke.“

Aus "Kismet"
Text von Karuna :kiss3: :kiss4: :kiss3:
 
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