Askese oder Agieren

diabolo

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> Das Wort GOTT ist also ein Urlaut. So wie wir Ohh ! machen (beim Orgasmus)
> und Ach ! (wenn wir ploetzlich mit einem Todfeind konfrontiert werden. Das
> Ploetzlich ist auch das wesentliche an der Erleuchtung, die den Mystiker
> ploetzlich (exaiphnes) vertummen laesst. Ueberraschung !

Da wäre die Frage ob sich die Psychoanalyse und die Psychoanalytiker im
Laufe der Zeit hinanalysieren werden zur Erleuchtung,
zum Urlaut und zum Verstummen. Wenn die Psychoanalyse einmal verstummt, ob
sie dann erleuchtet sein wird?

In der Psychoanalyse gibt es zwei Richtungen, die eine soll mit Ferenczi
begonnen haben und beruht im Gegensatz zur klassisch Freudschen Analyse auf
der Wiederholung der Wiederholungen und der korrigierenden emotionalen
Erfahrung. Hier ist also das Agieren und kathartische Entladung gefragt und
die von früheren Erfahrungen abweichende Reaktion der Umgebung die
psychische Veränderungen ermöglichen soll. Eine solche Therapie lebt die
Emotionen mehr aus als sie zu analysieren und das Schwergewicht liegt eben
auf der veränderten Reaktion, ist also normalem Verhalten noch sehr nahe,
nur daß dort eben Agieren und Reaktion gleich bleibt und es nicht um
Korrektur geht, obwohl die natürlich auch im normalen Leben, etwa bei
Partnerwechsel spontan abläuft.

Die andere Richtung versucht nun ein asketisches Prinzip zur Geltung zu
bringen, indem sie versucht das Agieren der Wiederholung zu hemmen, zu
unterlassen und die mit dem drängenden Wiederholungsimpuls verbunden Affekte
und Vorstellungen analysiert, also etwa auf infantile libidinöse
Zusammenhänge hin untersucht um diesen infantilen Hintergrund bewußt zu
machen. Nun wird behauptet der Primärprozeß funktioniere ganz nach dem
Lustprinzip und der Sekundärprozeß bringe erst diese hemmende und Unlust in
Kauf nehmende asketische Leistung zustande. Es stellt sich hier die Frage ob
das ES und das Kleinkind wirklich einem solch puristischen Lustmodell folgt
oder ob hier diskriminierende Projektion auf das ES und auf das Kind eine
Rolle spielen, die letztlich auch nur der Seelen- und Triebabwehr dienlich
ist. Ist das ES wirklich so ein reiner Lustmolch und Unlustvermeider oder
sehen wir vernünftigen Großkotze dies nur in das ES hinein?

Teilweise wurde in den frühen Analysen sexuelle Abstinenz verlangt, sodaß
wohl keiner ernstlich wiedersprechen kann, in der Analyse würde Askese eine
Rolle spielen. Wenn ich sexuellen Impulsen nicht folge, betreibe ich schon
ein Stückchen Askese. Da die meisten von uns sexuell mehr oder minder
beschränkt oder eingeschränkt sind sind wir auch alle mehr oder weniger
Asketen obwohl wir davon ja nicht viel halten und daß Wort in der
Psychoanalyse wohl auch nicht verwenden. Ein zweite Säule asketischer
Bemühungen ist der Nahrungsverzicht, auch dies ist Triebverzicht und ich
habe den Eindruck, daß der für die meisten Deutschen wesentlich angstvoller
besetzt ist, als der sexuelle Triebverzicht den schon die alltägliche Arbeit
uns abverlangt.

Wenn man nun in der Psychoanalyse etwa sexuelle Wiederholungen hemmt um sie
besser analysieren, den Übertragungscharakter bloslegen, usw. zu können, so
müßte einem doch gleich einleuchten, daß eine Psychoanalyse wesentlich
effektiver würde, wenn man nun insgesamt eine asketische Haltung als
Grundlage der Analyse einüben würde. Verzicht als Prinzip einüben. Dies ist
viel einfacher als die Meisten von Verhungerungsängsten Geplagten sich dies
vorstellen können. Am optimalsten lernt man dies natürlich in Fastenperioden
die man (besser unter Anleitung) bis zu 6 Wochen durchführen kann, aber als
Dauerlösung bietet sich eine vegetarische Ernährung an, die als Grundlage
einer asketisch bejahenden Lebensführung hervorragend geeignet ist.

Im Grunde ist es ein ziemlicher Masochismus etwa sexuelle Verhaltensweisen
analysieren zu wollen und gleichzeitig Fleisch zu essen. Fleisch ist ein
ziemliches
Aphrodiasikum (Ein Stück Lebenskraft), macht geiler und verstärkt den
triebhaften
Aspekt der Begierden und dieses aufgegeilte Triebleben soll und will man
dann analysieren.
So wird Psychoanalyse nur erschwert und schwerer gemacht weil das
Ernährungsverhalten
dem Willen zu analysieren geradezu zuwieder läuft. Man muß etwas bremsen und
analysieren
und gleichzeitig geilt man diese Kräfte noch auf, sodaß alles viel
schwieriger wird zu bearbeiten.

Vermutlich liegt es an diesen gegensinnigen Kräften, daß die Psychoanalyse
zwar Affekte, Triebe, sexuelle Impulse analysiert,
aber ich habe noch nie gehört, daß sie mal über diese an sich niedere Sphäre
des Seelenlebens mal hinausgekommen wäre, denn man kann auch das Denken
selber zum Gegenstand der Analyse machen und der Beobachter des eigenen
Denkens werden, wobei auch hier wieder das asketische Prinzip wirksam werden
muß. Auch hier muß man einen gewissen Triebverzicht leisten, denn auch das
Denken wird getrieben von innen her und dieses Denken wiederum beobachten
analysieren und hinterfragen.

Bei Rudolf Steiner kann man über diese Beobachtung des eigenen Denkens
etliches lesen und der konnte dies auch nur schreiben weil er als Vegetarier
in diese höhere Sphäre des Seelenlebens wachsen und dort tätig werden
konnte. Mit solchen Denkmethoden bzgl. des Denkens kann man dann schon mal
in die höheren Einsichten gelangen, was denn der Todestrieb eigentlich ist
und warum Askese als eigenständiges Lebensprinzip von wesentlichster
Bedeutung ist. Der Todestrieb entpuppt sich dort als Bewußtwerdungstrieb
und wenn man dies versteht, ist auch gleichzeitig klar, warum Psychoanalyse,
die ja bewußt machen will, natürlich partiell im Dienste eines so
verstandenen Todestriebes steht.

Der Todestrieb steht wie ein eigenständigs Prinzip (yin) dem Lebenstrieb
(yang) gegenüber. Wir haben in den Therapien und in der Psychoanalyse die
beiden großen Richtungen , die asketische Richtung will bewußtmachen und
analysieren, das ist die klassische Psychoanalyse und dem gegenüber steht
die ausagierende Seite die logischerweise korrigieren will, psychodynamisch
wirksame korrigierende emotionale Erfahrungen machen möchte. Das ist alles
legitim.

Warum aber hat die klassische Psychoanalyse das asketische Prinzip aber nur
so partiell und halbherzig durchgeführt? Sie behauptet von dem ES es sei
puristisch lustorientiert, die Aufgabe des ICH der Sekundärprozesse, bestehe
nun darin, das Gegenteil, nämlich Unlustereignisse zu realisieren und zu
ertragen um an den realen Bedingungen sich anzupassen und dadurch
schließlich noch mehr Lust zu erlangen. Die das am besten können, kriegen
dann einen der zuletzt genannten Stühle, heilige Stühle, Lehrstühle,
Therapeutenstühle, es gibt natürlich noch viel mehr Stühle!"

Nun die These wäre, daß das Ich hier zwar seine überhebliche
Eigenständigkeit wahren möchte und das ES der puristischen Lustorientierung
beschuldigt, um sich selber gegenüber dem ES zu erhöhen, daß aber dieses Ich
in Wirklichkeit ein Sklave genau jenes Lustprinzips bleibt, welches es dem
ES zu Recht oder auch zu Unrecht unterstellt. Das Ich ist nur schlau genug,
daß es gewissen Unlustereignisse in Kauf nehmen muß es bleibt aber dem Trieb
völlig verhaftet und es stellt sich mir für die Zukunft die Frage ob die
diskriminierende Ansicht über das ES wirklich aufrecht zu erhalten ist.

Warum macht es sich die Psychoanalyse also nicht einfach und kultiviert das
asketische Prinzip um schneller und leichter zu umfassenderer Bewußtwerdung
zu gelangen um neben den psychodynamischen Aspekten, Emotion und Sexualität
auch die geistige und spirituelle Bewußtseinsspäre zu erforschen, die latent
sowieso in jedem Menschen vorhanden ist. Freilich es würde sich
herausstellen, daß der Oedipuskomplex, verfestigt in Theorien, selber nur
ein Traum ist, den man deuten und viel grundlegender verstehn kann, es
würden sich andere und tiefere Sichtweisen hinsichtlich der kindlichen
Libido, der kindlichen Sexualität ergeben,
es könnte vertieftes Verständnis erlangt werden über das was hinter dem
ozeanischen Gefühl wirkt usw usw.


Diabolo
 
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