Was versteht man unter Gnosis?

Lüdemann/Jansen (1997) drücken es in ihrem Buch "Unterdrückte Gebete - Gnostische Spiritualität im frühen Christentum" folgendermaßen aus:

Die Entwicklung im frühen Christentum verlief nicht eingleisig. Neben der katholischen Kirche des zweiten Jahrhunderts, auf die der neutestamentliche Kanon letztlich zurückgeht, gab es christliche Gruppen, deren Literatur infolge planmäßiger Ausmerzung durch katholische Bischöfe nur trümmerhaft erhalten ist. Zu ihnen gehören die Gnostiker, die als Ketzer gebrandmarkt, unterdrückt und mitsamt ihren Anhängern ausgerottet wurden.
Die Gnostiker folgten also nicht dem Mainstream-Glauben der damaligen weltlich-materialistisch orientierten Kirche. Sie hielten trotz Verfolgungen durch die Kirche an ihren ursprünglichen Lehren fest.

Unter Gnosis versteht man eine religiöse Strömung, die in der Spätantike ihren Höhepunkt hatte. Das griechische Wort »Gnosis« bedeutet »Erkenntnis«. Die Erkenntnis ist für den Gnostiker in erster Linie Selbsterkenntnis: Die Seele des Menschen ist himmlischen Ursprungs. Durch einen Fehltritt einer göttlichen Macht entstand die Welt, die – wie alles Materielle – fehlerhaft ist.
Das trifft es so ziemlich auf den Punkt. Wir sehen, dass der Ursprung des Wortes 'Gnosis' viel weiter in die Geschichte zurückgeht und schon die Philosophen des alten Griechenlands etwas davon verstanden. Aber auch sie waren nicht die Ersten, denn es gab zu allen Zeitaltern große Seelen, die dieses Wissen unter den Menschen verbreiteten (vgl. Ägypten & Indien). Jesus war also bei weitem nicht der erste Meister, der den Menschen Wissen und Erlösung gebracht hat. Aber er war eben DER Gesandte des Göttlichen der damaligen Zeit.

Der Weg der Erlösung geht ausschließlich über den Weg der Selbsterkenntnis: Mensch erkenne dich selbst. Der wahre Kern des Menschen ist Seele und als Tropfen des göttlichen Bewusstseins ein Teil von Gott ... Gott selbst. Aber aufgrund von Maya (tiefer Illusionen) können wir uns nicht selbst erkennen. Die unteren drei Ebenen scheinen tatsächlich durch einen Fehltritt einer göttlichen Macht ins SEIN gekommen zu sein ... die Kabir mit "Kal" bezeichnet (= erhaltende/negative Kraft; Zeit). Ich würde aber nicht sagen, dass diese Welt und alles Materielle "fehlerhaft" sind. Das ist doch etwas unglücklich ausgedrückt. Das Materielle ist nämlich so wie es ist doch ziemlich ausgereift. Verglichen mit den spirituellen Reichtümern ist es aber immer unvollkommen. So würde ich es ausdrücken; 'Durch einen Fehltritt einer göttlichen Macht entstand die Welt, die – wie alles Materielle – UNVOLLKOMMEN ist' (vgl. vorheriger Blogeintrag über die Erschaffung der Welt). Und abgesehen von diesem Fehltritt der göttlichen Macht ist es dennoch immer Gott, der sich selbst in alles Äußere hineingibt, es zum Leben bringt ... und dadurch in etwas sehr sehr Schönes verwandelt.

Warum ist die Welt unvollkommen? Als eines der schwerwiegendsten Probleme könnte man wohl jenes der Sterblichkeit sehen. Das liegt an den wirkenden Kräften Brahma, Vishnu und Shiva, die unter dem Einfluss Kals nicht anders können als fortwährend zu wirken. Shiva ist nun mal die zerstörerische Kraft und deswegen sind wir irgendwann dazu gezwungen den Körper aufzugeben, weil die "zerstörerischen" und abbauenden Kräfte stärker werden als die erhaltenden. Alle drei wirken immer gleichzeitig auf uns ein, aber in jeweils unterschiedlicher Intensität. Wir können also nicht ewig auf der Erde leben noch auf einer der nächsthöheren zwei inneren Ebenen ewige Glückseligkeit erlangen. Sie alle sind alle dem Verfall unterworfen. Auch wenn die Seelen es dort noch so schön haben, werden sie in aller Härte aus diesen Regionen geworfen, spätestens am Tage der großen Auflösung.

Daneben gibt es natürlich noch viele andere Nachteile in der physischen Welt ... sie wird immer ein Auf und Ab bleiben, auch wenn sich aus heutiger Sicht viele Dinge verbessern werden und auch diese Welt eine Welt des Herzens werden kann.

Die göttliche Seele ist in dem materiellen Körper gefangen und hat ihre wahre Heimat vergessen. Durch den Ruf des Erlösers, den die christlichen Gnostiker mit Jesus gleichsetzen, erwacht die Seele aus ihrem Schlaf und ihrer Trunkenheit. Sie wird über ihre Herkunft und ihren Fall belehrt. Diese Erkenntnis bringt ihr Erlösung und läßt sie wieder eins werden mit dem Pleroma (=Fülle), aus dem sie stammt.
Ja, der Ruf des Erlösers ist die einzige Möglichkeit für die Seele in ihre wahre Heimat zurückzukehren. Aber die intellektuelle Erkenntnis alleine bewirkt nicht das Geringste. Der Bräutigam muss kommen, um der Braut (= die Seele) zu helfen sich von allen weltlichen Verstrickungen zu befreien. Die Seele ist wie eine Fliege im Netz der Materie und 5 Sinne gefangen und ist auf Hilfe von außen angewiesen ... alles nachzulesen in der Exegese der Seele. Leider nur mehr auf dieser Englischen Site und nicht mehr auf Deutsch verfügbar, weil wirtschaftliche Interessen zu überwiegen scheinen.

Auf www.gnosis.org wird sehr gut beschrieben, dass die Griechen zwischen zwei Formen der Gnosis unterschieden. Die eine war rein intellektuellen Ursprungs während die andere auf direkter Erfahrung beruhte.

It is this latter knowledge gained from interior comprehension and personal experience that constitutes gnosis.

übersetzt heisst das in etwa: Letztere Erkenntnis, welche von innerem Verständnis und persönlicher Erfahrung getragen wird, ist das was Gnosis ausmacht.

lg
Topper:umarmen:

Kommentare

Hi Topper,

den Text zur Gnosis find ich echt stimmig. Das Wort Gnostik gefällt mir sowieso. Ich nehme es zum Anlass, mich da mal weiter zu informieren. Danke.

LG, Sara
 

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TopperHarley
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