Geld, welches durch alle Hände geht.
Entrichtet, um sich die Erlaubnis eines Königs, Staates oder Landlords zu erkaufen, über dessen Grenze gehen oder über sein Land fahren zu dürfen.
Oder – über eine Brücke zu gelangen – auch um Waren von A nach Z zu bringen.
…da muss dann vom Mund abgespartes Münzgeld einzeln aus der nicht allzu dicken alten Geldkatze am Gürtel genommen und mit schwieligen Händen herausgefischt werden, alte und vom vielen Arbeiten krumme Finger, unter den ungepflegten und teilweise an den Rändern gesplitterten Nägel sind die schwarzen Schmutzränder zu sehen.
Langsam und mit mühsam gestreckt und gespitzten Fingern ergriffen, kommen die matt glänzenden Silberlinge einzeln aus dem abgewetzten Lederbeutel, liegen warm in der ledrigen Innenhand und werden von der gehöhlten Hand in die andere Hand geschutzt, hin und her, ein paar Mal, so, als würden die paar Münzen ungern aus diesen verarbeiteten Händen weiter gereicht, in schon wartende, nächste Hände abgegeben.
Weiter vorn am grossen Tisch in der Ecke beim heissen Ofen hält ein einarmiger Mann mit heller Fellmütze seinen hellen Beutel über den Schragen aus Fichtenholz, öffnet mit einer geschickten Bewegung seiner einzigen Hand die Beutelschnur, kippt den Beutel aus, lässt schnell den Inhalt herausrieseln, den Münzstrom auf das braune Holz herniederprasseln. Mit klickernden Lauten fallen die unterschiedlichen Münzen aufeinander, rollen, rutschen, manche kommen auf der Kante zu stehen, drehen sich dann rasend schnell um sich selbst, bis Ruhe einkehrt.
Den Blick fest auf seinen Münzhaufen gerichtet, tritt der Einarmige 2 Schritte zurück und lehnt sich nach dem kurzen Schnauber des Brückenwärters sichtlich zufrieden an den Holzpfeiler in der Mitte des Raumes, stemmt seinen rechten Stiefel mit dem Absatz fest nach hinten an das Holz des Pfeilers, um dann mit einem Ruck seinen kantigen bartlosen Kopf zu wenden und einen abschätzigen Blick auf den alten Mann zu werfen.
Mit konzentrierter Mine im wettergegerbten Gesicht, die Augen leicht zugekniffen, damit das einzig verbliebene scharfsehende braune Auge genau wahrnehmen kann, welche Münzen nun auf dem buckligen Holztisch liegen, und ob das Geld für den Wegezoll schon genügt, zählt nun der gebeugte alte Mann die Silberlinge einzeln und sorgfältig auf die ungehobelten Bretter des Tisches, solange, bis ein zufriedenes Knurren ertönt und ein kurzes Nicken des Brückenwärters hinter dem Tisch zu sehen ist.
Erleichtert – sowohl um viele Münzen, als auch im Gemüt, ob der Zustimmung des Brückenwärters, ziehen sich die schwieligen Hände langsam vom Holz des Tisches zurück und beschäftigen sich sodann mit dem sorgfältigen Verschliessen der nun deutlich schmäleren Geldkatze.
Ein Stuhl wird knarzend nach hinten gerückt, kommt zum Stehen, schwere Schuhe schlurfen über die nassen, lehmverschmutzten Dielen, eine kräftige, rosig anmutende Männerhand mit einem goldenen Ring am kleinen Finger greift nach dem langen, blank gewetzten, dünnen Stock in der Ecke.
Die schwieligen Hände haben derweil ihre knifflige Arbeit des Zubindens verrichtet, und verschwinden nun in den tiefen Taschen der oft geflickten Filzjacke.
Ein klein wenig Wärme.
Das Schlurfen vervielfacht sich, und die verrosteten Eisenscharniere der alten Türe quietschen erbärmlich, als sie das schwere Holzstück zur Öffnung bewegen, die dicke, schwarze Klinke von starker Hand nach Innen gezogen. Ein ringsum abgestossener Türrahmen wird sichtbar und beide Männer schreiten über das ausgetretene Holz der Schwelle nach Aussen, verlassen nacheinander die Brückenstube, der Brückenwärter geht als Erster.
Kalt ist es und die weissen Atemwolken der beiden unterschiedlichen Männer sind gut zu sehen. Nebeneinander gehend bewegen sie sich schweigend um die grossen Wasserpfützen herum zum zusammengeflickten Schubkarren des alten Händlers.
Nein, es ist kein Händler.
Es ist ein alter Bauer, der seinen Wintervorratskäse in die Stadt hinter der Brücke karren will, in der Hoffnung, den Jahreskäse von der letzten ihm noch verbliebenen Kuh für einigermassen gutes Geld verkaufen zu können.
Er hat schon einen weiten Weg vom Tal herauf gemacht, viele Stunden sind vergangen, seit er mit seiner Schubkarre vom kleinem Gehöft aufgebrochen ist.
Die schwieligen Hände krampfen sich in der Tasche zusammen, als der Brückenwärter den alten Kartoffelsack von der verwitterten Schubkarre abzieht, mit einem Ruck, ohne auf das Geräusch von zerreissendem Stoff zu achten, und dann beginnt, das Innere der alten Karre auf Verbotenes zu überprüfen.
Der Blick der blauen Augen wird nun streng und die buschigen Augenbrauen des Wärters ziehen sich über seiner Nasenwurzel zusammen – hoffentlich lässt er den Bauersmann mit seiner Ware frei über die Brücke in die Stadt ziehen.
Bange Momente, während der Wärter mit seinem langen blanken Stock das vom vielen durchgetropften Schneeregen schon feucht gewordene Stroh um den grossen gelbbraunen Käselaib wegschiebt, dann beginnt, um und an dem Laib herumzustochern, herumpiekst, fast so, als würde er ihn damit aufscheuchen wollen.
Die schwieligen Hände haben sich nun in den tiefen Taschen zusammengezogen, sind zu Fäusten geballt. Wenn der Wärter den wunderbar duftenden Laib nun beschlagnahmt – der alte Mann atmet tief ein.
Alles liegt nun in Gottes Hand.
Er wartet.
Dann – die Erleichterung.
Der Brückenwärter nickt dem alten Manne kurz zu, rückt sich seine blaue Mütze auf dem Kopf zurecht und schlurft durch den Schneematsch zurück in sein warmes Brückenhaus, stemmt sich gegen das sich widerstrebend öffnende Holzstück, verschwindet im Haus, krachend fällt die Tür ins Schloss.
Die Fäuste öffnen sich und die krummen Finger werden lang, entspannen sich ein wenig, während der Bauer nun tief Atem schöpft. Langsam kommen sie aus den wärmenden Taschen seiner braunen Filzjacke, ordnen sodann sorgfältig das feuchte Stroh um den Käselaib, richten dann die grossen Fetzen des Kartoffelsackes sorgfältig als armseligen Schutz über Käselaib und Karre.
Alsbald ergreift der alte Mann die Holme der Schubkarre, hebt sie an und schiebt sie kräftig auf die ungedeckte Brücke zu.
Wieder etwas mehr Hoffnung.
Wie schon so oft und so viele Male vorher überlegt er angestrengt, während er mit der schweren Schubkarre über die dicken, rumpelnden Planken der Brücke geht, wenn er den ganzen Käse auf dem Markt morgen in der Früh verkaufen kann, wird es ihm möglich sein, vom Erlös die teure Medizin für sein krankes Weib zu kaufen, damit sie endlich von ihrem elenden Krankenlager aufstehen möge.
Kummerfalten erscheinen nun in seinem dunklen Gesicht, kurz werden seine braunen Augen vom Wasser trüb, diese Frau ist alles was er je im Leben liebgewonnen hat, er mag sie nicht an den Schwarzen Mann verlieren.
Die Sonne ist nun fast bis zum Horizont hinabgesunken und es beginnt schnell einzudunklen.
Leichter Schneefall setzt ein. Er geht schneller, strengt seine Beine und seinen alten Leib an, das Stadttor wird bei Sonnenuntergang geschlossen und er muss es vorher schaffen.
Eine Nacht ohne die lebensspendende Wärme des Feuers und ohne Schutz vor allerlei Raubgetier – menschlich oder tierisch - würde er nicht überleben. Nicht mehr.
Er braucht noch einen Schlafplatz in der Stadt für die Nacht. So will er bei den Kirchenleuten anklopfen und um einen warmen Platz im Stall bei den Kühen und Ziegen bitten - und vielleicht auch einen Kanten Brot oder eine Kelle Suppe von ihnen erbetteln.
Knarrend bewegt sich sein Gefährt von der Brücke auf den gepflasterten Weg - das offene Tor ist nun ganz nahe.
Helles Geläut ist zu hören, die Stadtbewohner wissen, dass sich das Tor sehr bald schliessen wird und die paar Menschen, die sich in der nun einsetzenden Dämmerung noch vor der Mauer aufhielten, eilen nun schnellen Schrittes durch den grossen Eisenbogen in die Sicherheit der mauergeschützten Stadt.
Der letzte Mensch passiert das Tor - der alte Bauersmann hat es mit seiner Schubkarre und dem Käse unbehelligt in die Stadt geschafft. Aufatmend setzt er die Karre am Brunnen auf dem Marktplatz ab, richtet sich auf, streckt seinen alten Rücken soweit es geht und lehnt sich dann vorsichtig über das halb mit durchsichtigem Eis überzogene Brunnenbecken, um mit der angeketteten Kelle einmal Wasser daraus zu schöpfen, das sehr kalte, jedoch überaus köstliche Wasser in seinen Mund fliessen zu lassen und dort ein wenig anwärmen und schliesslich in kleinen Schlucken zu verkosten.
Während er das Wasser geniesst, schliesst sich das schwere Eisentor langsam, je 5 Männer an einem Torflügel schieben und stossen unter rhythmischen Rufen die beiden schweren Türflügel zueinander. Als das Tor mit lautem Krachen geschlossen ist, werden von der rechten Mauerseite 5 dicke Holzstämme als Querverriegelung vor das innere Tor geschoben. Geschäftig schwatzend und miteinander scherzend verlassen die 10 kräftigen Männer in kleinen Grüppchen den Torplatz, gehen in verschiedene Richtungen auseinander.
Das letzte Restlicht der Sonne ist nun erloschen und die Stadt fällt ins Dunkle. Nur spärlich erleuchtet sind die Gassen und engen Strassen vom flackernden Licht der nun von einigen Stadtbürgern angezündeten Fackeln.
Der Schneefall ist wieder stärker geworden und der Bauer klopft den gefallenen Schnee von seiner Kleidung, stampft ein wenig mit seinen kalten Füssen in den harten Schuhen im Schnee umher und reibt sich seine klammen Finger, versucht sie mit seinem Atem warm zu pusten.
Er hatte nicht gedacht, dass es hier oben schon so kalt sei, dass er seine Fäustlinge bräuchte, im Tal ist es noch warm.
Hohe Zeit für ein wärmendes Lager.
Entschlossen packt er mit seinen kalten Händen die Holme seines Schubkarrens, hebt sie an und schiebt die Karre durch den frisch gefallenen Schnee um den Brunnen herum in die kleine Gasse, von der noch von seinem letzten Besuch weiss, dass sie ihn dorthin leiten wird, wo er sein Ziel weiss.
Es muss gelingen – das Leben seines geliebten Weibes liegt in seiner Hand, auch sein Wohlergehen hängt am Verkauf des Käselaibes. Und schnell muss es gehen – lange kann er seine ans Lager gefesselte Frau nicht mehr im Haus des kräuterkundigen Weibes belassen, das Dorf ist aufgewiegelt und er weiss nicht, wie lange die Bewohner noch friedlich bleiben.
Knarrend spurt sich das Rad der alten Holzkarre eine schmale dunkle Spur im weichen, nun fast schon knöchelhohen Schnee, langsam holpert die alte Karre um die Ecke des blauen Hauses.
Fast verschmolzen ist sie mit der gebeugten Gestalt das alten Bauern, der sie mit festem Tritt den Berg voranschiebt, seine dunkle Kleidung lässt ihn noch etliches kleiner wirken.
Im spärlichen Licht der paar Aussen an den Häusern angebrachten Fackeln bewegt sich seine im dichten Schneefall nun mehr und mehr undeutlich gewordene Gestalt die Gasse hoch, im Harsch knirschenden Schritte und das Knarren des grossen Holzrades hallen gedämpft zwischen den Häuserreihen, immer leiser werdend.
Irgendwo weiter oben am Hang biegt er dann mit seiner schweren Schubkarre in die Seitengasse ab, die ihn direkt zu den Kirchenleuten führt und ist nicht mehr zu sehen.
Entrichtet, um sich die Erlaubnis eines Königs, Staates oder Landlords zu erkaufen, über dessen Grenze gehen oder über sein Land fahren zu dürfen.
Oder – über eine Brücke zu gelangen – auch um Waren von A nach Z zu bringen.
…da muss dann vom Mund abgespartes Münzgeld einzeln aus der nicht allzu dicken alten Geldkatze am Gürtel genommen und mit schwieligen Händen herausgefischt werden, alte und vom vielen Arbeiten krumme Finger, unter den ungepflegten und teilweise an den Rändern gesplitterten Nägel sind die schwarzen Schmutzränder zu sehen.
Langsam und mit mühsam gestreckt und gespitzten Fingern ergriffen, kommen die matt glänzenden Silberlinge einzeln aus dem abgewetzten Lederbeutel, liegen warm in der ledrigen Innenhand und werden von der gehöhlten Hand in die andere Hand geschutzt, hin und her, ein paar Mal, so, als würden die paar Münzen ungern aus diesen verarbeiteten Händen weiter gereicht, in schon wartende, nächste Hände abgegeben.
Weiter vorn am grossen Tisch in der Ecke beim heissen Ofen hält ein einarmiger Mann mit heller Fellmütze seinen hellen Beutel über den Schragen aus Fichtenholz, öffnet mit einer geschickten Bewegung seiner einzigen Hand die Beutelschnur, kippt den Beutel aus, lässt schnell den Inhalt herausrieseln, den Münzstrom auf das braune Holz herniederprasseln. Mit klickernden Lauten fallen die unterschiedlichen Münzen aufeinander, rollen, rutschen, manche kommen auf der Kante zu stehen, drehen sich dann rasend schnell um sich selbst, bis Ruhe einkehrt.
Den Blick fest auf seinen Münzhaufen gerichtet, tritt der Einarmige 2 Schritte zurück und lehnt sich nach dem kurzen Schnauber des Brückenwärters sichtlich zufrieden an den Holzpfeiler in der Mitte des Raumes, stemmt seinen rechten Stiefel mit dem Absatz fest nach hinten an das Holz des Pfeilers, um dann mit einem Ruck seinen kantigen bartlosen Kopf zu wenden und einen abschätzigen Blick auf den alten Mann zu werfen.
Mit konzentrierter Mine im wettergegerbten Gesicht, die Augen leicht zugekniffen, damit das einzig verbliebene scharfsehende braune Auge genau wahrnehmen kann, welche Münzen nun auf dem buckligen Holztisch liegen, und ob das Geld für den Wegezoll schon genügt, zählt nun der gebeugte alte Mann die Silberlinge einzeln und sorgfältig auf die ungehobelten Bretter des Tisches, solange, bis ein zufriedenes Knurren ertönt und ein kurzes Nicken des Brückenwärters hinter dem Tisch zu sehen ist.
Erleichtert – sowohl um viele Münzen, als auch im Gemüt, ob der Zustimmung des Brückenwärters, ziehen sich die schwieligen Hände langsam vom Holz des Tisches zurück und beschäftigen sich sodann mit dem sorgfältigen Verschliessen der nun deutlich schmäleren Geldkatze.
Ein Stuhl wird knarzend nach hinten gerückt, kommt zum Stehen, schwere Schuhe schlurfen über die nassen, lehmverschmutzten Dielen, eine kräftige, rosig anmutende Männerhand mit einem goldenen Ring am kleinen Finger greift nach dem langen, blank gewetzten, dünnen Stock in der Ecke.
Die schwieligen Hände haben derweil ihre knifflige Arbeit des Zubindens verrichtet, und verschwinden nun in den tiefen Taschen der oft geflickten Filzjacke.
Ein klein wenig Wärme.
Das Schlurfen vervielfacht sich, und die verrosteten Eisenscharniere der alten Türe quietschen erbärmlich, als sie das schwere Holzstück zur Öffnung bewegen, die dicke, schwarze Klinke von starker Hand nach Innen gezogen. Ein ringsum abgestossener Türrahmen wird sichtbar und beide Männer schreiten über das ausgetretene Holz der Schwelle nach Aussen, verlassen nacheinander die Brückenstube, der Brückenwärter geht als Erster.
Kalt ist es und die weissen Atemwolken der beiden unterschiedlichen Männer sind gut zu sehen. Nebeneinander gehend bewegen sie sich schweigend um die grossen Wasserpfützen herum zum zusammengeflickten Schubkarren des alten Händlers.
Nein, es ist kein Händler.
Es ist ein alter Bauer, der seinen Wintervorratskäse in die Stadt hinter der Brücke karren will, in der Hoffnung, den Jahreskäse von der letzten ihm noch verbliebenen Kuh für einigermassen gutes Geld verkaufen zu können.
Er hat schon einen weiten Weg vom Tal herauf gemacht, viele Stunden sind vergangen, seit er mit seiner Schubkarre vom kleinem Gehöft aufgebrochen ist.
Die schwieligen Hände krampfen sich in der Tasche zusammen, als der Brückenwärter den alten Kartoffelsack von der verwitterten Schubkarre abzieht, mit einem Ruck, ohne auf das Geräusch von zerreissendem Stoff zu achten, und dann beginnt, das Innere der alten Karre auf Verbotenes zu überprüfen.
Der Blick der blauen Augen wird nun streng und die buschigen Augenbrauen des Wärters ziehen sich über seiner Nasenwurzel zusammen – hoffentlich lässt er den Bauersmann mit seiner Ware frei über die Brücke in die Stadt ziehen.
Bange Momente, während der Wärter mit seinem langen blanken Stock das vom vielen durchgetropften Schneeregen schon feucht gewordene Stroh um den grossen gelbbraunen Käselaib wegschiebt, dann beginnt, um und an dem Laib herumzustochern, herumpiekst, fast so, als würde er ihn damit aufscheuchen wollen.
Die schwieligen Hände haben sich nun in den tiefen Taschen zusammengezogen, sind zu Fäusten geballt. Wenn der Wärter den wunderbar duftenden Laib nun beschlagnahmt – der alte Mann atmet tief ein.
Alles liegt nun in Gottes Hand.
Er wartet.
Dann – die Erleichterung.
Der Brückenwärter nickt dem alten Manne kurz zu, rückt sich seine blaue Mütze auf dem Kopf zurecht und schlurft durch den Schneematsch zurück in sein warmes Brückenhaus, stemmt sich gegen das sich widerstrebend öffnende Holzstück, verschwindet im Haus, krachend fällt die Tür ins Schloss.
Die Fäuste öffnen sich und die krummen Finger werden lang, entspannen sich ein wenig, während der Bauer nun tief Atem schöpft. Langsam kommen sie aus den wärmenden Taschen seiner braunen Filzjacke, ordnen sodann sorgfältig das feuchte Stroh um den Käselaib, richten dann die grossen Fetzen des Kartoffelsackes sorgfältig als armseligen Schutz über Käselaib und Karre.
Alsbald ergreift der alte Mann die Holme der Schubkarre, hebt sie an und schiebt sie kräftig auf die ungedeckte Brücke zu.
Wieder etwas mehr Hoffnung.
Wie schon so oft und so viele Male vorher überlegt er angestrengt, während er mit der schweren Schubkarre über die dicken, rumpelnden Planken der Brücke geht, wenn er den ganzen Käse auf dem Markt morgen in der Früh verkaufen kann, wird es ihm möglich sein, vom Erlös die teure Medizin für sein krankes Weib zu kaufen, damit sie endlich von ihrem elenden Krankenlager aufstehen möge.
Kummerfalten erscheinen nun in seinem dunklen Gesicht, kurz werden seine braunen Augen vom Wasser trüb, diese Frau ist alles was er je im Leben liebgewonnen hat, er mag sie nicht an den Schwarzen Mann verlieren.
Die Sonne ist nun fast bis zum Horizont hinabgesunken und es beginnt schnell einzudunklen.
Leichter Schneefall setzt ein. Er geht schneller, strengt seine Beine und seinen alten Leib an, das Stadttor wird bei Sonnenuntergang geschlossen und er muss es vorher schaffen.
Eine Nacht ohne die lebensspendende Wärme des Feuers und ohne Schutz vor allerlei Raubgetier – menschlich oder tierisch - würde er nicht überleben. Nicht mehr.
Er braucht noch einen Schlafplatz in der Stadt für die Nacht. So will er bei den Kirchenleuten anklopfen und um einen warmen Platz im Stall bei den Kühen und Ziegen bitten - und vielleicht auch einen Kanten Brot oder eine Kelle Suppe von ihnen erbetteln.
Knarrend bewegt sich sein Gefährt von der Brücke auf den gepflasterten Weg - das offene Tor ist nun ganz nahe.
Helles Geläut ist zu hören, die Stadtbewohner wissen, dass sich das Tor sehr bald schliessen wird und die paar Menschen, die sich in der nun einsetzenden Dämmerung noch vor der Mauer aufhielten, eilen nun schnellen Schrittes durch den grossen Eisenbogen in die Sicherheit der mauergeschützten Stadt.
Der letzte Mensch passiert das Tor - der alte Bauersmann hat es mit seiner Schubkarre und dem Käse unbehelligt in die Stadt geschafft. Aufatmend setzt er die Karre am Brunnen auf dem Marktplatz ab, richtet sich auf, streckt seinen alten Rücken soweit es geht und lehnt sich dann vorsichtig über das halb mit durchsichtigem Eis überzogene Brunnenbecken, um mit der angeketteten Kelle einmal Wasser daraus zu schöpfen, das sehr kalte, jedoch überaus köstliche Wasser in seinen Mund fliessen zu lassen und dort ein wenig anwärmen und schliesslich in kleinen Schlucken zu verkosten.
Während er das Wasser geniesst, schliesst sich das schwere Eisentor langsam, je 5 Männer an einem Torflügel schieben und stossen unter rhythmischen Rufen die beiden schweren Türflügel zueinander. Als das Tor mit lautem Krachen geschlossen ist, werden von der rechten Mauerseite 5 dicke Holzstämme als Querverriegelung vor das innere Tor geschoben. Geschäftig schwatzend und miteinander scherzend verlassen die 10 kräftigen Männer in kleinen Grüppchen den Torplatz, gehen in verschiedene Richtungen auseinander.
Das letzte Restlicht der Sonne ist nun erloschen und die Stadt fällt ins Dunkle. Nur spärlich erleuchtet sind die Gassen und engen Strassen vom flackernden Licht der nun von einigen Stadtbürgern angezündeten Fackeln.
Der Schneefall ist wieder stärker geworden und der Bauer klopft den gefallenen Schnee von seiner Kleidung, stampft ein wenig mit seinen kalten Füssen in den harten Schuhen im Schnee umher und reibt sich seine klammen Finger, versucht sie mit seinem Atem warm zu pusten.
Er hatte nicht gedacht, dass es hier oben schon so kalt sei, dass er seine Fäustlinge bräuchte, im Tal ist es noch warm.
Hohe Zeit für ein wärmendes Lager.
Entschlossen packt er mit seinen kalten Händen die Holme seines Schubkarrens, hebt sie an und schiebt die Karre durch den frisch gefallenen Schnee um den Brunnen herum in die kleine Gasse, von der noch von seinem letzten Besuch weiss, dass sie ihn dorthin leiten wird, wo er sein Ziel weiss.
Es muss gelingen – das Leben seines geliebten Weibes liegt in seiner Hand, auch sein Wohlergehen hängt am Verkauf des Käselaibes. Und schnell muss es gehen – lange kann er seine ans Lager gefesselte Frau nicht mehr im Haus des kräuterkundigen Weibes belassen, das Dorf ist aufgewiegelt und er weiss nicht, wie lange die Bewohner noch friedlich bleiben.
Knarrend spurt sich das Rad der alten Holzkarre eine schmale dunkle Spur im weichen, nun fast schon knöchelhohen Schnee, langsam holpert die alte Karre um die Ecke des blauen Hauses.
Fast verschmolzen ist sie mit der gebeugten Gestalt das alten Bauern, der sie mit festem Tritt den Berg voranschiebt, seine dunkle Kleidung lässt ihn noch etliches kleiner wirken.
Im spärlichen Licht der paar Aussen an den Häusern angebrachten Fackeln bewegt sich seine im dichten Schneefall nun mehr und mehr undeutlich gewordene Gestalt die Gasse hoch, im Harsch knirschenden Schritte und das Knarren des grossen Holzrades hallen gedämpft zwischen den Häuserreihen, immer leiser werdend.
Irgendwo weiter oben am Hang biegt er dann mit seiner schweren Schubkarre in die Seitengasse ab, die ihn direkt zu den Kirchenleuten führt und ist nicht mehr zu sehen.