Der Weiher war der Aufenthaltsort eines mächtigen Nagas, eines Wassergeistes. Die Nagas sind launische mythische Schlangenwesen, die Unannehmlichkeiten und Krankheiten verursachen können, wenn sie gestört werden. Sie können aber auch Schatzhüter und Beschützer sein, wenn sie günstig gestimmt werden. Dieser Naga war so schreckenerregend, dass die Einheimischen den Weiher nicht einmal anzuschauen wagten, geschweige denn, sich ihm zu nähern. Machig Labdrön jedoch landete auf dem Baum genau über dem Weiher und blieb dort in Meditation versunken sitzen. Der Wassergeist betrachtete die Ankunft der jungen Machig als direkten Angriff. Er näherte sich ihr drohend, aber sie meditierte weiter, ohne Angst zu zeigen. Das brachte ihn so in Rage, dass er ein gewaltiges Heer von Nagas aus der Umgebung zusammenrief, um die Meditierende zu vertreiben. Als Machig das Riesenheer von magischen Geistern auf sich zukommen sah, verwandelte sie sogleich ihren Körper in ein Nahrungsopfer für die Geister, und diese »konnten sie nicht vernichten, weil sie egolos war«. Die Angriffslust der Nagas verpuffte, und nicht nur das: Sie unterwarfen sich ihr, gelobten, sie zu beschützen, Die alte Übung 26 und sicherten ihr zu, ihr und allen, die ihrer Lehre folgten, zu dienen. Machig hatte sich auf die Begegnung mit den Dämonen eingelassen und ihnen mit nie versiegendem Mitgefühl ihren Körper als Nahrung angeboten, statt gegen sie anzukämpfen, und hatte so aus ihnen Verbündete gemacht.**
https://www.randomhouse.de/leseprobe/Den-Daemonen-Nahrung-geben/leseprobe_9783442338306_1.pdf
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