Surprise

Bergab rollte sie, die schöne Rote, wie immer sauber in der Spur.
Im lichten Sonnenschein schlängelte sich die schmale Strasse durch die Felderlandschaft, überwiegend die Farben grün und gelb. Zufrieden schnurrte sie vor sich hin, mit einem einzigen Passagier am Lenker nicht belastet.

Der junge Mann sass zusammengesunken hinter dem Steuerrad, der Blick getrübt von Tränen, gerade kann er von einem Treffen mit seiner verheirateten Geliebten zurück.
Keine Zukunft. Nicht daran zu denken.
Niemals würden er und sie zusammenwohnen oder ein gar ein gemeinsames Leben haben.

Wieder strömte ein Schwung Tränen in seine braunen Augen, Zeit, hohe! Zeit, die Sache zu beenden. Komplett zu beenden.
Am besten gleich Alles - auch seinem elenden Leben ein Ende setzen.

Monatelang hatte er so dringlich gehofft, sie würde sich doch noch für die Trennung entschliessen, sie gebeten, fast gebettelt – doch nun, nach diesem so niederschmetternden Treffen, ihrem NEIN, war sein innerer Beschluss gefasst.

Sein Blick klärte sich, er richtete sich auf, wurde ganz ruhig.
Jetzt braucht es nur noch einen dicken Baum am Strassenrand.

Während er mit seinem roten Auto durch die Landschaft fuhr, an knallgelben Rapsfeldern vorbei, an sommergrünen Wiesen mit schwarz-weiss gefleckten Kühen und braun geackerten Flächen, fühlte er sich merkwürdig wohl.
Die lang anstehende Entscheidung war gefällt - endlich.

Alles wird gut.
Eine seltsame Heiterkeit erfüllte ihn.

Plötzlich - da weit vorne am rechten Strassenrand – da läuft ja jemand!?
Ohne weiteres Nachdenken beschleunigte er seine Fahrt, gab ein wenig mehr Gas - im schnellen Annähern erkannte er - eine ältere Frau.
Mit einem grossen hellgrauen Koffer an ihrer rechten Hand, gekleidet in ein kunterbunt geblümtes, langes Kleid, ein rotes Tuch bedeckte ihre langen weissen Haare, ging die sehr schlanke Gestalt mit sicheren Schritten im spärlichen Gras des Strassenrandes ihren Weg.

Das rote Auto rollte nun parallel zur gehenden Frau, er liess das Fenster von der Beifahrertüre hinab gleiten und rief: „Hallo! Soll ich Sie mitnehmen?"

Es war ihm absolut unverständlich, woher die Frau kommen konnte - hier war kein Dorf weit und breit, kein Weiler, kein Haus, einfach nichts hier draussen, so – wo kam sie her??

Das rote Auto war zum Stillstand gekommen, und die Frau wandte ihren Kopf, beugte sich zum offenen Fenster vor, schaute ihn mit ihren grünen Augen an, ein feines Lächeln breitete sich in ihrem wettergegerbten Gesicht aus, und sie erwiderte mit kräftiger Stimme “Gern“!

Die Warnblinker eingeschaltet, Handbremse angezogen auf der leicht abschüssigen Strasse, stieg er schnell aus und half der lächelnden Frau ins Auto, um dann den leichten, jedoch sperrigen Koffer im Gepäckraum des Autos zu verstauen.

Wieder hinter dem Lenkrad sitzend, wandte er sich der Frau zu und fragte nach dem Wohin. «Zum nächsten Bahnhof. « sagte sie.
«Ah» erwiderte er « es ist nicht weit dahin» nach einer kleinen Pause - «mit dem Auto.»

Immer noch völlig verdutzt über das Antreffen der Frau an diesem Ort, blieb er während der Fahrt im Schweigen, die Frau schien hellwach und heiteren Gemüts zu sein, was ihm gerade in diesem Moment gut tat.

Am Bahnhof des kleinen Dorfes angekommen, parkte er das Auto auf dem mit altem, schon rissigen Asphalt bedeckten Parkplatz der gebäudelosen Station, half der zum Dank ihm freundlich nickenden Frau beim Aussteigen, holte ihren riesigen Koffer aus dem Auto und reichte ihn der Frau, sie bedankte sich fürs Mitnehmen, lächelte ihn nochmals warm an, drehte sich um und ging Richtung Geleise.

Kurz wandte er dem offenen Kofferraum zu, schloss den Deckel und schaute ihr nach.
Das heisst - er wollte der Frau nachschauen.
Sie war weg, verschwunden.

Wie in Luft aufgelöst - unmöglich. Wie konnte das sein?
Da war kein Gebäude zum Verstecken und in den paar Sekunden, in denen er mit dem Auto beschäftigt war, konnte sie unmöglich …..

Hm.
Er beschloss, es dabei zu belassen, die Frau nicht suchen.

Ein Zeichen. ?
Er glaubte nicht an Gott, nicht an Engel, wusste jedoch um plötzliche Schicksalswendungen und – die Macht der Selbstheilung.

Die Gedanken mit dem roten Auto an den nächsten Baum zu fahren, sich umzubringen - weg. Ebenso verschwunden wie - die Frau.

Leben. Seine Entscheidung. Und sie blieb bestehen.


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