Meine Gedanken zum Totensonntag

Totensonntag 2008
Meine Gedanken zum Totensonntag

In den Evangelischen Kirchen unseres Landes wird an diesem Tag der Verstorbenen der letzen 12 Monate gedacht, vergleichbar mit Allerseelen in der der katholischen Kirche, in den Katholischen Kirchengemeinden gilt dieser Sonntag die Aufmerksamkeit dem Jüngsten Gericht und der Ewigkeit.

In Lesungen und Gesängen wird – jetzt, am Ende des Kirchenjahres, so unmittelbar vor dem Beginn der Adventszeit - die Allgegenwart des Todes in das Bewusstsein der Gläubigen gebracht.

Stille, finstere Tage sind das, wir schmücken die Gräber unserer Angehörigen mit Kränzen und Kerzen, es ist, als läge eine unendliche Last über allem:
Schmerz, Trauer, Verlust, das absolute Ende.

Ich schaue darauf und erinnere mich an all die vielen, vielen Kontakte mit Verstorbenen und ich möchte am Liebsten allen zu rufen:
Aber sie leben doch!

Das Grab, das du gerade mit finsteren Tannen deckst, die Kerze, die du anzündest, deinem Verstorbenen zum Trost, ach, schau doch nur:
Es gibt doch diese Finsternis nicht!
Sie leben, wirklich, es ist wahr, sie leben!
Und sie nehmen Anteil an deinem Leben, sie freuen sich über dein Glück und sie sind so voller Mitgefühl in deiner Not bei dir!

Du brauchst ihnen kein Licht zünden, sie sind Licht …
Du brauchst sie nicht trösten in ihrem „kühlen“ Grab, sie sind Wärme …
Warum nur liegt so viel daran, uns den Tod so schwarz zu zeichnen?

Es gibt andere Sitten und Gebräuche in anderen Ländern:
Es gibt Länder, da ehren die Menschen ihre Verstorbenen, in dem sich die Familie an ihrem Grab trifft und ein fröhliches Familienpicknick feiert.

Es gibt Länder, in denen ein großes Straßenfest stattfindet und der Tod aus Zuckerguss und Marzipan fröhlich durch die Straßen getragen wird, begleitet von Tanz und Musik …

Manchmal fragen die Hinterbliebenen ihre Verstorbenen, ob sie noch etwas für sie tun können.

Die Antworten darauf überraschen mich immer wieder, obwohl ich doch längst daran gewöhnt sein müsste:

Der eine wünscht sich, dass seine Familie an Weihnachten wieder Musik macht, singt und spielt, weil er daran teilhat …

Der andere wünscht sich einen Baum gepflanzt an seinem liebsten Platz im Garten.

Nie haben diese Wünsche mit Tod und Verderben zu tun, sondern immer mit Leben und Lebensfreude.

Warum nur bei uns so finster, so kalt, so ganz ohne Hoffnung?

Vielleicht, weil er uns so weiter Angst macht, der Tod … weil, wenn wir uns fürchten, wir besser funktionieren?

Was wäre unsere Gesellschaft ohne diese Angst?

Ich will den Schmerz nicht kleinreden in diesem Brief.
Der Schmerz, unsere Lieben loszulassen …
Nein, wahrlich nicht!

Tief schneidet er in unsere Seele und schlägt Wunden, die uns vielleicht nie ganz heilen. Aber wenn wir nur diesen Schmerz haben ohne die Gewissheit auf ein Wiedersehen, wenn wir nur diesen Schmerz haben, was können wir anderes tun, als dem Tod versuchen, davonzurennen?
Wir rennen davon:
Unsere Friedhöfe sind längst nicht mehr der Mittelpunkt der Gemeinden, sondern liegen hinter hohen Mauern versteckt am Rand der Aufmerksamkeit.
Und uns selbst, ist uns UNSER Tod nah?
Nein, wir laufen ihm davon, so gut wir können:

Anti Aging Programme an jeder Volkshochschule …
Nur nicht altern!
Eine fünfzigjährige Madonna tanzt hochgestylt und auf jung getrimmt über die Bühne.
Liften lassen gehört zum guten Ton besserer Kreise …
Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an … ach was!
Ach nein!

Ich sage provokativ und bewusst:
Wir haben ein Recht darauf, zu sterben!
Und ich sage:
Wer dem Tod davon rennt, der rennt dem gelebten Leben davon.
Leben bedeutet auch, sich wandeln zu dürfen.
Wie wunderbar, ich werde älter und meine Interessen ändern sich …
Ich werde älter und was ich noch gestern fürchtete, ist mir heute nur noch ein Lächeln wert …
Wir haben ein Recht darauf, dass unser Leben Spuren in unser Gesicht zeichnet …Wir haben ein Recht darauf, dass unsere Kräfte nachlassen und ein Recht darauf, Frieden in dem Wissen zu finden, das unsere Zeit hier, im Diesseits, begrenzt ist.
Ja, wirklich, ich sehe es so!

Nein, lebensmüde bin ich nicht, aber ich weiß, es kommt der Tag, da darf ich des Lebens satt geworden sein.
Da habe ich genug getan, genug gesagt, genug gekämpft und ich habe genug gefürchtet, genug gehofft, genug gezweifelt …
Es wird ein Tag kommen, da ist es genug!
Für MICH, für meine Seele!

Ja, werden jetzt viele sagen, ja, wenn man alt ist und schwach, ja dann, dann mag es genug sein.
Aber was ist mit den Jungen, den Kindern sogar?
Genug! Pah!

Es gibt ein „Genug“, das können wir nicht verstehen …
Das lässt uns voller Schmerz und Verzweiflung zurück und doch ist es tröstend, zu wissen:
Die Seele, die ging, hatte genug.

Ich darf das Feedback einer jungen Frau wieder geben, das uns vor zwei Wochen erreicht hat.
Vor vier Jahren fand sie den Weg zu uns, in tiefem Schmerz über den Verlust ihres Kindes. Sie hatte Zwillinge erwartet, aber nur eines überlebte die Geburt.
Das war furchtbar, denn kaum jemand verstand ihre Trauer.
Das andere Kind lebte doch! Da hatte sie doch Trost genug!
Doch dieses überlebende Kind litt selbst an diesem Verlust, es spürte seit seiner Geburt, dass ihm jemand sehr Wichtiges fehlte … beunruhigt von dieser Entwicklung bat uns die Mutter um Hilfe. Ehrlich gesagt, war ich selbst sehr betroffen.

Welchen Trost soll man da bieten, wo soll denn der Sinn in diesem Tod gelegen haben?
Sein Sinn lag darin, sein Geschwisterchen begleitet zu haben, durch die Zeit vor der Geburt, sein Sinn liegt bis heute darin, seine Schwester als Engel zur Seite zu stehen und seine ganze Liebe lag darin als Seele dieser Mutter noch einmal ganz nah sein zu dürfen, ehe es sich wieder ins Jenseits zurückzieht.
Es hat, so kurz sein Leben hier auch war, „genug“ genommen und gegeben.

Aus dem Schmerz der Mutter wurde Dankbarkeit, aus der Sehnsucht der Schwester Geborgenheit.

Ich möchte mit den Worten der Mutter an uns schließen und bedanke mich sehr, dafür, dass sie einverstanden ist, dass ihr Trost heute jedem Leser hilft, seine Position zum Sterben zu überdenken.

Uta

Kommentare

Ich habe heute auch (seltsamerweise) über den Tod nachgedacht...
Das es eine große Kraft (für mich) birgt mich an meine letzte Todeserfahrung zu erinnern,
es hilft mir mich daran zu erinnern, warum ich hier bleiben wollte..trotzdem
..obwohl es hier auch schwer ist, sein kann



ja, wir kommen alle zu diesem "genug"
und jeder hat ein Recht darauf
und wenn jemand einmal bewußt darauf verzichtet hat "genug" zu sagen,
mehr eigentlich EINSPRUCH erhoben hat, dann darf er sich auch daran erinnern,
warum er "noch nicht ganz genug"
gesagt hat und wenn jemand genug hat, stirbt, dass es eben dieses RECHT ist,
das man jedem zugestehen darf,
nein MUSS

daraus kann man schöpfen, wie schon gesagt

AL

Regina
 

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Autor
Hajo
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