Kreuzigung 2

  • Autor Autor silja
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Durch diese durchgestandene Tat, durch diese erlittene und angenommene Schuld, eröffnet sich erst der wahrhaft eigene Schicksalsweg.
Entschließen für den eigenen Weg
Doch was brauchen wir, um dieser Tat standzuhalten? – Entschlossenheit! – In der Entschlossenheit zeigt sich unser eigenständiger Wille. Die Entscheidung ermöglicht uns eine Geburt ins Dasein. Von größter Bedeutung dabei ist, dass die Entscheidung aus den Regungen des eigenen Herzens erwächst und so den Liebes-Willen gebiert. Erst dieser führt hin zum befreiten Dasein. Der reine Machtwille, der nur auf eine Entscheidung gewaltsam drängt, indem er einer Ideologie oder einer Überzeugung folgt, zerstört das Dasein. Er verschließt das Herz für das andere. Doch Entschließen bedeutet eigentlich etwas eröffnen, in dem das andere mit eingeschlossen ist – und dies, obwohl man sich äußerlich zunächst für das eine und gegen das andere entschieden hat. Die Herzensentscheidung entscheidet nicht im Sinne eines Machtgefälles, d.h. nicht um auszuschließen, sondern im Sinne einer Daseins-erweckenden Tat, d.h. um einzuschließen. Das Eingeschlossene ist das andere. Es ist das, wogegen wir uns entschieden haben. So wird das vermeintlich Ausgeschlossene zu einem zweiten Mittelpunkt, den wir trotz des äußeren Ausschlusses liebevoll umgreifen. Die Entscheidung von Herzen hebt die Scheidung, d.h. das Getrennt-Sein, auf. Darin zeigt sich das Mysterium der Gegensatzvereinigung, die sich gerade dank der Entscheidung zur Offenheit hin entschließt und so für den unvollkommenen Menschen trotz seines Scheiterns erfahrbar wird. Die Entscheidung bringt gleichwohl immer eine Schuld mit sich. Wir verletzen das Ausgeschlossene, wir fügen ihm Schmerzen zu, wir stoßen es gewaltsam aus, wir verschließen uns vor ihm und wenden uns somit von einem Teil der Schöpfung ab. Folgen wir aber unserer Entscheidung aus tiefstem Herzen und stehen wir zugleich ungeschminkt zu unserem Unvermögen ganzheitlich zu leben, dann können wir das andere, trotz seines Ausschlusses, dennoch umgreifen. Die Herzensentscheidung bewahrt uns somit nicht vor der Schuld (man sollte sich darüber keinesfalls täuschen), aber sie eröffnet uns die Möglichkeit, statt durch die erdrückende Schuldenlast gelähmt zu werden und aus einer Unterwerfungshaltung heraus den nachträglichen Gehorsam zu üben, frei zu werden für ein friedvolles Dasein, das den vormals ausgeschlossenen Gegensatz in einem nächsten Schritt liebevoll umschließt.
Auch jenes Bild ist freilich ein Ideal, das zwar für Augenblicke erleb- und erreichbar ist, dem wir aber nicht dauerhaft gewachsen sind. Wie Ein- und Ausatmen sich beständig abwechseln, so wechselt auch die schmerzliche Erfahrung des Widerspruchs und des nicht ausgleichbaren Gegensatzes mit der Erfahrung des Wunders der Gegensatzvereinigung.
Auf unser Beispiel angewandt heißt dies, dass wir, indem wir uns von Herzen für den eigenen Schicksalsweg entscheiden und somit gegen den Weg des Meisters (oder auch gegen den Weg des Partners oder der Eltern), trotzdem Frieden schließen können mit diesem anderen, auch dann, wenn wir uns zunächst entschieden und oft auch schmerzvoll davon abgrenzen müssen. Wir müssen einen inneren Mord begehen, und doch kann auf ihn die Auferstehung folgen, die uns eine neue Hochzeit mit dem vormals hingemordeten Teil erleben und uns so ein Stück Ganzheit kosten lässt.

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