Fortsetzung

Zu dieser Zeit waren mir die verletzenden Äußerungen meiner Mutter nicht so sehr bewußt, obwohl sie sicher da gewesen sein müssen. Aber ich erinnere mich noch sehr gut an meine grenzenlose Erleichterung, nachdem ich sie zum Zug gebracht hatte, nach diesen Besuchen. Endlich wieder frei. Ja, ich fühlte mich befreit.
Dazu kam noch, dass ich damals echte Probleme hatte und mich gedanklich kaum noch was anderes beschäftigen konnte.
Aber ich erinnere mich an ein Telefonat, in dem sie mir vorjammerte, sie müsse unbedingt eine rote Strickjacke haben und sie fände keine. Das war zu der Zeit, als Ferngespräche noch Geld kosteten und ich ärgerte mich maßlos, dass sie mir damit die Ohren vollsabbelte, während ich kurz vorm wirtschaftlichen Ruin stand.
Diese Oberflächlichkeit hatte mich schon ziemlich lange genervt.
Z.B. findet es meine Mutter unerträglich mal 3 Tage am Stück nichts vorzuhaben. Während ich gern allein bin und ein gutes Buch jederzeit einem inhaltslosen Gespräch vorziehe, muss meine Mutter sich ständig mit irgendwelchen anderen Frauen treffen, über die sie sich aber auch oft genug ärgert.
Besonders schlimm fand ich ihre Aussage: "ich brauch noch jemanden für Sonntags" keine Ahnung warum ihre Bekannten sonntags keine Zeit für sie haben. Wahrscheinlich sind sie alle mit ihren fürsorglichen Kindern beschäftigt.
Oder: "wenn ich Besuch habe, will ich auch was davon haben"
Das hat alles etwas mit dem benutzen anderer Menschen zu tun.
Nun ist in dieser Generation Selbstreflektion selten, Therapien werden sowieso abgelehnt und über Probleme reden bringt ja nichts. Dafür kann sie nichts.
Aber ich weiß, befreundet wäre ich mit meiner Mutter sicher nicht.

Als wir dann hier in dieses Haus zogen, wurde es ganz schlimm. Bestimmt auch darum, weil ich, wenn sie da war, nicht mehr abgelenkt wurde. Ich seh zwar die Arbeit, die dann liegenbleibt, hab aber nicht wirklich eine Entschuldigung mich meiner Mutter zu entziehen.
Ich weiß noch, wie wir uns beeilten, das Gästezimmer schön herzurichten, damit sie uns besuchen kommen konnte.
In diesem Zimmer war also alles neu. Wände, Teppichböden, Bilder, Möbel, ja sogar eine besonders schöne Tischdecke besorgte ich noch einen Tag vorher.
Meine Mutter schaut in das Zimmer und meint nur..."schöne Holzdecke habt ihr" diese Holzdecke war tatsächlich das einzige, was wir nicht verändert hatten.
Wenige Monate später starb unser erster Hund mit 13 Jahren. Der Kommentar meiner Mutter am Telefon: "da habt ihr aber nicht lange was von ihm gehabt"
Oder irgendwann später. Sie kam zu Besuch und die Tage davor war ich mit putzen beschäftigt, weil ich ja in der Zeit wo sie da ist, nicht dazu komme. Ich hatte noch selbstgebackenen Kuchen in der Truhe und den zum Kaffee aufgetaut.
Wir saßen im Garten, meine Nachbarin kam auch dazu und dummerweise entschuldigte ich mich für den aufgetauten Kuchen. Kommentar meiner Mutter: "ja, seiner Mutter kann man ja alles vorsetzen"
Ich denke, das war nur die Spitze des Eisberges. Es wird noch viel mehr böse (empfundene) Bemerkungen gegeben haben.
Meine Theorie dazu ist aber, je mehr man sich auf sein Gegenüber einläßt, konzentriert und letztlich auf der Hut ist und verletzende Äußerungen geradezu erwartet, desto mehr kommt dann auch in dieser Hinsicht. Nicht im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, sondern man springt einfach mehr drauf an, vielleicht deutet man sogar harmlos gemeinte Sachen einfach um? Es fällt einem einfach mehr auf.
Und je mehr man bei sich bleiben kann, desto leichter fällt es manche Dinge einfach zu überhören, nicht wahrzunehmen, gar nicht erst registrieren, so dass sie noch Jahre später in unserem Gedächtnis vorhanden sind.
Ob das der richtige Weg ist, weiß ich aber nicht.
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Kommentare

G
Da bin ich ja sehr gespannt wie du unter diesen Gesichtspunkten den nächsten Besuch deiner Mutter erlebst.
 
G
dummerweise entschuldigte ich mich für den aufgetauten Kuchen. Kommentar meiner Mutter: "ja, seiner Mutter kann man ja alles vorsetzen"

Früher hätte ich das wohl auch geschluckt.
Heute - wo wir aber keinen Kontakt mehr haben, es also nicht möglich wäre - würde ich fragen wie genau sie das meint.
Aber wahrscheinlich würde ich, genau wie du, auf diese Frage keine oder eine ausweichende Antwort bekommen.
Es gibt wirklich Bemerkungen über die man hinwegsehen kann/sollte, aber diese finde ich ehrlich gesagt grenzwertig bis verletzend. Du hörst ja nicht nur die Worte selbst, sondern es wird ja auch eine "Schwingung" eine "Botschaft" mitgesendet ....und die spürt man und in diesem Falle schwingt da für mich schon ein Vorwurf, eine Aggression mit.
 
Ich fand es nicht schlimm, dass meine Nachbarin das mitbekam, wir haben ein gutes Verhältnis und sie versteht mich jetzt besser, also die Tatsache, dass ich mich nicht über den Besuch meiner Mutter freue. Aber dass sie sowas ausgerechnet sagt, wenn ein anderer dabei ist, das fand ich besonders schlimm.
Sie hat es übrigens lachend gesagt. So nach dem Motto: schaut mal her, wie pflegeleicht und genügsam ich bin. So wie Mütter eben sind.

Ich weiß noch nicht....Jetzt steht der Termin für die Reha. Am 7.11. ist mein Mann für drei Wochen nicht da. Es kann natürlich sein, dass meine Mutter sagt, dass ihr dann das Wetter zu schlecht ist und dass sie jammert, weil die Reha nicht zu einem anderen Termin ist. Das macht sie gern. Rumjammern wegen irgendwelchen Sachen die gar nicht in irgendjemandes Macht stehen. Sie fühlt sich grundsätzlich vom Schicksal benachteiligt.

Ich will einerseits gar nicht dass sie kommt. Andererseits...sie war jetzt im dritten Jahr nicht hier. Entweder war mein Mann krank oder hatte unpassend für sie Urlaub, oder es war sonst was.
Wenn mein Mann da ist, kommt sie nicht, denn sie will ja nicht stören...
Da er in Hannover arbeitet kommt er nur am Wochenende nach Hause. Da sie aber immer für eine Woche kommt, ist da eh ein Wochenende dazwischen. Und das würde dann natürlich gut passen, wenn er zur Reha ist.
Dabei zieht sich mein Mann eh zurück, wenn sie da ist. Er ist zwar nett und freundlich, hat aber verständlicher Weise kein großes Interesse an der Gesellschaft meiner Mutter.
Ganz im Gegensatz zu dem Mann ihrer Kusine. Der freut sich ja immer so, wenn sie dort ist und kümmert sich rührend.
Daher findet meine Mutter am Wochenende ständig Gründe beleidigt zu sein, was das Ganze für mich auch nicht einfacher macht.
 
G
So nach dem Motto: schaut mal her, wie pflegeleicht und genügsam ich bin. So wie Mütter eben sind.

Interessant. Meine Mutter würde damit meinen: "ich bin es meiner Tochter nicht mal wert, dass sie einen frischen Kuchen backt, ich muss mich mit aufgetautem zufrieden geben!"
Sie fühlt sich auch nicht nur vom Leben benachteiligt, sondern als Opfer. Und Schuld sind auch immer die anderen.

Ich will einerseits gar nicht dass sie kommt. Andererseits...

Kenne ich, kann ich gut nachvollziehen.
Es ist und bleibt die Mutter, wir lieben sie....
aber manches ertägt man trotzdem nicht.
Ganz ehrlich, wäre es nicht Verwandtschaft, sondern Freunde würden wir den Kontakt halten?

Daher findet meine Mutter am Wochenende ständig Gründe beleidigt zu sein, was das Ganze für mich auch nicht einfacher macht.

Hast du sie denn schon mal ganz konkret gefragt was sie hat wenn sie so reagiert?

Ach es ist nicht einfach. Besonders wenn sie mal ein gewisses Alter überschritten haben. So jenseits der 70/80....irgendwie scheint der "Zug" da abgefahren.

LG Steffi
 
Ja, nein, manchmal :D

Ach, irgendwelche nicht nachvollziehbaren Gründe, kamen dann. Irgendwas was mich wieder in den Verteidigungsmodus gebracht hat.

Ja, du hast recht. Das ist es ja gerade, bei jedem anderen würde ich ohne schlechtes Gewissen den Kontakt abbrechen.

L.G. Margret
 

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Autor
Fiona
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