Wiedermal so ein Tag

Hallo ihr Lieben........mir gefällt so sehr der Spruch "ich wollte meinem Kind von der Welt erzählen, und nun muss ich der Welt von meinem Kind erzählen".

Zur Zeit ist mein ganzes Umfeld noch ziemlich bestürzt, sie war erst 23. Und immer wenn ich dann doch von ihr zu erzählen beginne sehe ich die Angst in ihren Augen. "Oh mein Gott, jetzt fängt sie davon zu sprechen an, hoffentlich wirds nicht dramatisch....man sieht förmlich wie man in anderen Menschn in Wunden sticht die sie so gut es geht zu verarbeiten versuchen, jeder auf seine Weise, und auch die Angst das aus dem Sprechen darüber eine Situation entstehen könnte, mit der sie nicht umgehen können (Heulszenen oder ein Nervenzusammenbruch vor deren Augen........immerhin haben sie sie alle geliebt. Es ist alles noch zu frisch, und eine einzige Tragödie.

In der Arbeit versuche ich das Thema so gut wie gar nicht zu erwähnen, aber selbst da, wenn ich z.B. nur erwähne "Ach das hätte meiner Tochter so gefallen", spüre ich sofort die Energie der "Bestürzung" des anderen. Überhaupt spüre ich zur Zeit jede Regung eines anderen. Mein ganzes Energiefeld ist so offen und so verletzlich.........als wären alle meine "Kanäle offen". Kein sonderlich schönes Gefühl. Ich versuche gedanklich immer eine Art "weißes Licht" als Schutzschild um mich zu bauen, aber meist gelingt es mir nicht.

Ich glaube, ich muss jetzt mit zwei Dingen fertig werden. Die extreme Bewußtheit, die so ein Trauma meist auslöst, das erkennen des ganzen Wahnsinns der zwischen und in den Menschen abläuft, die sinnlosigkeit all der vermeintlichen Dramen des Alltags und das akzeptieren ihres Todes.
Ich denke, das sie nun so früh gehen musste, habe ich bereits akezptiert. Was ich noch nicht akzeptieren kann, sind die vielen Jahre die ich nun ohne sie leben muss. Obwohl in meinem Kopf so unendlich viele zukünftige "Visionen" und "Träume" lagen. Sie sind alle zerplatzt. Kein halten eines Enkelkindes, keine Mutter-Tochter Gespräche mehr über das Leben, keine gemütlichen Kaffeenachmittage als altes Omalein, im Kreise ihrer "nächsten Generation".
Heute ist mir bewusst geworden, das sind alles sehr "ich-bezogene" Träume gewesen. "Ich", wie ich die Belohnung bekomme für mein zwanzig Jahre langes "Kinder groß ziehen". Es ist ein Gefühl von "es hat mir jemand etwas weggenommen". Dabei, wenn man es ganz simpl betrachtet, nahm man ihr den Rest ihres Lebens, nicht mir. Ich lebe noch. Und kein Mensch bekommt die Garantie, das sich irgendwann irgendetwas lohnen wird.
Alles hat man aus Liebe zu tun. Und ja, die 23 Jahre die ich sie bei mir haben durfte, habe ich sie ohne Ende geliebt. Und ihr Dasein, soll mir Belohnung genug sein.

Ich höre jetzt oft Eckart Tolle. Die Stille in dir. Das tut mir sehr gut. Ich lege mich in die Badewanne und schließe die Augen und versuche wirklich "im Moment" zu sein. Nicht immer dieses zukünftige, und vergangene, und dieses Gedankenkreisen, und Erwägen, und visionieren, oder hoffen. Ja, das Hoffen habe ich nun endgültig aufgegeben. Weiß Gott, was ich alles für die Zukunft "hoffte". Dieses oder jenes wird endlich mal gut, und wenn es noch nicht gut ist, sei es noch nicht das Ende. usw. usw. Es zählt nur der Moment. Am Tag ihrer Beerdigung half mir sehr, der Song von Roger Cicero "in diesem Moment". Damit fühlte ich mich nicht so allein, denn in diesem Moment in dem ich ihre Urne begleitete, gibt es millionen von anderen Menschen auf der Welt, die ALLE solche MOMENTE haben. Gerade geboren werden, gerade selber sterben, oder gerade jemanden auf dem letzten Weg begleiten. Es ist nicht nur "mein Schicksal". Das Wort "MEIN" hat ohnehin eine ganz andere Bedeutung bekommen. Es war nicht "MEINE Tochter" und es war auch nicht "MEIN Schicksal".

Stattdessen bekam "in diesem Moment" eine sehr wichtige Bedeutung. Ich höre den Song noch immer gern. Er birgt jegliche Lebensweisheit in sich. Und auch der Sänger musste früh gehen.........als hätte er es bereits gewusst.

Es klingt alles etwas irre. Ihr Tod hat auf jeden Fall irgendwas mit mir gemacht. Ich weiß noch nicht wo die Reise hingeht, und es ist so schwierig, alles in die richtige Schublade zu bringen. Woher, welches Gefühl kommt, ob es selbstsüchtig, rachsüchtig, liebevoll oder hingebungsvoll ist.
Am schlimmsten sind noch immer die Schuldgefühle.
Ich habe gestern all ihre Babyfotos eingescannt. Und als ich sie so durchklickte, verfiel ich wieder ins heulen, mit dem einzigen Gedanken "ich hätte besser auf sie aufpassen müssen". Achtsamer sein. Die Jahre viel intensiver genießen. Stattdessen habe ich oft gesagt "ich bin froh wenn sie groß sind". Mama sein, war für mich oft sehr mühsam. Dieses "immer für jemanden da sein müssen", war mir oft eine Qual. Ich bin gern für mich allein, das hilft mir zwar jetzt, nicht wahnsinnig zu werden alleine in der Wohnung, aber es war auch der Grund warum ich mir so oft Zeit für mich nahm, anstatt etwas mit den Kindern zu unternehmen. Hätte ich gewusst, wie kurz die Zeit sein wird, hätte ich sie anders wahrgenommen.
Ich vermeide und verbiete mir eh sehr oft diese "hätte-Sätze", aber sie kommen eben, und sie müssen auch irgndwie ausgesprochen werden, um sie in die Richtige Schublade zu bringen. In die "Sinnlos.Schublade"

Ich vermisse sie ohne Ende. Und sie hatte ein so tragisches Leben, und ein noch tragischeres Ende.
Als ich mir gestern ihr "erstes Foto ansah", so frisch geboren, fiel mir wieder ein, das sie völlig abgekämpft aussah, obwohl es eine sehr einfache und umkomplizierte Geburt war. Sie hatte zwei Storchenbisse auf ihren Augenlidern. Sie sah aus, als hätte sie tagelang geweint. Und seltsamerweise, ging sie auch mit sehr blau unterlaufenen Lidern.
Ich glaube ja ein bißchen an Wiedergeburt. Und wenn ich mir das Foto so ansehe, sieht sie aus, als käme sie von einem ganz schweren Leben. Völlig fertig und abgekämpft. Und dann kam sie zu mir. Um dieses Leben zu leben. Welchen Sinn das auch immer gehabt haben möge.
Ich hoffe so sehr, das ich ihr ein bißchen das geben konnte, was sie im vorherigen Leben vermisste. Und ich hoffe sehr, das sie im nächsten Leben noch viel mehr davon bekommt. Viel, viel mehr.

Irgendwann habe ich gelesen, das eine Seele erst in ihrem schwersten Leben, die Chance bekommt durch das richtige Nadi (aus Indien) den Körper zu verlassen um dann eine Bewusstseinsebene höherzusteigen, bzw. nicht mehr wiedergeboren werden zu müssen, da die Seele alles begriffen habe. Aber hat sie das? Wenn sie mit verweinten Augen kommt, und mit verweinten Augen wieder geht.....war vielleicht alles nur ein kleiner Moment dieser Seele.
Hier her gekommen, um irgendjemandes Schicksal zu vollenden?. Manchmal habe ich Angst, das es Menschen gibt, die einzig und allein auf der Welt sind, um ein Spielball für andere und deren Seele zu sein.
So quasi, man lebt nur um für jemand anderen "das Opfer" zu sein, damit dieser was begreift. Das erscheint mir so traurig. So schlimm. Kaum zu ertragen. Es gibt so Geschichten, wonach sich eine Seele der anderen anbietet "ich will dein Opfer sein, damit du deine Täterschaft" begreifst. Oder "ich werde dein Mörder sein, damit du deine Morde begreifst".........das erscheint mir das Grausamste überhaupt. Auf die Welt zu kommen, sich da durchwurschteln zu müssen, nur um für jemand anderen ein Schicksal, oder eine Lebensaufgabe zu vollenden. Quasi ein "Spielball" dieses "Seelendingsbums".
Ich kann zur Zeit solche Geschichten kaum lesen, ohne Wut zu bekommen.
Ach, es ist auch sinnlos sich darüber Gedanken zu machen. Hauptsache, es geht ihr gut, da wo sie jetzt ist.

Ich würde gern den ganzen Tag von ihr reden. Jede einzelne Sekunde mit ihr, soll als Erinnerung hierbleiben. Und umsomehr ich darüber spreche, umsomehr kleine Momente fallen mir ein.

Ich bin seit 4 Monaten dabei, all das zu verarbeiten, um es irgendwann akzeptieren zu können. "Trauerarbeit", klingt so systematisch. Aber es ist tatsächlich so. All die Phasen, muss und möchte ich bewusst erleben, sonst werde ich daran zerbrechen.
Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz.
Momentan sind alle Phasen noch vorhanden. Man wechselt ständig von einer zur anderen. Zornige Tage, depressive Tage, Tage in denen man mit Gott verhandeln möchte. Mich zu holen und sie zurückzubringen. Tage in denen man jeglichen Gedanken an sie verdrängen möchte, und Phasen in denen man resigniert und sich völlig aufgeben möchte. Monatelang und Wochenlang war ich in diesem Hin und Her gefangen..........

Nun, nach einigen Therapiestunden, und einigen Büchern, und vieler lieber Menschen um mich, möchte ich ganz bewusst da durch gehen.........ich möchte nicht nur, ich muss. Wenn ich auch nur halbwegs normal weiterleben möchte.

Ich werde, einfach diesen Blog weiterschreiben, vielleicht ein paar Bilder reinstellen, vielleicht so viel wie möglich über sie erzählen.....

Ich weiß es nicht. Manchmal muss ich einfach schreiben.......über sie...und übers Leben. Anhang anzeigen 70552

Kommentare

Liebe Merlina.
Herzzerreißend. Das denke ich mir immer wenn ich von dir lese.
Merlina du machst dir so viele Vorwürfe, is vielleicht normal, aber schau auch Mütter sind einfach nur Menschen und auch Mütter sind nicht perfekt, können sie auch gar nicht, niemand ist das, weil wir alle Menschen sind.
Auch eine Mama darf Fehler machen, das ist sogar sehr wichtig.
Ich kann bei dir aber keine erkennen, wril du von Anfang an mit besten Willen dein Bestes gegeben hast
Das du dein Mama-sein manchmal mühsam fandest, das is normal das geht jeder Mama so, weil wir unvorstellbares leisten.
Wir werden schwanger, passen auf uns auf, bringen dann das Kind auf die Welt, kümmern und sorgen uns, kämpfen immer sogar bis über den Tod hinaus.
Da darf man ab und zu Fehler machen.
Nur Merlina eins können wir nicht, niemand kann sein Kind vor allem beschützen, ab einen gewissen Alter gar nicht mehr.
Das is auch normal das geht auch jeden so.
Mit einem aber hast du so recht.
Nehmen wir doch irgendwie alles als selbstverständlich hin, mir hast du auf jeden Fall die Augen geöffnet und geholfen über das nachzudenken.
Auch ich nehme meine Kinder als selbstverständlich hin, das ist aber nicht richtig so.
Wir alle sollten überhaupt Kinder und bestimmte Momente viel mehr wertschätzen und im hier und jetzt leben.
Das ust uns oft nicht bewusst...
Liebe Merlina ich kenne dich nicht und doch glaub ich von ganzen Herzen das du deiner Tochter eine gute Mama warst, das die das auch wusste und das du immer dein Bestes gegeben hast.
Man kann sich um seine Kinder kümmern, für sue da sein, sie begleiten aber zb das sie in den falschen Kreis kommen, das konntest du nicht verhindern das kann niemand und das kommt so oft auf der ganzen Welt in jeder Schicht vor.
Ja man kann es den Kindern verbieten dann machen sie es meistens heimlich....
Und Merlina vier Monate sind viel zu kurz, das wird noch ganz lang dauern, das kostet Zeit und Kraft du hast soviel zu verarbeiten, zu akzeptieren, zu trauern.
Das geht nicht so schnell.
Aber es ist möglich und du musst es schaffen, du kannst es schaffen wenn du dir genug Zeit gibst.
Die Zeit heilt alle Wunden hört sich blöd an aber es stimmt irgendwie.
Deine Geschichte ist halt so unendlich traurig und tragisch niemand sollte sowas erleben und doch geschieht es und ich berstehe dich voll und ganz, es gibt oft Menschen die haben es von Anfang an schwer, da denkt man sich zu Recht, auch ich oft, was hat sich def da oben dabei gedacht???
Trotzdem denke ich mir auch sehr oft das gewisse Dinge einen Sinn haben, bei dir zwar eher nicht weils zu arg und sinnlos scheint und sie noch viel zu jung gewesen ist aber ich glaube zb daran, das wenn ein Mensch ein schweres Leben hatte in ein besseres wiedergeboren wird.
Und Merlina wenn du das Bedürfniss hast jeden Tag über sie zu sprechen warum machst du das nicht?
Ich würde das tun denn nix is schlimner als was totzuschweigen, das ist nicht gesund und bringt nix...
Wennst niemanden hast hier kannst zwar nicht reden aber alles schreiben das dich bewegt ohne Rücksicht zu nehmen, das heißt wirklich alles ohne Schönreden einfach was du aus tiefsten Herzen fühlst und denkst.
Ich weiß es ist nicht viel wert, aber mich interessiert es, Merlina.
Lg
 

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merlina40
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