Wissenschaftler: Beten heilt

H

Hierophantumar

Guest
Forschung: US-Kardiologe Krucoff will beweisen, daß Beten die Heilung von Krankheiten beschleunigt.
Von Ricarda Albers

Hamburg - Der Glaube kann Berge versetzen. Das weiß man aus der Placebo-Forschung: Wieso kann eine "Zuckerpille", die gar kein Arzneimittel enthält, zur Genesung eines Patienten beitragen? Weil der Patient daran glaubt. Aber: Können Gebete auch heilen? Haben sie eine positive Wirkung auf den Gesundheitszustand? Und wie ist es, wenn man nicht selbst betet, sondern wenn andere Menschen für einen beten?

In den letzten Jahren versuchen Mediziner - vor allem in den USA, aber auch in anderen Staaten -, diesem Phänomen durch wissenschaftliche Forschungen auf die Spur zu kommen. Der US-Kardiologe Mitchell Krucoff betreibt seit 15 Jahren "empirische Gebetsforschung". An der Duke University in Durham (North Carolina) hat er umfangreiche Forschungen angestellt, bei denen er die Krankengeschichte von Herzpatienten beobachtete. Das Ergebnis der Pilotstudie, die 2001 veröffentlicht wurde: Patienten, für die Fürbitten gehalten wurden, geht es deutlich besser als jenen, für die nicht gebetet wurde.

Nun bewegte sich dieses Projekt noch im Rahmen einer Pilotstudie. Inzwischen aber hat Mitchell Krucoff 750 Patienten über drei Jahre an neun verschiedenen Krankenhäusern in den USA (darunter Florida, Washington D.C., New York) beobachtet. Am Freitag abend kam er am Flughafen Fuhlsbüttel an und verriet dem Hamburger Abendblatt erste Einzelheiten.

Waren an der ersten Studie nur Männer beteiligt, so nahmen am Großprojekt Männer und Frauen jeden Alters teil. Das Ergebnis wird Krucoff am heutigen Sonnabend beim Hamburger Gebets-Kongreß verkünden (um 10 Uhr im Rudolf-Steiner-Haus am Mittelweg 11-12). Haben sich seine Studien der vergangenen Jahre bestätigt? Man darf davon ausgehen: Ja. Und man darf davon ausgehen: Da er jetzt eine sehr große Anzahl von Patienten beobachtet hat, haben die Ergebnisse vermutlich wissenschaftlich eine noch größere Bedeutung als die Erhebungen aus der Pilot-Studie.

Den Hamburger Unternehmer Michael Kretzschmar (62), der im Jahr 2001 in Hamburg zum "Unternehmer des Jahres" gewählt wurde, wundert das nicht. Er gehört zu denen, für die die Kraft des Glaubens zum Alltag gehört. Der promovierte Maschinenbauer, der mit selbsterfundenen Druckluftzangen Weltmarktführer wurde, betet oft. "Ich sage ganz einfach Sätze wie: Gott, sei bei mir. Führe mich." Bittet, daß ihm gezeigt wird, wie er dieses oder jenes Problem lösen kann. Auch er hat im Krankheitsfall erlebt, daß Gebete helfen.

Dem Hamburger Rocksänger Achim Reichel (61) geht es genauso. "Ich selbst habe vor zwei Jahren einen Krankenhausaufenthalt gehabt." Sein Leben war gefährdet. "Freunde beteten für mich", erinnert er sich. "Auch Leute, die man als Heiler bezeichnen könnte." Reichel meint, daß diese Gebete ihm geholfen haben.

Welche Art von Gebet ist denn überhaupt empfehlenswert? Wie oder was soll denn gebetet werden? Das Vaterunser? Oder eigene, selbstformulierte Sätze? Prof. Mitchell Krucoff gibt dazu keine Anleitung. Denn offenbar ist es nicht relevant, welcher Religion jemand angehört, der für einen Patienten betet. Sondern nur, daß der Betende für den Patienten Gutes erbittet.

Wie sahen nun Mitchell Krucoffs Studien genau aus? Bei der Pilotstudie beobachtete er 150 Patienten, bei denen Herzkatheter-Untersuchungen zur Diagnostik durchgeführt wurden oder die Ballon-Katheter-Therapien erhielten, um verschlossene Herzkranzgefäße wieder zu öffnen. Eine Gruppe der Patienten erhielt nur die Standard-Therapie. Gruppe zwei erhielt zusätzlich eine Entspannungstherapie (z.B. Atemübungen). Gruppe drei erhielt eine Berührungstherapie (Hände halten, Streicheln . . . ). Gruppe vier arbeitete mit bildlichen Darstellungen. Und Gruppe fünf, das waren jene Patienten, für die gebetet wurde.Die 30 Patienten der ersten Gruppe (Standard-Therapie) und die 30 Patienten der fünften ("Gebets-Gruppe") wurden im Doppel-Blind-Versuch beobachtet. Keiner dieser insgesamt 60 Patienten und keiner ihrer Pfleger wußte, welcher Patient zu welcher Gruppe gehört. Sprich: Für wen eigentlich gebetet wird.

Die Namen der Patienten aus der Gebete-Gruppe wurden an Juden in Jerusalem, an Buddhisten in Klöstern in Frankreich und Nepal, an Karmeliter-Nonnen, Baptisten oder Angehörige verschiedener christlicher Gruppen in den USA weitergegeben. Sie alle sollten - mit Nennung der Namen der Patienten - in ihren Gebeten um Gesundung bitten.

Alle Patienten wurden während der Studie im Krankenhaus ständig medizinisch überwacht. Das Ergebnis: Alle zusätzlich zur Standard-Therapie durchgeführten Maßnahmen zeigten bessere Ergebnisse als die Standard-Therapie allein. Die besten Erfolge aber konnte die Gruppe vorweisen, für die gebetet wurde. Diese Patienten erholten sich schneller, es gab weniger Komplikationen.

Soweit der Stand des Pilot-Projektes. Jetzt aber, wo 750 Herzpatienten beteiligt waren, kann Krucoff mit noch mehr Details aufwarten. Diesmal ließ er nicht nur auf der ganzen Welt Menschen für Patienten beten. Sondern er beauftragte weitere Gebetsgruppen, für diejenigen zu beten, die für die Patienten beteten. Doppelt hält besser, sozusagen. "Wir nennen das eine hohe Dosis!" - der Mediziner lächelt. Sonnabend wird er die Auflösung verraten. Die Beweise liefern.

Denn ein einzelner - wie Achim Reichel - kann natürlich schwerlich beweisen, daß ihm Gebete geholfen haben. "Habe ich mich so schnell erholt, weil für mich gebetet wurde?" fragt der Musiker. "Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, daß alles gut ausgegangen ist." Obwohl die Ärzte ihm davon abrieten, traute sich der Musiker ein Vierteljahr nach dem Krankenhausaufenthalt zwei Tourneen zu. "Ich hatte die Kraft und spürte, daß ich beschützt und geführt werde." Reichel meditiert regelmäßig, praktiziert seit 20 Jahren Yoga und glaubt daran, daß ihn die innere Stimme führt. "Die hört man aber nur, wenn man in die Stille geht. Zur Ruhe kommt."

Die Arbeit der Mediziner, die die Wirkung von Gebeten erforschen, wird - das ist nicht verwunderlich - durchaus auch kritisch verfolgt. Wie seriös sind die Untersuchungen? Geben sie tatsächlich Aufschluß über die Auswirkung des Betens auf den menschlichen Körper? Handelt es sich um objektiv belegbare Daten, oder spielt bei diesen Studien die subjektive Wahrnehmung eine große Rolle?

Warten wir ab, was von Mitchell Krucoff noch alles so kommt. Wie erklärt er sich denn überhaupt das Phänomen? Warum wirken Fürbitten? Auf Spekulationen will er sich nicht einlassen. Vielleicht wird dieses Problem irgendwann auch wissenschaftlich erforscht. Er sagt nur: "Auf der ganzen Welt, in jeder Kultur, gibt es Menschen, die für die Kranken beten." Das sagt eigentlich schon genug.

Und woran glaubt Mitchell Krucoff? Ist er Christ? Buddhist? Da lacht er nur und sagt: "I'm a doctor!" Und wie sagte noch Paracelsus (1493-1541)? Wer heilt, hat recht.

erschienen am 11. Juni 2005 in Kultur / Medien
Abendblatt
 
Werbung:
Zurück
Oben