Ihr Lieben!
Zunächst mal zum konkreten Traum:
Die Traumsprache schöpft aus den unterschiedlichsten Bilderquellen - die Bilder der Träume sind eine "andere Sprache", mit der unser Unbewusstes arbeitet. Zu einem großen Teil arbeitet, ohne dass unser Bewusstsein etwas dazutun muss, damit diese Arbeit gut wirkt. Träume sind vor allem so etwas wie psychohygienische Prozesse, mit denen wir in der Nacht, während sich unser Bewusstsein nicht behindernd dazwischenschieben kann, eine art innere Regulation bewirken. da werden "Tagesreste" bearbeitet, die das unbewusste bewegt haben, da werden auch archetypische Bewegungen ausgelöst (dazu später noch)...
Jedenfalls halte ich es für gut möglich, dass es sich bei dem bild des Panzers um so einen Tagesrest handelt. Ich weiß nicht, wie es deine Eltern mit dem Fernsehen gehalten haben, als du ein Baby warst. Auf jeden fall genügt unter Umständen ein kurzer Blick auf eine Szene in einer Nachrichtensendung oder in einem Actionfilm, in dem ähnliches zu sehen ist, ein Panzer, der ein haus niederwalzt oder jemand überfährt. Wenn das im "richtigen" Augenblick die Wahrnehmung eines Menschen erreicht, kann das zum Traumsymbol für tiefsitzende Ängste werden. Es kann eine Angst, eine namenlose Angst vor irgendetwas völlig anderem sein, vor einem "überrollenden" Geschehen, das sich in diesem Panzer ausdrückt. Es ist vielleicht nicht einmal die Angst vor Lebensgefahr im eigentlichen Sinn, sondern dieses Überrolltwerden und Sterben wäre mir durchaus auch als Bild plausibel, das die Situation eines Kleinkindes widerspiegelt: Auch Eltern, die als sehr liebevoll wahrgenommen werden, fahren im übertragenen Sinn über das Kind drüber, beim Windeln wechseln, oder wenn "die Umstände" verlangen, sich gegenüber dem spontanen Wollen des Kindes durchzusetzen ... und bei diesem "Drüberfahren" im übertragenen Sinn stirbt einiges an kindlichem Selbstbewusstsein. Die Situation ist für Kinder umso verfahrener, da sie auf der anderen Seite existenziell auf die Liebe ihrer Eltern angewiesen sind und die Angst, beim Drüberfahren alleingelassen zu werden, sehr vielschichtig werden kann.
Es hilft auch nicht viel, so einen Traum nur zu deuten - es ist die Frage, wie ich mit dem, was ihn auslöst, lebe. Und wenn du diesen Traum nach einigen Jahren wieder "losgeworden" bist, dann ist er hier und heute nur noch eine Erinnerung. Wenn er dich heute noch bewegt, dann ist es die Frage, welche Ängste, dass man dich überrollt, dich heute (immer noch) plagen. Der Traum bzw. die Erinnerung an den Traum ist nur ein Hinweis darauf ... die Deutung kann bestenfalls einen Fingerzeig geben, wo etwas zu lösen ist. Zu lösen ist es aber hier und heute und mit wachem Bewusstsein.
@Yojo: ich habe seinerzeit schon versucht, mit traumbaum über seine Auffassung der Archetypen zu diskutieren, mit der er sich zwar immer wieder auf C.G.Jung berufen hat, die aber so, wie er sie darstellte, eher eine abenteuerliche Vermischung von Gehirnphysiologie mit Tiefenpsychologie darstellte. Und als ich ihm das schließlich bewiesen hatte, warf er den Jung-Schülern vor, dass sie halt steckengeblieben wären und nichts dazugelernt hätten.
In Wirklichkeit haben Archetypen nichts mit Gehirnhälften etc. zu tun (nebenbei: die jüngste Gehirnforschung hat auch da sehr viel auf den Kopf gestellt, was noch als gültiges Denkmodell über die Funktionsverteilung im Gehirn durch die Welt geistert). Archetypen sind Strukturen des kollektiven Unbewussten und dienen sozusagen als Schnittstellen zwischen meinem individuellen und dem kollektiven Unbewussten. Jung hat entdeckt, dass in den unterschiedlichsten Kulturen weltweit, von hochentwickelten Zivilisationen bis zu Naturvölkern bestimmte Strukturen der Psyche in ganz ähnlichen Bildern geträumt werden (und nicht nur geträumt, sondern auch dort ganz ähnlich ausgedrückt werden, wo die Bildersprache verwendet wird in den Bildern von Mythen, in rituellen Symbolen etc.). Darauf hat er seine Theorie vom kollektiven Unbewussten aufgebaut, das sehr alte stammesgeschichtliche Wurzeln hat (daher Arche...) und zugleich so etwas wie eine Typenlehre des Unbewussten darstellt (daher Typen).
Es geht uns gut, wenn wir im Einklang mit den Schichten unserer Identität leben dem bewussten Ich, mit unserem persönlichen Unbewussten und mit dem kollektiven Unbewussten. Träume haben, wie eingangs schon erwähnt, die Funktion, diese Schichten der Psyche kommunizieren zu lassen. Nun sind Archetypen zunächst einmal nichts anderes als abstrakte Strukturen damit sie kommunizierbar werden, damit wir uns etwas vorstellen können, stellen sie sich unserem Bewusstsein in typischen Figuren bzw. Erscheinungsbildern vor: Animus und Anima zum Beispiel als der unserem jeweiligen biologischen Geschlecht entgegengesetzte psychosexuelle Anteil, der Schatten als Bild unserer verdrängten, dunklen Anteile, Symbole des Selbst (oft runde, Mandala-ähnliche Formen oder aber weise Alte) usw.
Archetypische Träume, die uns bewusst werden, sind eher selten, und sie gelangen in der Regel auch erst dann in die Erinnerung, wenn wir uns ihnen öffnen wenn wir sozusagen einen Film in unsere innere Kamera geladen haben, damit wir sie aufnehmen können. Oder wenn zwischen den Schichten unserer Psyche etwas so gravierend in Unordnung geraten ist, dass aus dem Unbewussten Alarmsignale aufsteigen: Schau her, was los ist! Tu was!
Meistens allerdings kommt die Unordnung eher dann zustande, wenn wir meinen, dass unser Bewusstsein gescheiter ist als unser Unbewusstes und unsere Anbindung ans kollektive Unbewusste und wenn wir mit unserem Verstand an uns arbeiten. Dann sind wir auf dem besten Wege, ein vielfältig vernetztes, sich selbst regulierendes System durch den schmalen Scheuklappenbereich unserer Vorstellungen und Projektionen zu ersetzen, wie wir zu sein hätten. Das wäre so ähnlich wie wenn wir nun die vegetative Steuerung unseres Herzrhythmus ausschalten und die Impulse in unser Bewusstsein übernehmen wollten. Tödlich...
Alles Liebe, Jake