Karthasix schrieb:
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Hmmm.... sie ist jetzt 88 und seit knapp 3 Jahren bin ich mit ihrer Betreuung befasst. Bin nicht immer mit 100%igem Herz bei der Sache, weil ich auch nebenher mein eigenes, chaotisches Leben und die Beziehung zu meiner Gefährtin irgendwie ordnen muss. Aber an manchen Tagen, wenn es mir gelingt das Herz für sie zu öffnen, habe ich das Gefühl, als wäre es "bestimmt", dass sich mein Kreis so schließt. Ich fühle mich dann wie der Wächter und sie ist dann mein Kind.
Ein sogenanntes Helfersyndrom aber habe ich nicht. Nein, ich rede nicht viel darüber .... ich lasse sie reden.
Ich habe zu deinem Thema zwei Gedanken:
Zum einen aus der pflegerischen Sicht:
Ich habe es oft erlebt, dass sich grade sehr alte Menschen viel mehr in ihren Erinnerungen aufhalten als im realen Leben. Die Eltern sind die prägendsten Personen und oft präsent bis ans Lebensende.
Oft stehen sie aber auch als Stellvertreter / Methapher.
So ist der Begriff "Vater" oft als "himmlischer Vater" gemeint. Er ist der, der die Sterbenden annimmt. (siehe Elisabeth Kübler-Ross "Was Sterbende uns sagen wollen")
Wenn du herausfinden kannst, in welcher Realität sich deine Mutter befindet, wenn du bei ihr bist und sie von ihrem Vater spricht, bist du ein gutes Stück weiter, um deine Frage beantworten zu können. Ist sie altersdement / verwirrt?
Befindet sie sich im realen Leben, könntest du ihr z.B. als Trost sagen, dass sowohl in ihr selbst als auch in dir ein Stück von ihrem Vater enthalten ist. (Gene, Erbfolge, vererbtes famliäres Wissen, kollektives Bewusstsein) Und selbst wenn sie stirbt, bleibt etwas von ihrem Vater und ihr selbst durch dich und deine Person zurück auf dieser Welt.
Ist sie verwirrt, lass sie reden und übe dich in Emphatie. Mitfühlen, zustimmen, Gedanken evtl. helfend weiterspinnen...
Aus esoterischer Sicht:
Ich selbst habe auch das Gefühl, dass ein wesentlicher Anteil von meiner Oma in mir weiterlebt. Anfangs irritierte mich das. Ich wollte NUR ich sein. Aber heute denke ich, dass das normal ist. Wir sind immer auch ein Stück unsere Vorfahren. Heute empfinde ich das als hilfreich u. teilweise sogar beschützend. Ich kann vieles mit ihren Augen sehen, obwohl ich durch meine eigenen schaue. Klingt komisch, ist aber so. Indem ich das kann, hilft es mir weiter, weil ich mehr sehe, als wenn ich nur durch mich selbst sehen würde. Vielleicht ist das eine Art Datenabgleich...., kann es auch nicht genauer benennen.
Was genau meinst du mit "der Kreis sich schließen"?
Es ist normal, dass wir als erwachsene Kinder über unsere Alten wachen. Die Rollen verkehren sich ins Gegenteil. Ich denke, dass der Anteil Sterbender gering ausfällt, der bis zum letzten Atemzug er selbst als Erwachsene, selbstständig Handelnde und Entscheidende bleibt. Die meisten Hochaltrigen sind auf Betreuung auf allen Ebenen angewiesen.
Früher war das anders - die Menschen starben eher.
Durch die verbesserten Lebensbedingungen werden Menschen "steinalt", jedoch kann nicht der gesamte Körper diesem verlängerten Zyklus gesund standhalten. Dadurch haben wir heute mehr hirnorganisch Erkrankte, als früher.
Konnte ich dir ein wenig weiterhelfen?
Spannendes Thema auch für mich.
Grüßli, Romaschka