Das liegt dann aber sicher auch daran, dass du es mal als Kind schmerzlich
erlebt hast, dass die Eltern mal weg waren - oder nicht sofort an dein
Bettchen kamen - wenn du geweint hast.
Für ein Kind ist weg - das Gleiche wie Tod - wenn es noch klein ist
und keine Zusammenhänge kennt.
Nein, das ist ja das komische. Meine Mutter war immer zu Hause.
Ups, jetzt ist mir was eingefallen: Als ich drei Jahre war lag ich sechs Wochen im Krankenhaus. Damals durften Besucher auf der Kinderstation nur durch eine Scheibe ins Spielzimmer gucken. Ich kann mich sehr weit zurück erinnern und ich weiß noch, dass ich immer hoffte, heute würden mich meine Eltern holen. Und ich weiß noch, dass ich irgendwann dachte, ich muss jetzt hierbleiben.
Einmal sah ich plötzlich meine Eltern vor der Scheibe, entwischte der Krankenschwester, lief zur Tür hinaus auf meinen Vater zu, der die Arme ausbreitet und gerade in dem Moment, als er mich auf den Arm nehmen wollte, schnappte mich die Schwester und trug mich wieder ins Spielzimmer. Ich habe fürchterlich geheult und sah, dass auch meine Eltern weinten.
Ja, in diesem Fall habe ich Verlust doch schon sehr früh erlebt.
Aber noch zu Deiner Frage, ob ich mir vorstellen kann wie es ist hellfühlig zu sein: ich kann tatsächlich oft empfinden was Menschen empfinden oder fühlen, obwohl ich es selbst noch nicht erlebt habe. Manchmal stimmt das Gefühl (wenn mir derjenige darüber nachher berichtet hat), manchmal kann es aber auch falsch gewesen sein, weil ich nicht mit dem Menschen darüber gesprochen habe.