Der erste Politiker der die Wahrheit sagt
Ich hab schon herzlicher gelacht ... gerade das scheint ja nun bei Googleberg weniger ausgeprägt zu sein. Mir fällt dazu allerdings auch der Heinz von Förster ein: "Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners". Wenn man Dissertationen von anderen, weniger prominenten Akademikern so penibel unter die Lupe nähme, würde bei ziemlich vielen Ähnliches zutagetreten. Weite Teile des Wissenschaftsbetriebs leben vom Abschreiben, ergänzt durch einige wenige original gedachte Theorieansätze... Evolution, auch wissenschaftliche, besteht ja größerenteils nicht darin, dass jemand das Rad neu erfindet, sondern dass Dinge weiterentwickelt werden. Ein Stehsatz im systemischen Change Management: Das Neue steht auf den Schultern eines Riesen.
Nun gibt es freilich einerseits die Regeln des wissenschaftlichen Zitierens und die Rahmenbedingungen für die Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit und andererseits die tagtägliche Praxis, dass womöglich nicht jeder Satz von Grund auf neu formuliert wird, wenn eine neue Arbeit vorgelegt wird. Ich sehe auch nicht den gravierenden Unterschied, der dadurch entstehen sollte, dass jemand ein und denselben Gedanken schlicht in etwas andere Worte oder Satzstellungen kleidet, aber trotzdem Sinn und Inhalt übernimmt. Entscheidend für den wissenschaftlichen Wert einer Dissertation ist doch, ob sie inhaltlich Neues und Nützliches bringt, neue Theoriebildungen, neue Sichtweisen... über den Wert der zGB-Diss kann ich nichts sagen, außer dass sie wie tausende andere angenommen und dann vergessen wurde für lange Zeit; in die Annalen der Rechtsgeschichte wird er wohl nicht eingehen durch seine Arbeit.
Ich find's viel spannender als die Frage "hat er abgeschrieben oder nicht" die dahinterliegende Dynamik. Ich geh mal davon aus, dass jede/r unserer amtierenden Politiker/innen in D-A-CH die eine oder andere Leiche im Keller hat, die man bei Bedarf zum Stinken bringen kann. Warum also gerade jetzt Googleberg? Cui bono? Sitzt der "politische Gegner" gegenüber oder in den eigenen Reihen? Warum gerade jetzt, wo er eh schon Gegenwind hat und wo's besonders effizient ist, noch einen draufzugeben?
Kommt hinzu, dass gerade bei charismatisch erscheinenden Personen (Obama fällt mir da ein, zum Beispiel) die Demontage von den einen besonders lustvoll und die Verteidigung von den anderen besonders verbissen betrieben wird. Wenn einer von vornherein als Schlitzohr gilt, kann er sich ziemlich viel leisten, bevor man ihn/sie geht ... von F.J. Strauß über Helmut Kohl oder Bill Clinton bis Berlusconi. Wenn einer sich als Strahle- und Saubermann gibt (oder dazu stilisiert wird, da gibt's ja auch Bedürftigkeiten in der veröffentlichten Meinung), kann schon ein kleiner Stolperer genügen, und der Lack ist ab. Was im Falle von und zu Googleberg von Vorteil sein mag ... jetzt könnte er jenseits von Glanz und Gloria beweisen, ob er tatsächlich politisches Format besitzt und Kompetenz zur Krisenbewältigung.
Um zum Anfang zurückzukommen: Ein Politiker, der von sich behauptet, er würde die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen, der lügt. Ein Wissenschaftler, der behauptet, er hätte noch nie abgeschrieben, der lügt. Journalisten, die die Frage nach der "Wahrheit" stellen, statt die entscheidendere Frage zu stellen, wer hier welche Interessen verfolgt, lügen ... weil sie ganz genau wissen, dass sie sich im Dienst von Quote und politischen Strategien instrumentalisieren lassen, statt dahinterliegende Dynamiken zu recherchieren und darzustellen. Die kunterbunten Formen der Lüge gehören doch seit jeher zum Geschäft...
Jake