was Dir als Aspulen des Lebens eines Menschen vor seinem geistigen Auge bekannt ist wird wissenschaftlich als Lebensbilderschau oder panoramatisches Erlebnis bezeichnet - das Phänomen, dass bei Sterbenden in Extremsituationen sowie gelegentlich auch auf dem Sterbebett das gesamte Leben quasi als "Film" im Zeitraffer noch einmal vor dem inneren Auge ablaufen lässt. Dieses Phänomen zählt zu den so genannten "letzten Bildern". Die Existenz des Phänomens dieser inneren Kinematografie ist wissenschaftlich weitgehend anerkannt. Der Münchner Neurologe Max Mikorey interpretiert die Lebensbilderschau als psychischen Mechanismus der Beruhigung, die den Verunglückten aus der Gefahrensituation entrückt. Die 1951 von Pötzl und Frankl entwickelte Theorie des Vorganges, der inneren kinematografischen Projektion, lässt sich in folgender Richtung weiterentwickeln. Primär tritt bei allen einschlägigen Fällen durch Verfeinerung des Zeitrasters ein Zeitlupeneffekt auf, welcher dem Verunglückten erlaubt, die akute Katastrophensituation überscharf zu erkennen und womöglich zu parieren. Erst dann, wenn der Betroffene die Aussichtslosigkeit der Situation erkennt und sich in sein Schicksal ergibt, vergehen ihm Hören und Sehen, so dass der Kontakt mit der Außenwelt völlig abreißt. Diese Wendung nach innen gibt das Stichwort für das Auftreten der Lebensbilderschau, wenn die Verfeinerung des Zeitrasters im Leerlauf bestehen bleibt, harmlose Erinnerungsbilder der Vergangenheit empor reißt und im Idealfall zu einer Lebensbilderschau komponiert. Bemerkenswert ist dabei auch das Phänomen einer Zeitauflösung bzw. einer Veränderung der individuellen Zeitwahrnehmung durch eine Veränderung des Bewusstseinszustandes. Nach der Theorie von Kinseher (2006) durchsucht das Gehirn bei der Lebensbilderschau das gesamte episodische Gedächtnis um einen Ausweg aus einer neuartigen Situation (z.B.: ´ich bin tot/ich sterbe´) zu finden; auch die anderen Elemente von Nah-Tod-Erlebnissen (Geräusch, Tunnelerlebnis, Zusammentreffen mit Lichtwesen) entstammen diesem Gedächtnisbereich. Das Gehirn versucht, mit Hilfe seiner Erinnerungen einen Handlungsvorschlag für die aktuelle Situation zu erstellen. (Der menschliche Körper ist ein komplexes System, welches von einem sehr effektiven Feed-Back Kontroll-System gesteuert und kontrolliert wird - dem Gehirn. Die aktuellen Sinneseindrücke werden dabei immer mit dazu passenden Informationen (Erfahrungen) aus dem Gedächtnis kombiniert, um dem ´Menschen´ eine passende Zukunftsvorhersage als Handlungsvorschlag für die aktuelle Situation zu liefern. Damit kann man auf jede Situation sofort angemessen reagieren; denn der Vorschlag des Gehirns wird immer an die aktuelle Situation angepasst.) Die Abneigung empirisch quantitativ arbeitender Wissenschaftler gegenüber dem Thema Nah-Tod-Erfahrungen hat verschiedene Gründe:
Die subjektiven geschilderten Eindrücke sind praktisch nicht objektivierbar, somit eher unergiebig für quantitative Forschung.
Der Psychologie, Neurologie und Psychiatrie (und anderen Fachgebieten) ist im Laufe ihrer Entwicklung immer bewusster geworden, wie leicht täuschbar das menschliche Gehirn ist und wie subjektiv eingefärbt alles Erleben ist
Als Tod gilt in der Biologie der unumkehrbar bleibende Zusammenbruch aller biologischen und neurologischen Funktionen. Das Weiterbestehen einer wie immer gearteten psychischen Funktion ohne funktionierendes Gehirn wird als unmöglich angesehen, da es allen bisherigen objektivierbaren Erfahrungen widerspricht.
Das Thema wird von einigen Autoren dazu ausgenutzt, um mit zweifelhaften Buchveröffentlichungen und anderen medienwirksamen Auftritten viel Geld zu verdienen.
Wenn Du Dich schon mit solch hochumstrittenen aber auch wissenschaftlich belegbaren Phänomenen befasst, solltest Du auch die Neurobiologie und gerade hier die bahnbrechenden Erkenntnisse der letzten Jahre etwas mehr in Deinen Blickwinkel rücken lassen. Aus diesem Grund schreibe ich Dir in dieses Forum.
Führend in diesem äußerst interessanten und für einen persönlich auch aufschlussreichen Fachbereich ist derzeit u.a. der Neurologe und Philosoph Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth von der Uni Bremen.
Aber ein Wort noch zu Deiner Faszination von diesem Thema. Die Art, wie Du und noch viele andere hier im Forum sich gegenseitig Ihre Denkweise über dieses Thema vermitteln ist schon etwas befremdend. Einfach nur ein paar Wörter in den Raum zu werfen und zu hoffen damit auf Verständnis zu stoßen kommt allgemein nicht gut an. Ich hoffe jeder von kommt ab und an mal unter Leute, treibst etwas Sport und hat Spaß am Leben. Man ist ja oft fasziniert von solchen Ereignissen, die einen bzw. viele Menschen zu blenden wohl geeignet sind. Auch der Blick durch ein Kaleidoskop ist für ein Kind das erste Mal etwas völlig unbegreifliches bis es die Ursache für das Lichtspiel kennt.
Aber vielleicht ist ja gerade der Mangel dieser Erkenntnis, der Zauber der das Leben für viele ausmacht.