Wieviel ist das Prana-Heiler-Zertifikat wert?
Wer zu witzeln wagt, der Name klinge eher nach dem Tagesgericht beim chinesischen Schnellimbiss um die Ecke, macht sich in gewissen Kreisen beinahe schon der Häresie verdächtig. Denn "Master" Choa Kok Sui, ursprünglich Chemie-Ingenieur und Geschäftsmann in Manila, zählt zu den meistverehrten Schulgründern innerhalb der alternativen Gesundheitskultur. Dem Charisma des philippinischen Heilers chinesischer Abstammung, aber auch seinen glänzenden Marketingstrategien verdankt das Pranic Healing einen der steilsten Aufstiege in der fluktuationsanfälligen Hitliste esoterischer Therapierichtungen.
Beim Prana-Heilen handelt es sich überwiegend um ein weiteres Amalgam aus Bruchstücken alten chinesischen und indischen Heilwissens. Wie Anhänger zu wissen meinen, hat Choa Kok Sui es "seit etwa 25 Jahren gesammelt, in einem von ihm gegründeten Institut systematisiert und empirisch, das heißt experimentell, abgesichert".1 Gelegentlich ist von einem Meister Mahaguruji Mei Ling die Rede, von dem nicht viel mehr bekannt ist, als dass er (a) ziemlich erleuchtet gewesen sein muss und (b) Choa Kok Sui zu Beginn von dessen paramedizinischer Karriere exklusiv "eingeweiht" haben soll. Wie Mantak Chia, so wird auch Choa Kok Sui als besonderes Verdienst zugerechnet, er habe das ihm anvertraute "uralte Geheimwissen" genialerweise derart einfach und klar aufbereitet, dass es nunmehr mühelos zu verstehen und ebenso leicht wie flugs zu erlernen sei. ...........
......Dazu führen, Kok Suis "Forschungsergebnissen" zufolge, vor allem "Stress, falsche Ernährung, negative Gedanken und aufgestaute Emotionen". Weil so entstandene "Disharmonien" im Lebensenergiefluss, lange bevor sie sich körperlich auswirken, schon Spuren in der Aura hinterlassen, besteht der erste Schritt des Prana-Heilens darin, sie durch manuelles Abtasten der Aura, dem sogenannten Scanning, zu identifizieren, wofür die Hände des Prana-Heilers während der Ausbildung "sensibilisiert" worden sind.
Im zweiten Schritt wird die Aura örtlich und allgemein "gereinigt", ein Vorgang, den Kok Sui Sweeping nennt. Dabei fährt der Prana-Heiler mit wischenden Handbewegungen in mehreren Zentimetern Abstand dem Körper entlang - und "entsorgt" das dabei "abgetragene" "schlechte Prana" mit pantomimenhafter Gestik, die es uneingeweihten Augenzeugen schwermacht, ihr Prana nicht durch die negative Emotion der Häme zu verunreinigen: Eine danebengestellte Schale mit einem Liter Salzwasser fungiert sozusagen als "energetischer Müllschlucker", in den hinein "schmutzige" Energie abgeleitet wird.
Im dritten Schritt bemüht sich der Heiler, reines, sauberes Prana zu übertragen. Als sicherste Methode hierfür gilt "der Weg über die Chakras in den Handinnenflächen". Die eine Hand himmelwärts geöffnet, "nimmt" der Heiler Prana "auf", das er mit der anderen an den Klienten weitergibt.
Dieses durchaus simple therapeutische Grundkonzept hat Choa Kok Sui nach und nach "verfeinert" und um Elemente ergänzt, die zumeist erst "Fortgeschrittenen" offenbart werden. Sie alle sollen dazu beitragen, die Effizienz des Prana-Heilens noch dramatisch zu steigern. Dazu zählt die "Meditation über die zwei Herzen", die nicht etwa einem dualen Koronarproblem gilt, sondern "das Herz- und das Kronen-Chakra aktivieren und entwickeln" soll. Denn beim Herzchakra in der Mitte der Brust handle es sich um den "Sitz der höheren Emotionen", während das Kronenchakra "auf dem Scheitel" "das Tor zum höheren spirituellen Bewußtsein" sei; wem es gelinge, sie "kraftvoll" meditierend anzuregen, der erlebe nicht nur "göttliche Liebe und Einheit", "innere Stille und Frieden", sondern führe auch eine "Verstärkung der Heilkraft und intensivierte Sensibilität" herbei. Hinzugekommen sind darüber hinaus im Laufe der Jahre der Einsatz von Kristallen ("Crystal Healing") und Farben, die Fortgeschrittene "mittels bestimmter Techniken in einzelnen Chakren erzeugen"; eine Ansammlung von Spezialunterweisungen bei geistig-seelischen Erkrankungen ("Pranic Psychotherapy"); die Kunst der Selbstverteidigung gegen schwarzmagische Zudringlichkeiten und andere "psychische Angriffe" ("Psychic Self-Defense"); sowie, als "spirituelle Untermauerung des Prana-Heilens", das Arhatic Yoga, eine Sammlung von "kraftvollen" Meditationstechniken, die unter anderem zu "mehr Selbstverwirklichung", zur "Erweckung der Kundalini-Energie oder des Heiligen Feuers'" und zur "proportionalen Ausbalancierung von Aspekten der Universellen Liebe" verhelfen sollen.
Im Unterschied zu den meisten anderen Therapieimporten aus Fernost produziert die "Pranic Healing"-Schule fertige Heiler nicht schon nach einem Einweihungswochenende. Das zum Ausüben nötige Wissen wird äusserst lukrativ häppchenweise verabreicht, verteilt über mehrere aufeinander aufbauende Kurseinheiten:
1. Grundkurs "Basic Pranic Healing": Er vermittelt das Heilkonzept und grundlegende Techniken, mit denen "hundert gewöhnliche Leiden behandelt" werden können.
2. Fortgeschrittenenkurs "Advanced Pranic Healing", der unter anderem dazu befähigen soll, auch "schweren Erkrankungen" beizukommen, und ein "Master Healing" zum "Superenergetisieren" sowie für besonders "rasche Gesundung" vermittelt
3. Pranische Psychotherapie
4. Kristallheilen
5. Psychische Selbstverteidigung
6. Kriyashakti: Die "Wissenschaft von der Schaffung von Überfluss"
7. Arhatisches Yoga: "Das Yoga der Synthese"
Ein einheitliches "Zertifizierungsprogramm", von Manila aus zentral koordiniert und überwacht, legt im Detail fest, welche Kursteilnahmen mit anschließender Praxis dazu berechtigen, einen von vier hierarchisch gestuften Titeln zu führen:
Inwieweit dieses ausgeklügelte Studienkonzept tatsächlich die besten Heiler hervorbringt, weiß vorerst niemand außerhalb des Kok Sui-Umfelds. Zwar quellen die Internetpräsenzen vieler Prana-Heiler und ihrer diversen Dach- und Unterorganisationen vielfach über von "Testimonials", begeisterten Dankschreiben von Patienten, die sich wundersam geheilt wähnen. Doch dabei handelt es sich ausnahmslos um Anekdoten bar jeglichen medizinischen Belegs - was umso mehr überrascht, als der "Master" seine Anhängerschaft ausdrücklich auffordert; von der offiziellen Homepage seiner deutschen Sektion kann dafür sogar ein "Dokumentationsformular" heruntergeladen werden.
Wie Prana-Fernheilen eine Beinamputation verhinderte, weiß ein kolumbianischer "Zertifizierter Senior-Heiler" aus Bogota zu berichten. Ein paar Wochen nach seinem ersten Grundkurs in Prana-Heilen sei er mit der Not einer 68jährigen Freundin der Familie konfrontiert worden. An deren linkem Unterschenkel hatte sich ein schlimmes Erysipel gebildet: eine "Wundrose", bei der sich Haut und Unterhautgewebe entzünden. (Solche Entzündungen neigen tückischerweise zur Ausbreitung auf dem Lymphweg.) Betroffen war eine Stelle von immerhin schon zwölf Zentimetern Länge und sechs bis acht Zentimetern Breite; die Entzündung reichte so tief, dass schon der Knochen betroffen war. Vor Schmerzen habe die Frau kaum noch schlafen können. Ihre Ärzte erwogen bereits eine Beinamputation. Obschon gerade außer Landes, begann der Prana-Heiler sogleich eine Fernbehandlung. Und bereits in der Nacht nach der ersten "Energieübertragung" habe die Patientin zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder tief und ruhig schlafen können. Tags darauf sei sie imstande gewesen zu gehen, nachdem sie zuvor monatelang bettlägrig gewesen war. Die entzündete Stelle "heilte derart gut, dass sich die Wunde innerhalb von zwei Wochen vollständig geschlossen hatte", versichert der Heiler. Insgesamt hätten bloß vier Fernbehandlungen stattgefunden.
Choa Kok Sui ermutigt seine Schüler nicht nur mit Nachdruck, solche Fallbeispiele zu sammeln, ihm einzureichen und zu veröffentlichen - er versucht sie auch zu "ernsthafter Forschung" anzuregen, wofür er entsprechende "Richtlinien" verbreitet. Studien mit erfreulichem Ausgang stellt er im Internet vor. Dort finden sich bisher vier. Drei sollen den positiven Effekt des Prana-Heilens auf die schulischen Leistungen und Verhaltensmuster von Jugendlichen belegen; eine vierte soll nachgewiesen haben, dass Prana-Heilen Zellkulturen gegen radioaktive Bestrahlung schützen kann.
Auch wer an diesen Befunden nichts zu mäkeln hat, kommt schwer um die Verwunderung herum, dass das schon alles sein soll. Insbesondere vermisst man unter den veröffentlichten "wissenschaftlichen Erkenntnissen" jene, die beizubringen Choa Kok Sui selbst angeblich 25 Jahre "intensiver" Forschung zugebracht hat. Worüber der Meister in dieser langen Zeit forschte, mit welchen Untersuchungsmethoden, mit was für Versuchspersonen und Zielobjekten, konnte mir bisher kein Prana-Heiler sagen; entsprechende Publikationen sucht man in der Fachliteratur vergeblich.
Die wacklige "empirische" Fundierung schadet dem prosperierenden Business bisher freilich nicht im geringsten. Ähnlich wie Reiki, aber noch erheblich stärker zentralisiert und einen konsequenten Ein-Personen-Kult pflegend, hat sich "Pranic Healing" zu einem multinational operierenden esoterischen Wellness-Konzern entwickelt, dessen profesionelle Vertriebsstrukturen, Werbestrategien und Marketingkonzepte dem Geschäftsmann Kok Sui deutlich mehr Ehre machen als belegte therapeutische Großtaten dem Heiler Kok Sui. Die Schaltzentrale der Macht sitzt auf den Philippinen. Hier präsidiert Choa Kok Sui dem "Institute for Inner Studies, Inc." in Makati City, einer "World Pranic Healing Foundation, Inc." sowie der "World Pranic Healers Association", beide mit Sitz in Pasig City. Während das "Institut" das Prana-Heilen auftragsgemäß "in die Industrieländer" bringen soll, lautet die Mission der "Stiftung", Spendengelder einzusammeln, um Prana-Heilen in "Entwicklungsländern" zu verbreiten. Die "Heilervereinigung" reglementiert, koordiniert und überwacht weltweit das Ausbildungswesen, womit sie reichlich Arbeit hat: Denn von Ecuador bis Togo, vom Oman bis Australien, von Lettland bis Nigeria wurden bereits 62 nationale Repräsentanzen aufgebaut. Für Deutschland werden rund 40 urkundlich anerkannte Prana-Heiler aufgelistet Ihren "Koordinator" haben sie in dem Inder Sai Cholleti, einem studierten Fahrzeugbauer, aus dem "nach mehreren mystischen Erlebnissen" ein Yogalehrer wurde, ehe er Choa Kok Sui bei einem Ausbildungsseminar kennenlernte. Mitte der neunziger Jahre zog es Sai Cholleti mit seiner deutschen Ehefrau nach München. Von dort aus entfaltet er rege Vortrags- und Seminaraktivitäten im deutschsprachigen Raum. Den Interessenverband und Förderverein "Prana Germany e.V." hat er mitbegründet.
Allein mit Kursen und Büchern, die in über 27 Sprachen übersetzt worden sind,11 wähnt Choa Kok Sui den heilsuchenden Blauen Planeten offenbar noch unterversorgt. Weitere Bedarfslücken schließt er mit "Pranic Healing International", einer Vertriebsgesellschaft, die einen regen Versandhandel mit allerlei CDs, Postern, medialen Bildern, Ölen, Essenzen, Kristallen, Heilsteinen und Anhängern mit Kok-Sui-Konterfei betreibt. Zu den Kassenschlagern gehört das "Prana-Wasser", ein in handelsübliche Plastikbehälter abgefülltes "Quellwasser mit Großmeister Choa Kok Suis besonderem Segen"; Kirlianbilder belegen angeblich, dass derartiges Wasser "eine mehr als dreißigfach höhere Auraschwingung aufweist" als gewöhnliches H2O. Speziell für Prana-Heiler, die sich beim Aurasäubern nicht allein auf die eigenen Hände verlassen wollen, ist seit kurzem ein "Aura- und Chakra-Reinigungsspray" auf dem Markt.
Nicht bloß die mannigfachen Manifestationen eines überbordernden ostasiatischen Geschäftssinns sind es, von denen sich Unvoreingenommene eher abgeschreckt und Skeptiker des "Prana-Heilens" bestärkt fühlen. Auch die an Heiligenverehrung grenzenden Respektsbekundungen, die der "Meister" und neuerdings "Großmeister" eher fördert als unterbindet, machen stutzig. Einerseits lässt er sich gerne für seine "übliche asiatische Bescheidenheit" loben. Andererseits quillt aus den offiziellen Homepages der "Pranic Healing-Organisationen kübelweise Hinterhergeschleimtes, das die Aufnahmekapazität auch des voluminösesten Entsorgungseimers für schmutziges Prana voraussichtlich überfordern würde: ob nun Kok Suis grandiose Leistungen als Forscher gewürdigt ("the scientist of the soul"), sein schöpferischer Genius betont ("he even originated new, never before used terms") oder seine Qualitäten als Lehrmeister unterstrichen werden ("a unique spiritual teacher for this modern time") - kurzum, ein "erleuchteter Guru".
gekürtzte Version entnommen von www.psi-infos.de ( erlaubt bei Quellenangabe )
Wer zu witzeln wagt, der Name klinge eher nach dem Tagesgericht beim chinesischen Schnellimbiss um die Ecke, macht sich in gewissen Kreisen beinahe schon der Häresie verdächtig. Denn "Master" Choa Kok Sui, ursprünglich Chemie-Ingenieur und Geschäftsmann in Manila, zählt zu den meistverehrten Schulgründern innerhalb der alternativen Gesundheitskultur. Dem Charisma des philippinischen Heilers chinesischer Abstammung, aber auch seinen glänzenden Marketingstrategien verdankt das Pranic Healing einen der steilsten Aufstiege in der fluktuationsanfälligen Hitliste esoterischer Therapierichtungen.
Beim Prana-Heilen handelt es sich überwiegend um ein weiteres Amalgam aus Bruchstücken alten chinesischen und indischen Heilwissens. Wie Anhänger zu wissen meinen, hat Choa Kok Sui es "seit etwa 25 Jahren gesammelt, in einem von ihm gegründeten Institut systematisiert und empirisch, das heißt experimentell, abgesichert".1 Gelegentlich ist von einem Meister Mahaguruji Mei Ling die Rede, von dem nicht viel mehr bekannt ist, als dass er (a) ziemlich erleuchtet gewesen sein muss und (b) Choa Kok Sui zu Beginn von dessen paramedizinischer Karriere exklusiv "eingeweiht" haben soll. Wie Mantak Chia, so wird auch Choa Kok Sui als besonderes Verdienst zugerechnet, er habe das ihm anvertraute "uralte Geheimwissen" genialerweise derart einfach und klar aufbereitet, dass es nunmehr mühelos zu verstehen und ebenso leicht wie flugs zu erlernen sei. ...........
......Dazu führen, Kok Suis "Forschungsergebnissen" zufolge, vor allem "Stress, falsche Ernährung, negative Gedanken und aufgestaute Emotionen". Weil so entstandene "Disharmonien" im Lebensenergiefluss, lange bevor sie sich körperlich auswirken, schon Spuren in der Aura hinterlassen, besteht der erste Schritt des Prana-Heilens darin, sie durch manuelles Abtasten der Aura, dem sogenannten Scanning, zu identifizieren, wofür die Hände des Prana-Heilers während der Ausbildung "sensibilisiert" worden sind.
Im zweiten Schritt wird die Aura örtlich und allgemein "gereinigt", ein Vorgang, den Kok Sui Sweeping nennt. Dabei fährt der Prana-Heiler mit wischenden Handbewegungen in mehreren Zentimetern Abstand dem Körper entlang - und "entsorgt" das dabei "abgetragene" "schlechte Prana" mit pantomimenhafter Gestik, die es uneingeweihten Augenzeugen schwermacht, ihr Prana nicht durch die negative Emotion der Häme zu verunreinigen: Eine danebengestellte Schale mit einem Liter Salzwasser fungiert sozusagen als "energetischer Müllschlucker", in den hinein "schmutzige" Energie abgeleitet wird.
Im dritten Schritt bemüht sich der Heiler, reines, sauberes Prana zu übertragen. Als sicherste Methode hierfür gilt "der Weg über die Chakras in den Handinnenflächen". Die eine Hand himmelwärts geöffnet, "nimmt" der Heiler Prana "auf", das er mit der anderen an den Klienten weitergibt.
Dieses durchaus simple therapeutische Grundkonzept hat Choa Kok Sui nach und nach "verfeinert" und um Elemente ergänzt, die zumeist erst "Fortgeschrittenen" offenbart werden. Sie alle sollen dazu beitragen, die Effizienz des Prana-Heilens noch dramatisch zu steigern. Dazu zählt die "Meditation über die zwei Herzen", die nicht etwa einem dualen Koronarproblem gilt, sondern "das Herz- und das Kronen-Chakra aktivieren und entwickeln" soll. Denn beim Herzchakra in der Mitte der Brust handle es sich um den "Sitz der höheren Emotionen", während das Kronenchakra "auf dem Scheitel" "das Tor zum höheren spirituellen Bewußtsein" sei; wem es gelinge, sie "kraftvoll" meditierend anzuregen, der erlebe nicht nur "göttliche Liebe und Einheit", "innere Stille und Frieden", sondern führe auch eine "Verstärkung der Heilkraft und intensivierte Sensibilität" herbei. Hinzugekommen sind darüber hinaus im Laufe der Jahre der Einsatz von Kristallen ("Crystal Healing") und Farben, die Fortgeschrittene "mittels bestimmter Techniken in einzelnen Chakren erzeugen"; eine Ansammlung von Spezialunterweisungen bei geistig-seelischen Erkrankungen ("Pranic Psychotherapy"); die Kunst der Selbstverteidigung gegen schwarzmagische Zudringlichkeiten und andere "psychische Angriffe" ("Psychic Self-Defense"); sowie, als "spirituelle Untermauerung des Prana-Heilens", das Arhatic Yoga, eine Sammlung von "kraftvollen" Meditationstechniken, die unter anderem zu "mehr Selbstverwirklichung", zur "Erweckung der Kundalini-Energie oder des Heiligen Feuers'" und zur "proportionalen Ausbalancierung von Aspekten der Universellen Liebe" verhelfen sollen.
Im Unterschied zu den meisten anderen Therapieimporten aus Fernost produziert die "Pranic Healing"-Schule fertige Heiler nicht schon nach einem Einweihungswochenende. Das zum Ausüben nötige Wissen wird äusserst lukrativ häppchenweise verabreicht, verteilt über mehrere aufeinander aufbauende Kurseinheiten:
1. Grundkurs "Basic Pranic Healing": Er vermittelt das Heilkonzept und grundlegende Techniken, mit denen "hundert gewöhnliche Leiden behandelt" werden können.
2. Fortgeschrittenenkurs "Advanced Pranic Healing", der unter anderem dazu befähigen soll, auch "schweren Erkrankungen" beizukommen, und ein "Master Healing" zum "Superenergetisieren" sowie für besonders "rasche Gesundung" vermittelt
3. Pranische Psychotherapie
4. Kristallheilen
5. Psychische Selbstverteidigung
6. Kriyashakti: Die "Wissenschaft von der Schaffung von Überfluss"
7. Arhatisches Yoga: "Das Yoga der Synthese"
Ein einheitliches "Zertifizierungsprogramm", von Manila aus zentral koordiniert und überwacht, legt im Detail fest, welche Kursteilnahmen mit anschließender Praxis dazu berechtigen, einen von vier hierarchisch gestuften Titeln zu führen:
Inwieweit dieses ausgeklügelte Studienkonzept tatsächlich die besten Heiler hervorbringt, weiß vorerst niemand außerhalb des Kok Sui-Umfelds. Zwar quellen die Internetpräsenzen vieler Prana-Heiler und ihrer diversen Dach- und Unterorganisationen vielfach über von "Testimonials", begeisterten Dankschreiben von Patienten, die sich wundersam geheilt wähnen. Doch dabei handelt es sich ausnahmslos um Anekdoten bar jeglichen medizinischen Belegs - was umso mehr überrascht, als der "Master" seine Anhängerschaft ausdrücklich auffordert; von der offiziellen Homepage seiner deutschen Sektion kann dafür sogar ein "Dokumentationsformular" heruntergeladen werden.
Wie Prana-Fernheilen eine Beinamputation verhinderte, weiß ein kolumbianischer "Zertifizierter Senior-Heiler" aus Bogota zu berichten. Ein paar Wochen nach seinem ersten Grundkurs in Prana-Heilen sei er mit der Not einer 68jährigen Freundin der Familie konfrontiert worden. An deren linkem Unterschenkel hatte sich ein schlimmes Erysipel gebildet: eine "Wundrose", bei der sich Haut und Unterhautgewebe entzünden. (Solche Entzündungen neigen tückischerweise zur Ausbreitung auf dem Lymphweg.) Betroffen war eine Stelle von immerhin schon zwölf Zentimetern Länge und sechs bis acht Zentimetern Breite; die Entzündung reichte so tief, dass schon der Knochen betroffen war. Vor Schmerzen habe die Frau kaum noch schlafen können. Ihre Ärzte erwogen bereits eine Beinamputation. Obschon gerade außer Landes, begann der Prana-Heiler sogleich eine Fernbehandlung. Und bereits in der Nacht nach der ersten "Energieübertragung" habe die Patientin zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder tief und ruhig schlafen können. Tags darauf sei sie imstande gewesen zu gehen, nachdem sie zuvor monatelang bettlägrig gewesen war. Die entzündete Stelle "heilte derart gut, dass sich die Wunde innerhalb von zwei Wochen vollständig geschlossen hatte", versichert der Heiler. Insgesamt hätten bloß vier Fernbehandlungen stattgefunden.
Choa Kok Sui ermutigt seine Schüler nicht nur mit Nachdruck, solche Fallbeispiele zu sammeln, ihm einzureichen und zu veröffentlichen - er versucht sie auch zu "ernsthafter Forschung" anzuregen, wofür er entsprechende "Richtlinien" verbreitet. Studien mit erfreulichem Ausgang stellt er im Internet vor. Dort finden sich bisher vier. Drei sollen den positiven Effekt des Prana-Heilens auf die schulischen Leistungen und Verhaltensmuster von Jugendlichen belegen; eine vierte soll nachgewiesen haben, dass Prana-Heilen Zellkulturen gegen radioaktive Bestrahlung schützen kann.
Auch wer an diesen Befunden nichts zu mäkeln hat, kommt schwer um die Verwunderung herum, dass das schon alles sein soll. Insbesondere vermisst man unter den veröffentlichten "wissenschaftlichen Erkenntnissen" jene, die beizubringen Choa Kok Sui selbst angeblich 25 Jahre "intensiver" Forschung zugebracht hat. Worüber der Meister in dieser langen Zeit forschte, mit welchen Untersuchungsmethoden, mit was für Versuchspersonen und Zielobjekten, konnte mir bisher kein Prana-Heiler sagen; entsprechende Publikationen sucht man in der Fachliteratur vergeblich.
Die wacklige "empirische" Fundierung schadet dem prosperierenden Business bisher freilich nicht im geringsten. Ähnlich wie Reiki, aber noch erheblich stärker zentralisiert und einen konsequenten Ein-Personen-Kult pflegend, hat sich "Pranic Healing" zu einem multinational operierenden esoterischen Wellness-Konzern entwickelt, dessen profesionelle Vertriebsstrukturen, Werbestrategien und Marketingkonzepte dem Geschäftsmann Kok Sui deutlich mehr Ehre machen als belegte therapeutische Großtaten dem Heiler Kok Sui. Die Schaltzentrale der Macht sitzt auf den Philippinen. Hier präsidiert Choa Kok Sui dem "Institute for Inner Studies, Inc." in Makati City, einer "World Pranic Healing Foundation, Inc." sowie der "World Pranic Healers Association", beide mit Sitz in Pasig City. Während das "Institut" das Prana-Heilen auftragsgemäß "in die Industrieländer" bringen soll, lautet die Mission der "Stiftung", Spendengelder einzusammeln, um Prana-Heilen in "Entwicklungsländern" zu verbreiten. Die "Heilervereinigung" reglementiert, koordiniert und überwacht weltweit das Ausbildungswesen, womit sie reichlich Arbeit hat: Denn von Ecuador bis Togo, vom Oman bis Australien, von Lettland bis Nigeria wurden bereits 62 nationale Repräsentanzen aufgebaut. Für Deutschland werden rund 40 urkundlich anerkannte Prana-Heiler aufgelistet Ihren "Koordinator" haben sie in dem Inder Sai Cholleti, einem studierten Fahrzeugbauer, aus dem "nach mehreren mystischen Erlebnissen" ein Yogalehrer wurde, ehe er Choa Kok Sui bei einem Ausbildungsseminar kennenlernte. Mitte der neunziger Jahre zog es Sai Cholleti mit seiner deutschen Ehefrau nach München. Von dort aus entfaltet er rege Vortrags- und Seminaraktivitäten im deutschsprachigen Raum. Den Interessenverband und Förderverein "Prana Germany e.V." hat er mitbegründet.
Allein mit Kursen und Büchern, die in über 27 Sprachen übersetzt worden sind,11 wähnt Choa Kok Sui den heilsuchenden Blauen Planeten offenbar noch unterversorgt. Weitere Bedarfslücken schließt er mit "Pranic Healing International", einer Vertriebsgesellschaft, die einen regen Versandhandel mit allerlei CDs, Postern, medialen Bildern, Ölen, Essenzen, Kristallen, Heilsteinen und Anhängern mit Kok-Sui-Konterfei betreibt. Zu den Kassenschlagern gehört das "Prana-Wasser", ein in handelsübliche Plastikbehälter abgefülltes "Quellwasser mit Großmeister Choa Kok Suis besonderem Segen"; Kirlianbilder belegen angeblich, dass derartiges Wasser "eine mehr als dreißigfach höhere Auraschwingung aufweist" als gewöhnliches H2O. Speziell für Prana-Heiler, die sich beim Aurasäubern nicht allein auf die eigenen Hände verlassen wollen, ist seit kurzem ein "Aura- und Chakra-Reinigungsspray" auf dem Markt.
Nicht bloß die mannigfachen Manifestationen eines überbordernden ostasiatischen Geschäftssinns sind es, von denen sich Unvoreingenommene eher abgeschreckt und Skeptiker des "Prana-Heilens" bestärkt fühlen. Auch die an Heiligenverehrung grenzenden Respektsbekundungen, die der "Meister" und neuerdings "Großmeister" eher fördert als unterbindet, machen stutzig. Einerseits lässt er sich gerne für seine "übliche asiatische Bescheidenheit" loben. Andererseits quillt aus den offiziellen Homepages der "Pranic Healing-Organisationen kübelweise Hinterhergeschleimtes, das die Aufnahmekapazität auch des voluminösesten Entsorgungseimers für schmutziges Prana voraussichtlich überfordern würde: ob nun Kok Suis grandiose Leistungen als Forscher gewürdigt ("the scientist of the soul"), sein schöpferischer Genius betont ("he even originated new, never before used terms") oder seine Qualitäten als Lehrmeister unterstrichen werden ("a unique spiritual teacher for this modern time") - kurzum, ein "erleuchteter Guru".
gekürtzte Version entnommen von www.psi-infos.de ( erlaubt bei Quellenangabe )