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Mein Name ist M., Angela M.!
Von Thomas Latschan
Sendung vom 13. Mai 2013
Angela Merkel, so hat man den Eindruck, war schon immer Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland - so lange ist sie an der Macht. Acht Jahre sind es jetzt schon. Aber es gibt tatsächlich noch ein Leben vor der Kanzlerschaft, weit davor. Und es gibt jetzt ein Buch, das sich mit dieser Zeit beschäftigt - insbesondere mit Angies Rolle in der DDR: "Das erste Leben von Angela M." heißt es, und heute erscheint ein Vorabdruck.
Haben Sie die Bild-Schlagzeile auch noch vor Augen? "Neues Buch enthüllt das geheime Leben der Angela M."? Angela M., geheimes Leben, das klingt doch total nach Abenteuer, Politthriller, Spionagekrimi. Bei mir geht da ja sofort das Kopfkino los: Da stell ich mir dann Angie als weiblichen Jason Bourne vor, die im alten, verrosteten Mini durch Zürich heizt, immer auf der Flucht vor den Killern der CIA. Oder als Geheimdienstleiterin, die ihre Agenten vom Schreibtisch aus auf tödliche Missionen schickt.
Ungefähr so, wie die fantastische Judy Dench das immer in den James Bond-Filmen gemacht hat. Die hieß in ihrer Rolle ja auch immer nur M. Wussten Sie eigentlich, dass man die Buchstaben aus "Angela Merkel" so umstellen kann, dass daraus "Lange Makrele" wird? Was für ein fantastischer Deckname! Ich war mir sicher: Das kann kein Zufall sein! Jetzt wird die Angie enttarnt!
Aber dann, beim Weiterlesen des Artikels, kam die große Ernüchterung. So geheimnisumwoben, spannend und enthüllend, wie es vorab gemacht wird, ist das Ganze wohl doch nicht. Wahrscheinlich hat die Angie vor dem Mauerfall dem DDR-System etwas nähergestanden als bisher bekannt, ohne dort eine wirklich tragende Rolle gespielt zu haben. FDJ statt MI5, Pionier statt spionieren, das war wohl Merkels Lebenswelt im Osten.
Und nach der Wende hat man dann ihren Lebenslauf ein wenig aufgehübscht, damit er besser zur CDU passt. Ist das skandalös? Naja. Ähnliches hab ich selbst noch in den Neunzigern an der Uni erlebt: Da hatten viele Akademiker aus Osteuropa eigentlich Marxismus-Leninismus studiert, in ihrem Lebenslauf stand dann aber "Politische Theorie". Ist nicht ganz falsch, lässt sich aber im Westen besser verkaufen. Im Buch heißt es, die Angie soll in der DDR ziemlich angepasst gewesen sein, und nach der Wende wollte sie gar keine Wiedervereinigung, sondern einen Reformsozialismus in einem eigenen DDR-Nachfolgestaat. Aber auch das ist wenig skandalös, sondern eher typisch Merkel: DDR will ich nicht, BRD aber auch nicht. Ich nehm den Mittelweg. Grundsolide und langweilig wie immer. Ob man sowas verfilmen kann? Wohl kaum. Und wenn, dann nur mit Judy Dench, als M., Angela M.!