Du hälst die Hand einer Frau oder eines Mannes, eines Freundes oder irgendeines anderen Wesens, sehr liebevoll und eine erregende Spannung kommt auf, es beginnt ein Tanz, ein inniger Tanz eurer Körperenergien. Du bist erregt, etwas vibriert in dir wie Elektrizität, etwas kräftigt dich, verjüngt dich, etwas macht dich lebendiger, als du jemals warst: das ist Freude, ist Gott, der durch den Körper wirkt.
Wenn du beim Musikhören ein ungeheures Glücksgefühl empfindest, ist es Freude, die über den Geist kommt. Wenn du eine Blume anschaust, ohne sie zu berühren und ohne den Geist ins Spiel zu bringen, kommt ein Moment, da Glückseligkeit herrscht, subtile, stille, tiefe Seligkeit, eine Segnung. All das sind verschiedene Manifestationen von Freude.
Tantra sagt, das Wichtigste ist, dass du offen für die Freude bist. Ihr werdet euch überrascht fragen, warum ich so sehr darauf beharre : "Sind wir denn nicht etwas offen für Freude ?" Ihr seid nicht offen, keiner ist offen dafür. Ja, es ist traurig genug, das zu sagen, aber es ist so. Gegenüber dem Leiden sind wir viel empfänglicher. Wir sind eher bereit, zu leiden, als das wir bereit sind, uns zu freuen. Diseses hat seine Gründe. Die Freude raubt dir dein Ego, und das Unglücklichsein stärkt dein Ego. Ein Moment der Freude... und du verlierst dich in ihm. Also noch einmal : weil wir Egoisten sind, sind wir offener für das Leiden, für das Unglück, die Traurigkeit, die Niedergeschlagenheit.
Seit Jahrhunderten erzählt man euch, dass ihr in den Himmel eingeht, wenn ihr das Ego loslasst. Ich sage euch : Wenn ihr das Ego loslasst, zieht der Himmel in euch ein. Wenn ihr ohne Ego seid, seid ihr der Himmel. Wenn ihr voller Ego seid, seid ihr die Hölle. Die Hölle ist nicht irgendwo unten, und der Himmel ist nicht irgendwo oben. Himmel und Hölle sind in euch. Und je nachdem wie ihr lebt, erlebt ihr das eine oder andere.
Wenn du bist, bist du die Hölle. Wenn du nicht bist, bist du der Himmel. Und wenn Du zu sehr an deinem Ego hängst und dich fühlen willst, als etwas Besonderes, als einzigartig, als andersartig, als dieses oder jenes, dann bleibst du unglücklich. Und schon ein einziger Moment der Freude, sagt Saraha, reicht aus, dich zu verändern.
Und der Geist wird niemals durch Philosophieren bereichert. Er wird nicht durch Theorien bereichert, nicht durch Wissen bereichert, nur durch Erfahrung. Ein reicher Geist ist ein Geist, der etwas vom Wirklichen, etwas von der Wahrheit erfahren hat. Es gibt nur einen Reichtum, den der Wahrheit. Solange du die Wahrheit nicht kennst, lebst du mit Lügen, Illusionen, Projektionen, Träumen.
Warum fiebern die Leute gewöhnlich nach äusseren Dingen ? Der eine will ein Auto, der andere will ein Haus, wieder ein anderer will Macht. Warum rennen die Leute Objekten nach ? Was ist die Ursache, der eigentliche Grund für ihre Sucht und ihre hektischen Aktivitäten ? Ihr werdet es kaum glauben. Tantra sagt : Sie wollen vor sich selber davonlaufen. Sie rennen nicht Objekten nach, sie wollen ganz einfach vor sich selbst fliehen. Die Objekte sind Vorwände. Sie helfen dir, dir selbst den Rücken zuzukehren. Du hast Angst vor dir selbst. Du hast Angst um dich selbst.
Es passiert hier jeden Tag. Wann immer jemand der Meditation näher kommt, kriegt er Angst. Warum ? Weil du niemanden vorfindest, wenn du in dich hineinschaust. Das reine Nichts, ein Abgrund, abgrundtiefes Nichts. Du zitterst, du stehst auf einer Klippe. Ein falscher Schritt und es ist aus mit dir. Man rennt vor sich selber davon. Die Leute rennen nicht etwa hinter etwas her, sie rennen vor sich davon. Und dieses Etwas ist ihr eigenes Sein.
Deshalb geht es euch gut, solange ihr beschäftigt seid. Sobald du keine Beschäftigung hast, wirst du sehr unruhig, sehr nervös. Gibt es denn nichts zu tun ? Du fällst dir selber auf die Nerven. Wenn du etwas zu tun hast, wenn du abgelenkt bist, dann kannst du diesen Abgrund vergessen. Dieser Abgrund ist Gott. Wer diesen Abgrund akzeptiert, wer sich mit diesem Abgrund anfreundet, macht den ersten Schritt in Richtung Wirklichkeit.
Saraha sagt : Gewöhnliche Leute rennen den Dingen nach, weil sie vor sich selber davonlaufen. Aber ein Mensch, der erfahren hat, was die Wahrheit ist, lässt sich nicht täuschen, auch dann nicht, wenn er sich den Objekten zuwendet, denn er kann auch geniessen. Tatsächlich ist er der einzige, der die Dinge richtig geniessen kann. Wer die Wahrheit erfahren hat, braucht vor nichts wegzulaufen. Er flieht vor nichts. Er kann die Dinge geniessen. Wie sollt ihr die Dinge geniessen können, wo ihr doch ständig vor eurem eigenen Sein Angst habt ?
Saraha sagt : Wenn du einen Tantriker siehst, der sich mit einer Frau vergnügt oder sich das Essen schmecken lässt oder der Wein trinkt, dann verurteile ihn nicht, auch wenn er aussieht wie ein gewöhnlicher Mann. Er ist nicht gewöhnlich. Der Unterschied geht sehr tief. Der Unterschied ist sehr wesentlich. An der Oberfläche sehen beide gleich aus. Wie kann man unterscheiden, ob ein Mann, der einer Frau nachläuft, ein gewöhnlicher Mann ist oder ein Tantriker? Von aussen kann man das sehr schwer feststellen, denn von aussen sehen beide fast gleich aus.
Ein Tantriker sitzt neben einer Frau und hält ihre Hand, und ein gewöhnlicher Mann tut das gleiche, auch er hält die Hand einer Frau. Wie kann man einen Unterschied zwischen beiden feststellen ? Der gewöhnliche Mann ist auf der Flucht vor sich selbst. Er möchte sich in der Frau verlieren, damit er sich selber vergessen kann. Sich selber liebt er nicht, deshalb liebt er diese Frau, um seine Realität zu vergessen. Er benutzt die Frau wie ein alkoholisches Getränk. Diese Frau macht ihn betrunken, und er vergisst sich. Es hilft ihm, es verschafft ihm eine gewisse Entspannung. Wenigstens für ein paar Augenblicke steckt er nicht in seinen üblichen Ängsten.
Und der Tantriker hält mit innigster Freude die Hand der Frau. Er will nicht fliehen. Wohin sollte er fliehen, und wer sollte fliehen, da es ihn als Ego gar nicht mehr gibt ? Er hält einfach die Hand dieser Frau, um ihr etwas ungeheuer Wertvolles zu geben.
Du kannst nicht alles jedem geben. Es gibt einige wenige Dinge, die du nur in der Liebe geben kannst. Es gibt einige wenige Dinge, die du nur im Vertrauen geben kannst.
Die Leute fragen mich, warum ich nicht zu den Massen spreche. Ich spreche nicht zu ihnen, weil ich etwas zu geben habe, das nur im tiefen Vertrauen und nur in tiefer Liebe gegeben werden kann. Ich kann nur zu Menschen sprechen, die mich lieben. Sonst ist es sinnlos. Sie würden mich nicht verstehen, sie würden mich missverstehen. Es gäbe keine Möglichkeit, mich verständlich zu machen. Es kann nur dann weitergegeben werden können, wenn ihr es in euch aufnehmen könnt. Wenn eure Herzen bereit sind, offen sind, kann ich eure Herzen erklingen lassen, und dann kann eine wunderschöne Musik daraus entstehen. Wenn ihr aber verschlossen seid, ohne Vertrauen, voller Zweifel, kann ich mit euren Herzen nicht musizieren. Es ist unmöglich, weil ihr mir nicht erlaubt, in euren innersten Wesenskern einzudringen, um auf euren Herzen zu spielen. Wenn ihr es mir nicht erlaubt, wird auch keine Musik geboren.
Und dann wollt ihr wissen, ob die Musik existiert. Der einzige Weg euch bewusst zu machen, dass sie existiert, ist der, sie in euch zu erzeugen. Ihr sagt : "Ja, wenn ich die Musik erfahren kann, werde ich auch Vertrauen haben." Das Problem ist, dass ihr die Musik erst erfahren könnt, wenn ihr Vertrauen habt, Vertrauen ist die Grundvoraussetzung.
Der Tantriker hält die Hand einer Frau. Er kann die Hand jedes beliebigen Menschen halten, aber die Energie, die ihm wiederfahren ist, kann er nur einem Menschen geben, der liebt.
Tantra ist kein Standpunkt des "Entweder-Oder", sondern des "Sowohl-als-auch"; es ist allumfassend. Alle Religionen wirken in dieser Hinsicht arm, denn sie nehmen euch die Welt. Sie sagen, entscheide dich entweder für die Welt oder für Gott. Sie setzen Gott gegen die Welt. Tantra ist die einzige Religion, die einzige totale Religion. Beides...
Tantra sagt : Da gibt es überhaupt nichts zu unterscheiden, es gehört alles euch. Ihr könnt auf dem Marktplatz sein und ihr könnt den Marktplatz geniessen, und dennoch könnt ihr über ihn hinausgehen und könnt auch das geniessen. Tantra zwingt euch nicht, euch zu entscheiden. Es liegt nur an diesen Religionen mit der "Entweder-Oder"-Haltung, dass die Welt noch immer weltlich ist. Wer schert sich schon um Gott ? Gott ist so weit weg, ist nicht besonders real. Und dann denkt man sich : "Später mal... Gott lässt sich auf die lange Bank schieben, das Leben ist so schnell vorbei, geniesse es erst einmal."
Die Religionen, die dem Menschen diese Entscheidung aufzwingen, haben ihn gezwungen, weltlich zu bleiben. Von einer Millionen Menschen wird einer religiös. Eine unnötig schwere Wahl. Er muss der Welt entsagen, er muss sich von seiner Familie lösen, er muss Freunde verlassen, er muss sich gegen alles entscheiden, was ihm lieb ist. Ihr zwingt ihn unnötigerweise.
Und dann taucht ein weiteres Problem auf. Die Leute, die bereit sind, sich für Gott und gegen die Welt zu entscheiden, sind mehr oder weniger perverse Leute, die im Leben irgendwie gescheitert sind, die irgendwo nicht intelligent genug sind, das Leben zu meistern, die irgendwo neurotisch sind. Sie können nur vor der Welt fliehen. Sie können sich nur selber quälen. Genau das heisst, bis auf den heutigen Tage - Askese : quäle dich selbst. Tu dir Gewalt an. Bringe dich um. Vergifte langsam dein Wesen. Diese Leute sind keine gesunden Leute.
Tantra stiftet eine völlig neue Religion. Es besagt, dass man sich nicht zu entscheiden braucht. Wo immer du auch bist, genau da, kann Gott erfahren werden. Tantra ist nicht gegen die Welt, es ist für Gott. Und sein Gott ist so grenzenlos, dass er die Welt einbeziehen kann.
Und mir scheint es sehr, sehr einleuchtend, dass die Schöpfung, die reale Welt, in den Schöpfer einbezogen ist. Wie kann sie denn gegen ihn sein ? Wenn Gott dich erschaffen hat, wenn Gott deinen Körper erschaffen hat, deine Sexualität, deine Sinnlichkeit, dann kann das doch nicht gegen Gott gerichtet sein.
Ein gewöhnlicher Mensch kann nur eine begrenzte Freude erleben, in der Musik, in der Meditation, im Tanz. Aber ein Tantriker erfährt grenzenlose Freude. Wenn du die letzte Vollendung kennst, spiegelt sich das Letztendliche in allem, was du tust. Wenn Du Gott erfahren hast, dann kannst du hingehen, wo du willst, du gehst auf heiligem Boden. Dann kannst du hinsehen, wo du willst, du siehst Gott. Dann kann dir begegnen wer will, du begegnest Gott.
Die Höchste Erfahrung spiegelt sich auch in der "niedrigsten" Erfahrung. Darum können die Leute die Tantriker nicht verstehen, die sagen, dass selbst im Sex samadhi, Erleuchtung möglich ist. Es ist verständlich, warum sie es nicht verstehen. Sie kennen kein samadhi, sie kennen nur den gewöhnlichen Sex. Sie kennen nur Frustration durch ihn, sie kennen nur Wollust durch ihn. Die gewöhnliche Liebe ist nichts weiter als Wollust und Gier. Wie kann der einfache Mensch verstehen, dass sich in der Liebe das Absolute wiederspiegeln kann ?
Die Knospen des Lebens sind von Genuss und Freude, die Blätter sind von Herrlichkeit. Aber gewöhnlich werdet ihr nur einfache Blätter sehen, es sei denn, das Höchste hat sich ereignet. Wenn euch das Absolute wiederfährt, erkennt ihr, dass selbst die einfachen Blätter eures Lebens keine einfachen Blätter sind. Erst durch sie konnte sich die höchste Blüte entfalten. Und nun wisst ihr, dass der gleiche Saft, der zur höchsten Blüte fliesst, zu den Knospen von Genuss und Freude, auch der gleiche Saft ist, der zu den Blättern fliesst. Sie tragen allesamt dazu bei, den tausendblättrigen Lotus hervorzubringen. Blätter der Herrlichkeit bedeutet : Blätter der Gnade und Dankbarkeit. Du fühlst das Herrliche der Existenz, dein Leben ist herrlich. Es ist kein gewöhnliches Leben mehr, es strahlt vor Göttlichkeit.
Und wann öffnet sich dieser tausendblättrige Lotus ? Er öffnet sich, wenn nichts hinausfliesst. Genuss ist, wenn die Energie nach aussen fliesst, körperlicher Genuss. Freude ist, wenn die Energie nach innen fliesst, psychologische Freude. Und wann kommt Glückseligkeit ? Wenn die Energie nirgendwo hinfliesst, wenn sie einfach nur da ist.
Du gehst nirgendwo hin, du bist einfach nur da, du bist einfach nur. Nun hast du keine Ziele, nun hast du keine Wünsche, die du dir erfüllen musst. Du hast keine Zukunft, du bist einfach im Hier und Jetzt. Wenn die Energie sich in einem Sammelbecken sammelt, nirgendwo hingeht, nirgends hingeht, nirgendwo hinfliesst... kein Ziel, das es zu ereichen gilt, nichts, das es zu finden gilt, du bist einfach hier, mit deiner ganzen Präsenz, du bist total hier. Dieses Jetzt ist die einzige Zeit, die dir bleibt, und dieses Hier ist der einzige Raum. Dann plötzlich wallt diese gesammelte Energie, die nirgendwohin will, die weder vom Körper noch vom Geist abgelenkt wird, in dir hoch, und der tausendblättrige Lotus öffnet sich.
Und dann kommt die Frucht. Freude und Genuss sind die Knospen, Gnade, Dankbarkeit und Herrlichkeit sind die Blätter, und diese höchste Blüte der Seligkeit ist die Erfüllung, die Frucht. Du bist zu Hause angekommen. Und nun weist du, dass alles, was geschehen ist, nur ein Traum war. Nun weisst du, dass Karma, das Handeln, bedeutungslos ist. Du hast nur Linien auf dem Wasser gezogen, die immer wieder verschwinden. Aber es war hilfreich, nützlich, es hat dich zur Wirklichkeit geführt.
Wenn du wirklich nach Hause kommst und siehst, was ist, wirst du nicht das Gefühl haben, befreit zu sein. Im Gegenteil, du wirst denken : "Wie lächerlich, dass ich je geglaubt habe, nicht befreit zu sein." Ein grosser Unterschied. Falls du, wenn du nach Hause gekommen bist, ein erhabenes Gefühl bekommst und total euphorisch wirst und sagst : "Jetzt bin ich befreit", dann beweist das nur, dass du noch nicht befreit bist.
Saraha sagt : Wenn du wirklich befreit bist, befreit von allem Richtig und von allem Falsch, befreit von allem Gut und allem Böse, dann bist du nicht nur von der Knechtschaft befreit, dann bist du auch von aller Befreiung befreit.
Wie kannst du noch gefesselt werden ? Niemand ist da, der gefesselt werden könnte, es gibt nichts zu fesseln. Die Fesseln sind verschwunden, und mit ihr der Gefesselte. Saraha verkündet hier Buddhas grösste Erkenntnis. Buddha sagt : Es gibt keine Substanz und es gibt kein Selbst. Substanz existiert nicht, alles ist leer. Diese Leere endlich erkennend... in Leere schwebende Bewusstheit, reine Bewusstheit, grenzenlose Bewusstheit. Diese Bewusstheit ist Leere selbst, oder andersherum, diese Leere ist Bewusstheit. Die Leere leuchtet vor Bewusstheit, voller Bewusstheit.
Tantra ist eine grossartige Einsicht in die Dinge, wie sie wirklich sind.
Nicht-Denken ist die Tür zu Tantra.
Nicht-Denken ist der Weg zu Tantra.
Der Schlüssel zu Tantra heisst : Erfahren.