Achilleus
Sehr aktives Mitglied
Der schleichende Vormarsch der Rechten
Ist es schon wieder normal, dass Jugendliche ihre Gäste mit dem Hitlergruß empfangen? Wie kann sich eine Stadt dem Einfluss Rechtsradikaler widersetzen, was muss sie möglicherweise erdulden? Eine Ortsbegehung in Halberstadt, wo Konstantin Wecker nicht singen durfte.
Halberstadt - Es ist eben eine Frage der Perspektiven, und die können dieser Tage in Halberstadt in Sachsen-Anhalt recht unterschiedlich sein. Da ist zum Beispiel die Verkäuferin in der Kühlinger Straße, die von den "lieben Jungs" spricht. Wenn man die Frau so sieht in ihrem Laden, zwischen den Kleiderständern mit "Pitbull-T-Shirts", den Ansteckern, darauf geschrieben "Skinhead. White Power", dann würde man sich nicht wundern, wenn sie ihre lieben Jungs gern mal in den Arm nehmen oder ihnen einfach die Glatze streicheln würde, die tun ja nichts.
Aber so würde das die Frau, die ihren Namen nirgendwo gedruckt sehen möchte, nie sagen. Ist ja selbstverständlich alles nur geschäftlich, privat geht man getrennte Wege. Der Laden, in der Stadt als Kontaktstelle der rechten Szene bekannt, soll laufen, der Verfassungsschutz nichts zu beanstanden haben.
Und dann ist da die junge Frau, die es ebenso vermeidet, ihren Namen zu nennen. Nur hat sie andere Gründe dafür. Zum Beispiel Angst. Vor ein paar Wochen sind bei ihr nebenan neue Nachbarn eingezogen. Wenn dort Besuch klingelt, öffnet sich in einem der oberen Stockwerke schon mal das Fenster, ein Mann lugt hervor und streckt den Arm zum Hitler-Gruß. "Befremdlich", sagt die 33-jährige Arzthelferin. Seit längerem beobachtet sie, dass Rechtsradikale immer unverhohlener und aggressiver auftreten, umso wütender ist sie, dass die Verantwortlichen der Stadt jetzt eingeknickt sind. "Die haben keinen Arsch in der Hose", sagt sie dazu. Mit ihrem Verhalten würden sie die Rechten unterstützen.
Was sie meint, ist die Absage für das Konzert von Konstantin Wecker, der vergangenen Mittwoch im Käthe-Kollwitz-Gymnasium auftreten wollte, um gegen Rechtsradikalismus zu singen. "Nazis raus aus dieser Stadt" lautete das Motto, das der örtlichen NPD überhaupt nicht gepasst hat. Einen Drohbrief hatte der NPD-Kreisvorsitzende Matthias Heyder ans Landratsamt gefaxt, indem er die parteipolitische Neutralität des Konzertes anzweifelte. Die NPD werde mit "allen rechtlichen Mitteln" versuchen, die Veranstaltung zu verhindern, andernfalls "massiv an ihr teilnehmen" und künftig selbst Auftritte in Schulen für seine Partei einklagen, hieß es darin.
Der Halberstädter Landrat zog sein Einverständnis für die Benutzung der Schulaula zurück, das Konzert platzte. Seitdem steht der Landrat unter heftiger Kritik, Politiker aus Berlin äußerten ihr Unverständnis, der Zentralrat der Juden in Deutschland sprach von einer "Bankrotterklärung der Politik vor der NPD", Meinungsforscher sehen die Rechten nach dem Konzerteklat in Sachsen-Anhalt im Aufwind.
Mehr...
Achilleus