Lieber Syrius,
über die Zeit hatte ich allzu oft erfahren, dass es kaum einen Gedanken gibt, der nicht schon einmal gedacht wurde. Von den Religionen hatte ich ja schon oft geschrieben, dass sie die Hoffnungen, Sehnsüchte und den Wertekanonen jener widerspieglen, die ihr folgen wollen. Deshalb entsteht eine Religion auch nicht aus einem Nichts, sondern aus ihrer Zeit und ihrem Umfeld.
Ja, das, Woher, Wohin und Wofür dürfte, uns schon seit Anbeginn beschäftigt haben und wird wohl auch ein wesentlicher Baustein auf unserem Weg zum Menschen gewesen sein. Ich bin mir eigentlich sicher, dass sich diese Fragen nicht immer durch reines Beobachten ergründen lassen und es deshalb immer eine diffuse Vermutung bleiben mussten. Es gab also für sie eine Wahrheit, aber es war im Grunde nur ihre eigene Wahrheit. Platon kam jedenfalls mit seinen Überlegungen zum Wozu der Wahrheit schon ziemlich nahe, denn er erkannte, dass die Sorge um das Seelenheil der zentrale Punkt unseres Daseins ist - nämlich das Glücklichsein.
Zu den Ägyptern solltest Du bedenken, dass deren Vorstellung von den drei Seelen untrennbar mit dem Körper verbunden blieb, deshalb hatten sie auch ihre Toten mumifiziert. Alle drei Seelen waren definitiv keine prä-existenziellen Seelen.
Ka und Ba wurden im Mutterleib geboren, während Ach erst bei dem Tod eines Menschen entstand. Ka und Ba verließen beim Tod den Körper. Während Ba in den Himmel aufstieg und immer wieder zum Körper zurückkehrte, blieb Ka im Umfeld des Leichnams zurück, um ihn zu bewahren. Ka war deshalb auch die Seele, mit dem die Hinterbliebene mit dem Verstorbenen in Verbindung blieben.
Ach musste hingegen durch die Taten im Leben und dem Lebenswandel verdienen werden, damit diese zum Himmel aufsteigen konnte, um dort als unsterblicher Stern leuchten zu können. Das konnte aber erst geschehen, wenn sich Ka und Ba wieder im Körper des Verstorbenen vereinten (die Auferstehung). Also Ach etwas, das in anderen Lehren als die Erleuchtung umschrieben wird. Damit erklären sich dann auch die kleinen Schächte in den Pyramiden, damit die Pharaonen in den Sternenhimmel aufsteigen konnten.
Wo siehst Du da also eine Parallele zu Deinem Seelenmodell? Warum akzeptierst Du nicht, dass es da um Deine Vorstellungen geht, und versuchst Brücken zu bauen, die nichts verbinden können? Nein, Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, denn es geht ja hier um eine Diskussion, bei der kein Blut fließt – zudem lerne ich ja daraus auch immer etwas dazu.
Merlin