K
Karuna
Guest
P R O L O G
Seit Stunden saß er regungslos am Westhang des Illampu und beobachtete den Kondor, der ruhig unter ihm seine Kreise zog und bald zur Dämmerung sein Nest aufsuchen würde.
Tief unter ihm schimmerte der Titicacasee mit seinen Inseln. Er konnte mit bloßem Auge, die Sonnen und Mondinsel erkennen, denn er besaß die scharfblickenden Augen seiner Vorfahren. Auf der anderen Seite des Sees, erhoben sich gen Westen wieder die gewaltigen Sechstausender. Dort, wo die Sonne gerade unterging.
Er, Huayna, der letzte Nachkomme des großen Atahualpa. Sonnenkönig der Inkas, blickte hinab auf sein Reich, welches sich einmal von Chile bis Ecuador erstreckte. Links Tihuanaco, uralt und geheimnisvoll. Es besaß seine Hochblüte lange vor der Zeit der Inkas...
Die Dämmerung begann, der Kondor hatte sein Nest aufgesucht. Huayna, legte sich eine Decke über die Schultern.
Hier oben, unter dem Gipfel des Illampu, war sein magischer Ort, wo er immer wieder hinkehrte, um seine Gedanken in eine feste geordnete Form zu bringen. Huayna kannte sie alle, die Berge seines Reiches, den Illimani, Ausangate, Apolobamba, den Corupuna.
Er war in den Anden geboren, nördlich von Cuzco, in dem kleinen Bergdorf Ollantaytambo.
Die Berge waren seine Lebensgefährten und er machte sich seine Herberge zu ihren Füßen.
Für uns, die wir Kinder der Berge sind, dachte er, sind sie lebendige Wesen. Und wir sind es zu ihnen und erahnen ihre Gefühle. Wir achten ihre Macht. Wenn sie sich zornig schütteln, dann bleiben wir ihnen fern.
Ein anderes mal wieder, heißen sie uns willkommen, mit ihrer unerschütterlichen Ruhe, sprechen zu uns in heiliger Stille und erinnern uns Menschen daran, wie klein und verletzbar wir sind.
Es war bereits dunkel geworden. Linkerhand, weit in der Ferne, begannen die Lichter von
La Paz aufzuleuchten.
Huayna, dachte daran, dass der Monat Kojay Raymi, sich näherte, der Monat des Festes der Kaiserin und sich nun das Orakel erfüllen würde.
Sie würde zu ihm kommen. Aqlla-Cuna, seine Auserwählte, seine Prinzessin, die er immer geliebt hat. Mit dem Flugzeug wird sie kommen. Über das große Wasser, aus einem Land in der Mitte Europas.
I
Der Grund, weshalb ich Euch heute versammelt habe, ist ernst. Frau Luise Hausendorf schaute aufmerksam in die Runde. Ihre beiden Söhne schwiegen abwartend.
Ich weiß Mama, sagte Lisa leise, Papa ist sehr krank...
Euer Vater hat höchstens noch ein halbes Jahr zu leben...
Dieser Satz stand im Raum, wühlte alle möglichen Gefühle bei ihren Kindern hervor. Sie hatten sich draussen im Garten unter der Pergola versammelt. Es war ein milder Sommertag, so wie sie leider immer seltener anzutreffen sind. Von den Hanseaten nur zu sehr willkommen geheißen werden, um dankbar die paar wärmenden Sonnenstrahlen zu nützen.
Ich bin der Älteste und werde das Werk übernehmen, war Karstens erster Gedanke. Er blickte hinunter auf die Elbe, wo die Schiffe wie Spielzeuge wirkten.
Ich werde mich auszahlen lassen, meinen Anteil nehmen und mich an der Cote d`Azur zur Ruhe setzten, überlegte Tobias, gerade als seine Schwester Lisa ihn wieder in das Hier und das Jetzt zurückholte.
Ich habe lange geforscht Mama, brach Lisa das Schweigen. Es gibt eine Pflanze im Urwald von Peru oder Bolivien, sie heißt Tränen des Tici Viracocha und wächst in den östlichen Tälern der Anden...
Schwesterherz! gütig legte Karsten seine Hand auf ihren Arm. Du glaubst an so einen Unfug?
Das ist kein Unfug, Karsten, ich habe lange im Internet geforscht. Es wäre eine Chance für Papas Leben, die wir ergreifen sollten, wenn die anderen Medikamente nicht helfen...
Es folgte aufgeregtes Durcheinandersprechen, welchem Luise Hausendorf energisch Einhalt gebot.
Ruhe jetzt! Ihr seid keine Halbwüchsigen mehr, außerdem etwas mehr Respekt vor Eurer Schwester. Ihre Stimme war bedrohlich hart geworden. So, wie bei ihren gefürchteten Verhandlungen im Aufsichtsrat. Alle drei Kinder schwiegen.
Lisa, ich möchte noch heute Abend eine Zusammenfassung über diese Pflanze haben, geht das? Lisa nickte.
Natürlich Mama, ich kann dir die Inhaltstoffe erklären. Man hat Laboranalysen gemacht, aber ich glaube nicht, dass uns das weiterhelfen wird, es ist ein Geheimnis um diese Pflanze...
Karsten grinste und Tobias begann gedanklich bereits wieder damit, sich in Nizza anzusiedeln.
"Das Problem, Mama, ist wie man an die Pflanze kommt, sie seufzte, es ist so ähnlich wie mit der Suche nach dem heiligen Gral, man findet ihn nicht so ohne weiteres und nur wer ihrer würdig ist, findet sie, dann kommt der Gral zu ihm." Lisa lächelte entschuldigend, so wird im Internet darüber berichtet.
Karsten und Tobias lachten schallend, ein eisiger Blick ihrer Mutter genügte um sie zum schweigen zu bringen.
Lisa, ich weiß, dass du schon immer anders als meine Jungens warst. Sie lächelte. Ich habe das immer geachtet und dich auf die Waldorfschule geschickt. Du wolltest es so.
Luise Hausendorf zuckte mit den Schultern. Manchmal finde auch ich, dass du ein wenig seltsam bist mit deiner Meditation, deiner Ernährung. Na ja, andererseits bist du ein lebenstüchtiger Mensch und leitest unser gesamtes Labor. Ich glaube, das allein spricht für sich Lisa. Ich möchte morgen Nachmittag konkrete Vorschläge von Euch haben, zur Beschaffung der Pflanze. Sie stand auf. Karsten, du rufst unsere Mitarbeiter in Lima an. Anschließend solltest du dringend einen Termin im Tropeninstitut für dich und Tobias festmachen. Ihr werdet einige Impfungen benötigen. Mit Malaria Prophylaxe beginnt Ihr noch heute. Du Tobias kümmerst dich um die Reservierung für Euren Flug nach Lima. Möglichst noch für diese Woche. Also, dann bis Morgen.
_________________
Kostbare Wochen waren verstrichen, aber kein Lebenszeichen mehr von Karsten und Tobias.
In der Vertretung der Hausendorf A.G. in Lima wusste niemand Bescheid. Der Leiter der Vertretung konnte nur so viel berichten, dass beide Hausendorf Söhne zusammen mit einem privatem Tour Guide vor vier Wochen mit einem Jeep aufbrachen. Sie wollten in irgendein Nebental vom Urubamba. Es wurde bereits eine Suchaktion hingeschickt, erklärte der Vertretungsleiter, aber die zerklüfteten Urwald Täler vom Urubamba sind gefährlich.
Urubamba? fragte Frau Hausendorf leicht irritiert ins Telefon.
Urubamba ist ein Fluss an den Osthängen der Anden in Peru. Verzeihen Sie Gnädigste, dort ist auch der sagenumwobene Ort Macchu-Picchu.
Danke Herr Richter und bitte halten Sie mich auf dem Laufendem.
___________________
Es verstrichen nochmals zwei Wochen, da beschloss Lisa zu ihrer Mutter zu gehen und mit ihr zu reden.
Mama, ich glaube es ist besser, ich begebe mich selbst auf die Suche nach der Pflanze, sagte sie sanft zu ihr. Ich werde Maria Dolores in La Paz aufsuchen. Sie ist eine alte Freundin von mir, aus meiner Schulzeit. Wir haben bereits telefoniert. Gemeinsam mit ihr, werden wir uns auf den Weg nach Peru machen. Maria Dolores spricht fließend Quetschua, das ist die Sprache der Indios.
Eine ganze Weile herrschte Schweigen, es schmerzte Luise Hausendorf, sich nun auch noch von ihrer Tochter trennen zu müssen. Im Labor kann sie Herr Hansen vertreten, aber was ist wenn sie auch nicht wiederkommt? andererseits wollte sie alles nur mögliche für das Leben ihres Mannes tun...
Ich weiß was du denkst Mama, aber ich bin gewohnt allein zu reisen. Ich war monatelang alleine in Nepal unterwegs.
Gut. Luise Hausendorf seufzte, veranlasse alles notwendige und begebe dich sofort auf deine Reise mein Kind.
II
Ich warte schon lange auf sie. Ich habe die Sicherheit, dass sie kommt, genau so wie ich es im Orakel bei meiner Tante Chinchita sah.
Meine Tante hatte einen seltsamen Traum, über eine der letzten Sonnenjungfrauen des großen Atahualpa
So wie früher unsere Ahnen, fasteten wir einige Tage, unterzogen uns den Waschungen und Reinigungsriten. Dann kleideten wir uns in weiße Gewänder und setzten uns vor das Feuer, wo Tante Chinchita getrocknete Kräuter hineinwarf. Wir kauten Coca Blätter, gaben etwas Asche in den Mund, um so die heilige Coca Pflanze wirken zu lassen.
Dann, nach einiger Zeit, kamen die Bilder. Wir sahen sie gemeinsam in den Flammen des Feuers.
Du bist Huayna, sprach meine Tante in Trance zu mir. Der letzte Nachfahre der Inka Könige.
Du wurdest als achtjähriger Junge, zusammen mit den fünfhundert Sonnenjungfrauen aus dem Tempel von Cuzco nach Macchu Picchu gebracht und dort vor Pizzaro und seinen Konquistadoren versteckt. Das war im Jahre 1531, noch bevor der große Sonnenkönig Atahualpa, dein Vater von den Spaniern gefangen genommen wurde.
Es entstand in Macchu Picchu eine zarte Liebe zwischen dir und jener Sonnenjungfrau. Sie war eine
Prinzessin, aus edlem Geblüt und deiner würdig. In Euch hat das kostbare Blut der Inkakönige weitergelebt bis zum heutigen Tag.
Tante Chinchita beschrieb in aller Deutlichkeit das Gesicht der Prinzessin Capacati: Sie sieht heute anders aus... Und da konnte auch ich sie in den Flammen sehen. Blonde Haare umrahmten ein Gesicht mit hohen Backenknochen. Ich blickte in liebevolle, wasserblaue Augen, in die ich mich gleich verliebte.
Zuerst werden ihre Brüder kommen, keuchte sie. Meine Tante war in tiefer Trance. Schweißperlen tropften von ihrer Stirn. Ich warne dich Huayna, rief sie aus. Sie wollen den Tod ihres eigenen Vaters und bringen Verderben, gebe acht auf das, was sie tun.
Dann schlief Tante Chinchita tief und fest bis zum nächsten Tag ein.
Ja, dachte Huyana, Ihre Brüder kamen bereits, zwei nichtsnutzige Teufel. genau wie Tante Chinchita es im Feuerorakel sah. Ich begegnete ihnen in Cuzco, auf der Plaza Huacaypata. Um sie zu prüfen, trug ich ärmliche Kleidung und bot ihnen meine Dienste an. Sie hatten bereits einen Führer aus Lima dabei, ein Spanier. Scher dich weg Indio, zischte er mir zu. Die beiden Gringos schauten an mir vorbei, als gäbe es mich nicht.
Vaia para el infierno, murmelte ich und wusste, der Fluch würde sich erfüllen. Sie sollten zur Hölle fahren.
Huayna lächelte. Er saß am Ufer des Titicacasees auf der Sonneninsel. Dort wo er Capacati erwartete. Das Orakel sprach, dass sie aus La Paz, zusammen mit einer Freundin, hier eintreffen würde. Im Monat Kojay Raymi. Der Monat September, der jetzt begann.
Text von Karuna
Juli 2004
Fortsetzung folgt...
Seit Stunden saß er regungslos am Westhang des Illampu und beobachtete den Kondor, der ruhig unter ihm seine Kreise zog und bald zur Dämmerung sein Nest aufsuchen würde.
Tief unter ihm schimmerte der Titicacasee mit seinen Inseln. Er konnte mit bloßem Auge, die Sonnen und Mondinsel erkennen, denn er besaß die scharfblickenden Augen seiner Vorfahren. Auf der anderen Seite des Sees, erhoben sich gen Westen wieder die gewaltigen Sechstausender. Dort, wo die Sonne gerade unterging.
Er, Huayna, der letzte Nachkomme des großen Atahualpa. Sonnenkönig der Inkas, blickte hinab auf sein Reich, welches sich einmal von Chile bis Ecuador erstreckte. Links Tihuanaco, uralt und geheimnisvoll. Es besaß seine Hochblüte lange vor der Zeit der Inkas...
Die Dämmerung begann, der Kondor hatte sein Nest aufgesucht. Huayna, legte sich eine Decke über die Schultern.
Hier oben, unter dem Gipfel des Illampu, war sein magischer Ort, wo er immer wieder hinkehrte, um seine Gedanken in eine feste geordnete Form zu bringen. Huayna kannte sie alle, die Berge seines Reiches, den Illimani, Ausangate, Apolobamba, den Corupuna.
Er war in den Anden geboren, nördlich von Cuzco, in dem kleinen Bergdorf Ollantaytambo.
Die Berge waren seine Lebensgefährten und er machte sich seine Herberge zu ihren Füßen.
Für uns, die wir Kinder der Berge sind, dachte er, sind sie lebendige Wesen. Und wir sind es zu ihnen und erahnen ihre Gefühle. Wir achten ihre Macht. Wenn sie sich zornig schütteln, dann bleiben wir ihnen fern.
Ein anderes mal wieder, heißen sie uns willkommen, mit ihrer unerschütterlichen Ruhe, sprechen zu uns in heiliger Stille und erinnern uns Menschen daran, wie klein und verletzbar wir sind.
Es war bereits dunkel geworden. Linkerhand, weit in der Ferne, begannen die Lichter von
La Paz aufzuleuchten.
Huayna, dachte daran, dass der Monat Kojay Raymi, sich näherte, der Monat des Festes der Kaiserin und sich nun das Orakel erfüllen würde.
Sie würde zu ihm kommen. Aqlla-Cuna, seine Auserwählte, seine Prinzessin, die er immer geliebt hat. Mit dem Flugzeug wird sie kommen. Über das große Wasser, aus einem Land in der Mitte Europas.
I
Der Grund, weshalb ich Euch heute versammelt habe, ist ernst. Frau Luise Hausendorf schaute aufmerksam in die Runde. Ihre beiden Söhne schwiegen abwartend.
Ich weiß Mama, sagte Lisa leise, Papa ist sehr krank...
Euer Vater hat höchstens noch ein halbes Jahr zu leben...
Dieser Satz stand im Raum, wühlte alle möglichen Gefühle bei ihren Kindern hervor. Sie hatten sich draussen im Garten unter der Pergola versammelt. Es war ein milder Sommertag, so wie sie leider immer seltener anzutreffen sind. Von den Hanseaten nur zu sehr willkommen geheißen werden, um dankbar die paar wärmenden Sonnenstrahlen zu nützen.
Ich bin der Älteste und werde das Werk übernehmen, war Karstens erster Gedanke. Er blickte hinunter auf die Elbe, wo die Schiffe wie Spielzeuge wirkten.
Ich werde mich auszahlen lassen, meinen Anteil nehmen und mich an der Cote d`Azur zur Ruhe setzten, überlegte Tobias, gerade als seine Schwester Lisa ihn wieder in das Hier und das Jetzt zurückholte.
Ich habe lange geforscht Mama, brach Lisa das Schweigen. Es gibt eine Pflanze im Urwald von Peru oder Bolivien, sie heißt Tränen des Tici Viracocha und wächst in den östlichen Tälern der Anden...
Schwesterherz! gütig legte Karsten seine Hand auf ihren Arm. Du glaubst an so einen Unfug?
Das ist kein Unfug, Karsten, ich habe lange im Internet geforscht. Es wäre eine Chance für Papas Leben, die wir ergreifen sollten, wenn die anderen Medikamente nicht helfen...
Es folgte aufgeregtes Durcheinandersprechen, welchem Luise Hausendorf energisch Einhalt gebot.
Ruhe jetzt! Ihr seid keine Halbwüchsigen mehr, außerdem etwas mehr Respekt vor Eurer Schwester. Ihre Stimme war bedrohlich hart geworden. So, wie bei ihren gefürchteten Verhandlungen im Aufsichtsrat. Alle drei Kinder schwiegen.
Lisa, ich möchte noch heute Abend eine Zusammenfassung über diese Pflanze haben, geht das? Lisa nickte.
Natürlich Mama, ich kann dir die Inhaltstoffe erklären. Man hat Laboranalysen gemacht, aber ich glaube nicht, dass uns das weiterhelfen wird, es ist ein Geheimnis um diese Pflanze...
Karsten grinste und Tobias begann gedanklich bereits wieder damit, sich in Nizza anzusiedeln.
"Das Problem, Mama, ist wie man an die Pflanze kommt, sie seufzte, es ist so ähnlich wie mit der Suche nach dem heiligen Gral, man findet ihn nicht so ohne weiteres und nur wer ihrer würdig ist, findet sie, dann kommt der Gral zu ihm." Lisa lächelte entschuldigend, so wird im Internet darüber berichtet.
Karsten und Tobias lachten schallend, ein eisiger Blick ihrer Mutter genügte um sie zum schweigen zu bringen.
Lisa, ich weiß, dass du schon immer anders als meine Jungens warst. Sie lächelte. Ich habe das immer geachtet und dich auf die Waldorfschule geschickt. Du wolltest es so.
Luise Hausendorf zuckte mit den Schultern. Manchmal finde auch ich, dass du ein wenig seltsam bist mit deiner Meditation, deiner Ernährung. Na ja, andererseits bist du ein lebenstüchtiger Mensch und leitest unser gesamtes Labor. Ich glaube, das allein spricht für sich Lisa. Ich möchte morgen Nachmittag konkrete Vorschläge von Euch haben, zur Beschaffung der Pflanze. Sie stand auf. Karsten, du rufst unsere Mitarbeiter in Lima an. Anschließend solltest du dringend einen Termin im Tropeninstitut für dich und Tobias festmachen. Ihr werdet einige Impfungen benötigen. Mit Malaria Prophylaxe beginnt Ihr noch heute. Du Tobias kümmerst dich um die Reservierung für Euren Flug nach Lima. Möglichst noch für diese Woche. Also, dann bis Morgen.
_________________
Kostbare Wochen waren verstrichen, aber kein Lebenszeichen mehr von Karsten und Tobias.
In der Vertretung der Hausendorf A.G. in Lima wusste niemand Bescheid. Der Leiter der Vertretung konnte nur so viel berichten, dass beide Hausendorf Söhne zusammen mit einem privatem Tour Guide vor vier Wochen mit einem Jeep aufbrachen. Sie wollten in irgendein Nebental vom Urubamba. Es wurde bereits eine Suchaktion hingeschickt, erklärte der Vertretungsleiter, aber die zerklüfteten Urwald Täler vom Urubamba sind gefährlich.
Urubamba? fragte Frau Hausendorf leicht irritiert ins Telefon.
Urubamba ist ein Fluss an den Osthängen der Anden in Peru. Verzeihen Sie Gnädigste, dort ist auch der sagenumwobene Ort Macchu-Picchu.
Danke Herr Richter und bitte halten Sie mich auf dem Laufendem.
___________________
Es verstrichen nochmals zwei Wochen, da beschloss Lisa zu ihrer Mutter zu gehen und mit ihr zu reden.
Mama, ich glaube es ist besser, ich begebe mich selbst auf die Suche nach der Pflanze, sagte sie sanft zu ihr. Ich werde Maria Dolores in La Paz aufsuchen. Sie ist eine alte Freundin von mir, aus meiner Schulzeit. Wir haben bereits telefoniert. Gemeinsam mit ihr, werden wir uns auf den Weg nach Peru machen. Maria Dolores spricht fließend Quetschua, das ist die Sprache der Indios.
Eine ganze Weile herrschte Schweigen, es schmerzte Luise Hausendorf, sich nun auch noch von ihrer Tochter trennen zu müssen. Im Labor kann sie Herr Hansen vertreten, aber was ist wenn sie auch nicht wiederkommt? andererseits wollte sie alles nur mögliche für das Leben ihres Mannes tun...
Ich weiß was du denkst Mama, aber ich bin gewohnt allein zu reisen. Ich war monatelang alleine in Nepal unterwegs.
Gut. Luise Hausendorf seufzte, veranlasse alles notwendige und begebe dich sofort auf deine Reise mein Kind.
II
Ich warte schon lange auf sie. Ich habe die Sicherheit, dass sie kommt, genau so wie ich es im Orakel bei meiner Tante Chinchita sah.
Meine Tante hatte einen seltsamen Traum, über eine der letzten Sonnenjungfrauen des großen Atahualpa
So wie früher unsere Ahnen, fasteten wir einige Tage, unterzogen uns den Waschungen und Reinigungsriten. Dann kleideten wir uns in weiße Gewänder und setzten uns vor das Feuer, wo Tante Chinchita getrocknete Kräuter hineinwarf. Wir kauten Coca Blätter, gaben etwas Asche in den Mund, um so die heilige Coca Pflanze wirken zu lassen.
Dann, nach einiger Zeit, kamen die Bilder. Wir sahen sie gemeinsam in den Flammen des Feuers.
Du bist Huayna, sprach meine Tante in Trance zu mir. Der letzte Nachfahre der Inka Könige.
Du wurdest als achtjähriger Junge, zusammen mit den fünfhundert Sonnenjungfrauen aus dem Tempel von Cuzco nach Macchu Picchu gebracht und dort vor Pizzaro und seinen Konquistadoren versteckt. Das war im Jahre 1531, noch bevor der große Sonnenkönig Atahualpa, dein Vater von den Spaniern gefangen genommen wurde.
Es entstand in Macchu Picchu eine zarte Liebe zwischen dir und jener Sonnenjungfrau. Sie war eine
Prinzessin, aus edlem Geblüt und deiner würdig. In Euch hat das kostbare Blut der Inkakönige weitergelebt bis zum heutigen Tag.
Tante Chinchita beschrieb in aller Deutlichkeit das Gesicht der Prinzessin Capacati: Sie sieht heute anders aus... Und da konnte auch ich sie in den Flammen sehen. Blonde Haare umrahmten ein Gesicht mit hohen Backenknochen. Ich blickte in liebevolle, wasserblaue Augen, in die ich mich gleich verliebte.
Zuerst werden ihre Brüder kommen, keuchte sie. Meine Tante war in tiefer Trance. Schweißperlen tropften von ihrer Stirn. Ich warne dich Huayna, rief sie aus. Sie wollen den Tod ihres eigenen Vaters und bringen Verderben, gebe acht auf das, was sie tun.
Dann schlief Tante Chinchita tief und fest bis zum nächsten Tag ein.
Ja, dachte Huyana, Ihre Brüder kamen bereits, zwei nichtsnutzige Teufel. genau wie Tante Chinchita es im Feuerorakel sah. Ich begegnete ihnen in Cuzco, auf der Plaza Huacaypata. Um sie zu prüfen, trug ich ärmliche Kleidung und bot ihnen meine Dienste an. Sie hatten bereits einen Führer aus Lima dabei, ein Spanier. Scher dich weg Indio, zischte er mir zu. Die beiden Gringos schauten an mir vorbei, als gäbe es mich nicht.
Vaia para el infierno, murmelte ich und wusste, der Fluch würde sich erfüllen. Sie sollten zur Hölle fahren.
Huayna lächelte. Er saß am Ufer des Titicacasees auf der Sonneninsel. Dort wo er Capacati erwartete. Das Orakel sprach, dass sie aus La Paz, zusammen mit einer Freundin, hier eintreffen würde. Im Monat Kojay Raymi. Der Monat September, der jetzt begann.
Text von Karuna



Juli 2004
Fortsetzung folgt...