Josef von Arimathea berichtet, was nach der Kreuzigung Jesu geschah.
Ich bin hier, Josef von Arimathea.
Auch ich möchte dir heute ein paar Zeilen schreiben, um dir mit dieser Botschaft zu
bestätigen, dass ich tatsächlich gelebt habe und keine Erfindung jener bin, die es sich zur
Aufgabe gemacht haben, das Wirken Jesu schriftlich festzuhalten. Als Jesus gekreuzigt
wurde, war ich unter den wenigen, die es wagten, ihn bis zu seiner Hinrichtungsstätte zu
begleiten. Nachdem er schließlich gestorben war, haben wir seinen Körper vom Kreuz
abgenommen, und da ich ein neues und noch nicht benutztes Grab besaß, brachten wir den
Leichnam Jesu dorthin. Der tote Leib wurde nach der Sitte unserer Väter beigesetzt – das
heißt, er wurde gesalbt und in Tücher gehüllt. In unseren Augen war dies der letzte Dienst,
den wir Jesus erweisen konnten. Wir versiegelten sein Grab mit einem Stein und bereiteten
auf diese Art und Weise seinen Körper darauf vor, in Frieden zu ruhen. Und ich bezeuge an
dieser Stelle noch einmal mit allem Nachdruck, dass weder ein Einzelner, noch eine
verschwiegene Gruppe von Jüngern die Gelegenheit hatten, das Grab zu öffnen und den
Leichnam zu stehlen.
Ich selbst war noch nicht allzu lange Jünger Jesu und habe mich als ehemaliger
Pharisäer erst kürzlich seiner Lehre zugewandt, denn das, was Jesus verkündete,
beantwortete mir all jene Fragen, auf welche die jüdische Theologie keine Antwort hatte.
Dass Jesus wie ein gemeiner Verbrecher sterben musste, tat mir unendlich leid, und wenn es
in meiner Macht gewesen wäre, so hätte ich seinen Tod verhindert. Da ich als gläubiger Jude
aber den Eindruck hatte, dass auch ich eine Teilschuld an der Verurteilung Jesu hatte, stellte
ich ihm als kleine Widergutmachung und gleichsam als symbolische Geste mein eigenes Grab
zu seiner letzten Ruhestätte zur Verfügung. Auch wenn ich als Pharisäer an ein Weiterleben
nach dem Tod glaubte, so schien es mir unwahrscheinlich, dass Jesus seiner Prophezeiung
nach von den Toten auferstehen würde und war bei seiner Bestattung deshalb davon
überzeugt, dass auch sein Leichnam wie jeder andere, tote Körper, der der Erde überlassen
wird, zerfallen würde.
Mit Interesse verfolgte ich deshalb die Maßnahmen, die der Ältestenrat in Gang
setzte, um die Prophezeiung Jesu, er würde nach drei Tagen vom Tode auferstehen, zu
verhindern, und beobachtete zusammen mit den Soldaten, die das Grab bewachten,
gespannt, ob etwas Außergewöhnliches stattfinden würde. Da ich die ganze Zeit über in der
Nähe des Grabes war, kann ich aus tiefster Seele beteuern, dass es niemandem möglich war,
sich unbemerkt dem Grab zu nähern oder den Verschlussstein wegzurollen. Alles, was die
Bibel über dieses Ereignis berichtet, entspricht voll und ganz der Wahrheit, denn ich war
zugegen, als der Engel erschien und die Soldaten in eine Art Schlaf fielen. Auch wenn die
Evangelien mich mit keiner Zeile erwähnen, so war ich doch Zeuge dieser Geschehnisse und
sah mit eigenen Augen, wie der Stein zur Seite gerollt wurde und eine hell leuchtende
Gestalt neben dem Grabeingang stand. Hals über Kopf rannte ich weg und war so von Furcht
ergriffen, dass ich es erst wieder gegen Morgen wagte, mich dem Ort zu nähern. Dabei
wurde ich Zeuge, wie außer sich Maria war, weil der Leichnam ihres geliebten Meisters
fehlte.
Und plötzlich gab sich der Mann, den Maria in ihrer Verzweiflung um Rat fragte, als
Jesus zu erkennen – eben jener Jesus, den wir von drei Tagen ins Grab gelegt hatten! Sein
Körper, der wie aus dem Nichts erschienen war, hatte sich vollkommen gewandelt und statt
Fleisch und Blut war er aus einem Material, das leuchtete wie die Sonne. Auch wenn er dem
irdischen Leib, der uns so vertraut war, ähnlich war, hatte er doch ein anderes Aussehen,
sodass Maria den Meister erst erkannte, als sie in dessen wunderbare und liebevolle Augen
blickte und den ihr so wohl bekannten, vertrauten Gesichtsausdruck gewahrte. Auch
erkannten wir Jesus an seiner Stimme, die so voller Liebe und Mitgefühl war. Diese
Erscheinung war wahrhaftig Jesus, und für diese Wahrheit trete ich in der gesamten Welt als
Zeuge auf.
Noch bevor die Jünger verständigt worden waren, betrat ich staunend das Grab – es
war vollkommen leer. Auch Petrus, der mittlerweile eingetroffen war, konnte nicht
verstehen, wo der Leichnam Jesu abgeblieben war. Dann fielen uns die Worte ein, die Jesus
uns vor seiner Hinrichtung verkündet hatte, dass der Tod ihn nicht festhalten könne, und wir
alle waren stumm vor Erstaunen, um im nächsten Moment an unseren Sinnen zu zweifeln.
Jesus von Nazareth war tatsächlich aus seinem Grab auferstanden! Und auch wenn ich keine
Erklärung dafür hatte, auf welche Art und Weise sein irdischer Leib verschwunden war, so
hat sich dieses Ereignis dennoch zugetragen. Mittlerweile ist mir bekannt, dass jeder, der
über große, spirituelle Kräfte verfügt, seinen physischen Körper in seine Bestandteile
auflösen kann und diese Fähigkeit weder selten ist, noch außergewöhnliche Begabung
erfordert.
Jesus ist wahrhaft aus seinem Grab auferstanden – nicht aber von den Toten, denn
das, was wir als Tod bezeichnen, ist eine Fortsetzung des Lebens, ohne dass dafür eine
fleischliche Hülle notwendig ist. Jeder, der stirbt, lebt weiter, nachdem er seinen irdischen
Leib abgelegt hat, denn in der spirituellen Welt braucht der Mensch nur seinen spirituellen
Körper, der untrennbar mit seiner Seele verbunden ist.
Der Ort, an dem ich lebe, ist eine Sphäre in den göttlichen Himmeln. Ich bin Jesus
immer noch ganz nahe, und gemeinsam setzen wir sein Werk fort, die Frohbotschaft des
Vaters zu verkünden. Jesus ist ein wunderbares, kaum zu beschreibendes, spirituelles
Wesen. Er ist der Messias Gottes und niemand steht dem Herzen des Vaters, dem Urquell
der Göttlichen Liebe, näher als er. Er ist wahrhaftig Sein über alles, geliebter Sohn. Und
dieser Jesus ist es, der dich als sein irdisches Werkzeug erwählt hat. Auch heute, da du meine
Worte aufgeschrieben hast, war er bei dir, denn er hat dich dazu berufen, seine Botschaft
der Wahrheit den Sterblichen zu bringen. Zweifle also nicht an seiner Person, denn er ist
dein wahrer Bruder und Freund und steht dir näher, als Vater, Mutter oder Bruder auf Erden
dir jemals nahe sein können. Damit, mein lieber Bruder, beende ich meine Mitteilung. Ich
sende dir meinen Segen und all meine Liebe.
Dein Bruder in Christus,
Josef.