Hi Josefa!
Deine drastischen Beispiele unterstreichen nur, dass es einer differenzierten Sicht bedarf, um angemessen mit solcher Thematik umzugehen und nicht schon in der Diskussion die Würde der Beteiligten zu missachten. Auch als nicht Involvierter gehe ich mal davon aus, dass 98 % derer, die offen oder insgeheim, in der Phantasie oder in gelebter erotischer Praxis BDSM praktizieren, mit solchen Exzessen nichts am Hut haben. Wenn ich annehmen müsste, dass das die Realität der Szene - oder auch nur die Ränder der Szene - widerspiegelte, dann würde ich als Alien sofort den Umkehrschub einwerfen und das Weite suchen.
Deine Schilderung erinnert mich an den Film Saló des Italieners Pier Paolo Pasolini, der in ähnlich drastischen Bildern die "120 Tage von Sodom" des Marquis de Sade in die Mussolini-Republik von Saló verlegt und ein erschreckend dichtes antifaschistisches Filmdokument geschaffen hat, das die Antifa-Diskussion neben den üblichen soziologischen und historischen Befunden um die Dimension dämonischer Untergründe der menschlichen Existenz erweitert hat... dort sehr drastisch und leicht als "pfui" auszumachen, im braven Alltag aber durchaus auch reichlich vertreten, wie Du ja selbst erwähnst - Pädophilie in allen Gesellschaftskreisen und in erschreckendem Ausmaß, immer wieder mal die Ausrottung ganzer Familien, auch ganz asexuelle Gewalt gegen Kinder, Frauen ... und ich frage mich da eigentlich eher, welche Ansatzpunkte es gibt, mit diesem Dämonischen (ich nenn's einfach mal ganz verwaschen so...) umzugehen.
Und da frage ich mich, ob nicht zum Beispiel kontrolliert gelebter BDSM eine sublimierte Form sein kann, die Faszination der "Blumen des Bösen", die ja nicht Baudelaire allein gepackt hat, zu erleben, ohne wirklich dem Bösen zu verfallen, in Formen, wie Du sie schilderst. Ich vermag mir auch nicht vorzustellen, dass Exzesse wie die beschriebenen in irgendeiner Form etwas mit Freiwilligkeit oder Lust zu tun haben können - weder bei den "Opfern" noch bei den "Tätern". Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das phantasierte Szenen sein können, die von Freund und Feind der Szene gleichermaßen mit Genuss und wohligem Schaudern ausgemalt werden ... wie's ja auch dieses widerliche Genre der Snuff-Movies gibt, das von der täuschend inszenierten Illusion lebt.
Ich glaube nicht von vornherein, dass Menschen, die solche Phantasien hegen, das sehr gern in die Tat umsetzen würden - die allermeisten nicht. Für die meisten ist das dämonische Ikonografie, eher geeignet, die Geister zu bannen denn sie heraufzubeschwören. Schon deshalb, weil es ja letztlich Bilder tiefer Ängste sind, wie sie von Hieronymus Bosch abwärts auch in der Kunst regelmäßig Dimensionen des Unbewussten ausloten. Und bei den wenigen, die wirklich den Weg zur Tat suchen... ich kann mir nicht vorstellen, dass eine "gesunde BDSM-Szene" (was für ein Begriff ;-) solche Typen dulden würde.
Und gerade eben hab ich gehört, BMW schmeißt 8000 Leute raus, Henkel entlässt 3500... selbstverständlich lässt sich nicht eins gegen das andere ausspielen, bloß: Wie viel Menschenverachtung steckt eigentlich da drin?
Alles Liebe,
Jake